DSA 5 – Das Betatagebuch III: Die Alpha-Beta-Frage

Hallo zusammen!

Mittlerweile haben wir den ersten „Abenteuerpunktevergabe“-Punkt in Die Quelle des Nagrach passiert und das war ja zugleich auch die Marke, die ich mir für den nächsten Eintrag hier gesetzt hatte. Zwei Sitzungen sind in der Zwischenzeit vergangen, beide etwas länger als die bisherigen, sodass eine Menge Handlung sich entfalten konnte.
Insofern kann ich auf jeden Fall schon mal sagen, dass von allem, was rund um DSA 5 bisher von mir gelesen wurde, eigentlich das Abenteuer die größten Lorbeeren verdient zu haben scheint. Das ist ein rundum gutes Teil und wäre auch ohne den ganzen Beta-Kontext definitiv einen Blick wert.

Und die Beta? Das … ist eine schwierigere Frage.
Generell bin ich nach wie von mit dem Kurs, den DSA 5 eingeschlagen hat, durchaus zufrieden. Die Vereinfachungen der Regeln an sich wirken gut, die eigentlichen Mechanismen funktionieren und die Charaktere, so habe ich das Gefühl, sind auch durch die Erschaffung durchaus interessant genug geraten. Obwohl die Gruppe natürlich eine gewisse Aura von „mal gucken was da geht“ hat, macht auch das Spiel abseits des Regeltests durchweg Laune.

DSA5 Beta Test Doku thumpAber apropos „mal gucken was da geht“: Unsere ersten karmalen Effekte wurden gewirkt. Die erste Liturgie unter DSA 5 in unserer Runde geht an die Rondra-Geweihte, die einen Räuberhauptmann zum ehrenvollen Zweikampf zwang, die zweite Liturgie an den Peraine-Geweihten, der den Auelfen „reparieren“ musste, nachdem der sich in Unkenntnis der Gebräuche wie auch der Sachlage in eben jenen Zweikampf eingemischt hat. Aber die in Foren teilweise besorgt geäußerten Vermutungen, dass etwa der Peraine-Geweihte nur ein besserer Heilbot sei, kann ich bisher nicht bestätigen. Klar wird durch ihn Heilung vorangetrieben, aber in der Praxis bei uns wenn zwischen den Kämpfen, und das finde ich in Ordnung. Eine schnelle Regeneration zwischen Begegnungen beschleunigt nur das Erzähltempo, da keine Heilungs-Rast die ganze Gruppe lahmlegt.

Also kurz gesagt: Spielen kann man mit den Beta-Regeln auf jeden Fall. Aber mit Einschränkungen.
Sicherlich kann man nicht erwarten, dass eine Beta-Version reibungslos läuft. Sie ist ja letztlich gerade da, damit die Ecken und Kanten noch gefunden werden können. Allerdings muss man schon festhalten, dass sich das Buch in einzelnen Regelbereichen mehr wie eine frühe Alphaversion anfühlt, nicht wie eine Beta.
Ein Beispiel? Der Geweihte regeneriert ja Karma nun analog zu den Astralpunkten der Spruchzauberer. Cool. Will er mehr, kann er meditieren. Er würfelt dann laut Regelwerk eine „Karmalqueste“-Probe und die übrigbehaltenen FP kriegt er so oben drauf (S. 251). Das Problem? Karmalqueste ist eine Sonderfertigkeit und besitzt insofern weder einen Wert, auf den man, noch Attribute, mit denen man würfeln könnte. Schade auch, dadurch wird im Endeffekt dieser gesamte Regelzweig unspielbar.

Es gibt so ein paar Fälle, die derart kritisch „defekt“ sind; über fehlende Beschreibungen von in Listen genannten Zaubern und Liturgien schrieb ich ja bereits.
Andere Fehler hingegen sind mehr ein Fall für angeregtes Stirnrunzeln. Um eine andere Baustelle zu bemühen – manche Dämonen und Kreaturen haben „Schreckgestalt“. Nehmen wir etwa die Mumie im Grundregelwerk (S. 268). Tritt nun so eine Mumie auf, würfeln alle Beteiligten eine Willenskraft-Probe -4. Jeder würfelt also MU/IN/CH um vier erschwert, vergleicht Werte und schaut, ob er am Ende was übrig hat. Wenn nun nicht, so wirkt der Anblick der Mumie wie ein Horriphobus mit vier übrigbehaltenen Punkten. Und was macht der nun? Ein 4-FP-Horriphobus sorgt dafür, dass der Betroffene den anderen für einen überlegenen Gegner hält (S. 230).
Das bringt keine Abzüge, keine Vorgaben, wie zu handeln ist, es macht nur, dass der Charakter sich also denkt, dass das Vieh überlegen ist. Will sagen: Es beeinflusst nichts.
Im konkreten Spielrundenbeispiel würfeln also sechs Leute am Tisch je ein Probe, deren Ausgang fast völlig egal ist. Sicher kann man daraus dann nettes Rollenspiel entwickelt – aber dafür brauche ich nicht den Regelapparat da dran.

Überhaupt, die Kreaturen- und Gegnerwerte. Die Wertekästen sind toll, das schrieb ich schon, und haben sich bisher auch in der Spielpraxis sehr hervorgetan. Aber so ein paar Elemente werfen doch Fragen auf. Dass diverse Sonderfertigkeiten fehlen, etwa Anspringen und Verbeißen beim Wolf, erwähnte ich ja schon. Aber das ist mehr ein Copy&Paste-Phänomen des Beta-Buches an sich. Aber was sich konsequent durch die bisherigen DSA-5-Sachen zieht, ist etwa folgendes Phänomen:
Kreaturen haben einen Eintrag namens Beute. Da liest man dann beispielsweise bei der Gruftassel (S. 264) „Beute: 25 Rationen (Innereien; ungenießbar), Rest wertlos“. Ich will mich gar nicht daran festhalten, ob denn nun ungenießbare Rationen nicht auch ohne wert sein sollten, sondern was mich vielmehr fasziniert … humanoide Gegner haben nichts am Leib, wie es scheint. Nimmt man etwa den Ork (S. 262), so fehlt das Feld einfach ganz. Und gleiches galt für die vorhin schon erwähnten, erschlagenen Räuber – und bei denen haben die Spieler mich gefragt.

Wenn schon bei jedem zweiten Vieh steht, dass es x Rationen ungenießbaren Fleisches bietet, wäre es dann wirklich zu viel verlangt, wenn etwa der Ork zumindest irgendwie klassisch W3 Münzen und, was weiß ich, etwa geschnitztes Werkzeug bei sich trägt, oder so?

Aber ich will nicht nur meckern. Die Kämpfe nach DSA 5 laufen ziemlich fix ab und wirken auch dynamisch, „erzählen sich gut“ auf Basis dessen, was gewürfelt wird. Alleine dass Wunden, die ja weiterhin bei der mit DSA 4.1 eingeführten Wundschwelle von KO/2 erlitten werden und dabei nun auch ihrerseits nochmal 1W3 Schadenspunkte anrichten, lässt Situationen teils schnell brenzlig werden. Auch der Mechanismus, dass Antagonisten ohne Schicksalspunkte nur eine Reaktion haben, hilft dabei natürlich sehr. Die Schicksalspunkte selbst hat bisher dagegen niemand angerührt.
Die sehr kompakten Zauberbeschreibungen sind auch toll, so konnte ich eine böse NSC-Magierin relativ unvorbereitet aus dem Hut zaubern, weil sich die Sprüche alle mit einem Blick überfliegen lassen. Das gilt nicht für alle Regeltexte bisher – die Beschreibung der Unauer Schule (S. 194) gehört jedenfalls nicht gerade zu den Glanzlichtern des Spiels –, aber alles in allem ist der Gesamteindruck hier positiv.
Was glaube ich insgesamt an dem Abenteuer selbst viel Anklang findet, sind die vielen Vorschläge, was für Proben man würfeln könnte, um bestimmte Dinge in einer Szene zu bewegen. Das lässt die Talentliste in ihrer Gänze relevant wirken und vermittelt beim Abenteuer das Gefühl, dass da jemand seine Hausaufgaben gemacht hat – was beides gute Sachen sind. Teils wirken mir die Erschwernisse, die gegeben werden, allerdings etwas mutig. An einer Stelle können die Charaktere von Steinen aus versuchen, an ein Ufer zu springen – was eine völlig absurde Probe auf Körperbeherrschung -12 bedeuten würde.  Minus zwölf! Das ist laut Regelwerk „extrem schwierig“ (S. 19); da kommt nichts mehr drüber! Was sind denn das bitte für Steine?
Aber ja, abseits dessen ist Die Quelle des Nagrach auf jeden Fall ein sehr souverän auch eng nach Buch zu leitendes Abenteuer.

Das war nun viel Einzel-Meckern, das weiß ich auch. Der generelle Eindruck, das muss man wohl noch mal sagen, ist und bleibt positiv, wir haben Spaß mit DSA 5 am Spieltisch und sind glaube ich alle guter Dinge, dass das finale Buch ein überzeugendes Spiel werden kann. Mit den klaffenden Lücken, die wir nun nach nur einem halben Abenteuer haben, bin ich aber durchaus gespannt, was wir noch so finden, bis wir mit den Beta-Szenarien ganz durch sind. Nun – ich werde an dieser Stelle berichten.

Viele Grüße,
Thomas