Aster, Christian von: Encyclopedia Neurotica. Kleine Sammlung astaesker Makabresken.
Christian von Aster ist mir, aus dem großen Fundus junger, deutscher Phantastikautoren immer einer der Liebsten gewesen. Er schreibt faszinierende Kurzgeschichten, ist ein hervorragender Vorleser und seine ersten Schritte in Richtung langer Erzählungen sind ebenfalls sehr lesenswert gewesen. Zuletzt hat er mit der Trilogie um die große Erzferkel-Prophezeiung im Lyx-Verlag dann sogar den Sprung in die großen Buchläden geschafft.
Das vorliegende Buch hingegen fällt wohl schon eher in die Kategorie „Frühwerk“. Die „Encyclopedia Neurotica“ ist 2002 bei dem Kleinstverlag Midas erschienen und versammelt auf knappen 132 Seiten nicht weniger als 34 Kurzgeschichten. Die sich daraus ergebende durchschnittliche Länge von nicht mal vier Seiten ist dabei repräsentativ zu sehen – die auf dem Cover als „astaeske Makabresken“ beworbene Gattung bezeichnet ganz explizit in sich geschlossene Geschichten, die zumeist eigentlich nur sehr kunstvoll umgesetzte Einzelideen darstellen.
So berichtet das Buch in „Die Laterne Joost van Jansens“ von einem Mann, der in dem Flackern der Straßenlaterne vor seinem Haus eine geheimnisvoll codierte Botschaft vermutet. Oder von der „erste[n] Hochzeit Kleinhard Fiebichs“, die ziemlich aus dem Ruder läuft. Mörderische Mieter, übermäßig eifrige Museumswächter, der Besuch – Zitat Text – „semipaganistischer Amishmormonen mit überwiegend jüdischer Namensgebung“ bei IKEA und die religiöse Bedeutung von Espressomaschinen sind nur einige der Themen des Buches.
Einige der Geschichten sind einfach kurios und tolle Gedankenspiele – mein Liebling ist die „Geschichte einer Flugzeugentführung“ – während andere Geschichten wiederum schon regelrechte Kurz-Thriller sind, etwa „Fritz Schmidts Mankuskript“, in dem ein Autor offenbar weniger über sein unveröffentlichtes Buch weiß, als jeder andere.
Die meisten Ideen sind sehr gut, die Texte an sind sind es alle. Christian von Aster beherrscht die deutsche Sprache meisterhaft und versteht es mit ihr zu spielen. Er weiß, wann er mit Regeln brechen kann und wann nicht, er kann den Leser in seinen Bann schlagen und, bei diesem Buch sehr wichtig, mit wenigen Worten viele Bilder vor dem geistigen Auge zum Leben erwecken. Besonders angetan haben es mir auch die Namen der Charaktere in den Geschichten, die an Absurdität und Deutschtümelei kaum zu überbieten sind. Itzard Honigbier, Freimut Paschulke, Traugott Fröhlich und Ralfhart Körner sind da nur einige, wenige Beispiele unter vielen.
Das Buch ist als hohes, dünnes Softcover erschienen. Der Einband ist extrem robus, ebenso die Bindung. Der Druck ist gut, die gewählte Schriftart ohne Serifen leider nicht perfekt lesbar. Die restliche Aufmachung ist allerdings sehr schön geraten und das Buch reiht sich mit seiner kleinen Cover-Illustration auf dem insgesamt weißen Umschlag sehr schön in das astaeske Gesamtwerk bei Midas ein, man denke nur an „Bald“, „Das goldene Kalb“, „Armageddon TV“ oder „Troll!“. Der Preis von 10 Euro ist hoch, aber letztlich lohnend, der Bezug des Buches dagegen ist nicht ganz ohne Tücke, da es zwar eine ISBN besitzt, aber auch über Amazon nur über die Z-Shops verfügbar ist. Über die klappt es aber erwiesenermaßen reibungslos.
Das einzige, was mich von einer pauschalen Kaufempfehlung abhält ist der auf die Seitenzahl gesehen hohe Preis des Buches. Inhaltlich ist es ein tolles Produkt und es macht einfach Spaß, sich von Christian von Aster auf diese 34 Geschichten mitnehmen zu lassen. Ich habe das Buch sehr genossen und kann es daher zumindest jedem ans Herz legen, dessen Geldbeutel bei Büchern manchmal etwas lockerer sitzt.
Name: Encyclopedia Neurotica. Kleine Sammlung astaesker Makabresken.
Verlag: Midas
Sprache: Deutsch
Autor: Christian von Aster
Seiten: 132
ISBN: 978-3-937449-07-4{jcomments on}