Eschbach, Andreas (Hrsg.): Eine Trillion Euro
Kurzgeschichten-Sammlungen. Man muss nur einmal eine Runde durch die örtlichen Buchläden drehen und schon sieht man, dass Bücher mit Kurzgeschichten offenbar generell ungeliebt sind bei den Verlagen.
Andreas Eschbach aber wollte das nicht auf sich sitzen lassen. Ein bisschen wie ein Sampler bei einem Musiklabel hat er sich Anfang der 2000er auf den Weg gemacht und eine Anthologie zusammengestellt, die sich als „repräsentativste“ (!) Zusammenstellung der europäischen Science-Fiction-Literatur verstehen sollte. Denn jene steht, wie auch das Format der Kurzgeschichten-Sammler, selten im Vordergrund der allgemeinen Aufmerksamkeit.
17 Kurzgeschichten hat Eschbach für das Buch vereint und bei Bastei Lübbe zwischen zwei ausgesucht hässliche Buchdeckel pressen lassen. Nein, im ernst: Wer auch immer dieses Hellblau für eine gute Designfarbe gehalten hat, wer auch immer die schöne Illustration auf dem Cover in einen Kreis gelegt, mit einem furchtbaren Clipart unterlegt und mit eher bemüht als funktionierend an das Thema „Europa“ verweisenden gelben Sternen beklebt hat – ich hoffe, er hat seither noch ein paar Fortbildungen machen dürfen.
Nein, schön ist Eine Trillion Euro nicht. Immerhin günstig.
Apropos Geld: Ich finde den Titel etwas problematisch, muss ich zugeben. Sicher, er ist eine Anspielung auf Eschbachs da gerade sehr erfolgreiches Eine Billion Dollar – aber im Ernst? Entweder es wirkt, als würde der Autor sich da immens wichtig nehmen und sich in der Selbstreferenz ergehen (was ich glaube, das besagte Buch kommt sogar kurz in Eschbachs eigenem Beitrag vor), und/oder der Verlag versuchte hier einen billigen Cash-In beim Verkaufserfolg des Romans. Beides ehrlich uncool.
Aber zurück zum Inhalt. 17 Kurzgeschichten sind es geworden, entstanden quer durch Europa. Dabei gibt es mehr aus Deutschland sowie den Französisch sprechenden Ländern als etwa aus Skandinavien, aber in diesem Punkt muss ich einfach mal das mit der „repräsentativsten“ Anthologie glauben.
Wenn das aber wirklich der Fall ist, wenn das wirklich repräsentativ ist, dann ist es erschütternd. Denn bei den 17 Beiträgen finden sich keine fünf gute Geschichten und selbst die sind großteilig „nur“ gut, herausragend ist hier nichts.
Drei positive Beispiele sind zu nennen:
Jean-Marc Ligny liefert mit „Der Orkan“ eine Geschichte vor dem Hintergrund einer vom Klimawandel zu einer ungastlichen, heißen Welt gewordenen Erde, in der ein altes Ehepaar versucht, seinen Lebensabend zu verbringen. Es gibt nur wenig Handlung, viel Stimmung und vor allem ein schönes Gespür für Figuren aus einer ganz offenbar sehr anderen Zeit. Hat mir sehr gut gefallen.
Ähnliches gilt für „In den Gärten der Medici“ von Jean-Claude Dunyach, in der Erinnerungen verkauft werden können und menschliche Existenzen dadurch bis zur Sinnlosigkeit verzerrt werden. Eine melancholische, traurige und vor allem sehr menschliche Geschichte, die bei mir persönlich auch lange nach dem Lesen noch nachgehallt hat.
Ebenso ist Wolfgang Jeschkes Geschichte „Das Geschmeide“ gelungen zu nennen, die der Science Fantasy näher steht und von Luftschiffen bis zu wiedergeboren werdenden Göttern schwere, aber gelungen ausgerichtete Geschütze auspackt.
Aber das war es dann auch schon. Viele Geschichten sind okay, aber nicht weiter nennenswert, bei vielen musste ich für diese Rezi noch mal überprüfen, welche davon welche war, da die Erinnerung schon nach Tagen verblasst. Einige Geschichten sind zwar auf coolen Ideen gebaut, aber nicht überzeugend umgesetzt, oder aber schlichtweg nicht gut genutzt. Manche Geschichten gemahnen an das Gefühl, die Zukunft von gestern zu lesen und wirken schon wenige Jahre nach ihrem Erscheinen schrecklich antiquiert, bei manchen aber frage ich mich sogar, was genau die eigentlich in dem Buch verloren haben. Inhaltlich wie qualitativ.
Was mich aber vor allem an dem Buch erst gestört und nachher regelmäßig genervt hat war die blanke Monotonie der gezeigten Ideen. Klimawandel, Inflation, künstlich verlängerte Leben und der Verkauf von Körper und/oder Geist – mit den Schlagworten hat man bereits fast alle enthaltenen Geschichten abgedeckt. Ja sogar einige der oben genannten, die ich noch gut fand.
Wenn es die Absicht dieses Buches war, den Leser von der immensen Vielfalt der europäischen Science Fiction zu überzeugen, so versagt das Werk auf weiter Distanz. Vielmehr wirkt es stellenweise wie die Versammlung von Menschen, die nur ein Thema haben.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Geschichten oftmals irgendwie unreif wirken, als wären sie teilweise recht unsauber abgerissen worden. Etwa, wenn in Elia Barcelós Erzählung „Tausend Euro, ein Leben“ – die eigentlich sogar noch eine ganz coole Idee als Grundlage hat – im Laufe von insgesamt gerade mal 36 Seiten ein kompletter Handlungszweig einfach verloren geht.
Und Eschbach selbst? „Eine Trillion Euro“ heißt auch seine Kurzgeschichte, die mich als Fan seiner Romane ebenfalls sehr enttäuscht hat. Neben dem Problem von etwas, was ich privat das „Eschbach-Syndrom“ nennen mag – er hat recherchiert und er zeigt es auch, über Gebühr – leidet diese vor allem darunter, dass kein Spannungsbogen existiert und sie alleine auf einer eine Pointe basiert, die dann die weit über den Gehalt ihres Humors hinaus gemolken wird.
„Auf schlau“ könnte man sagen, dass Eine Trillion Euro ein schon erstaunlich medioker geratenes Buch ist. Salopp würde ich es fast belanglos nennen, was gerade unter der Prämisse bitter ist. Wenn dies exemplarisch für die europäische Science Fiction-Literatur der Gegenwart ist, dann ist das traurig.
Kurzgeschichten-Sammlungen. Man muss nur einmal eine Runde durch die örtlichen Buchläden drehen und schon sieht man, dass Bücher mit Kurzgeschichten offenbar generell ungeliebt sind bei den Verlagen.
Eine Trillion Euro ist leider eines jener Bücher, nach deren Lektüre man verstehen kann, warum das wohl so ist.
Name: Eine Trillion Dollar
Originalausgabe
Verlag: Bastei Lübbe
Sprache: Deutsch
Autor: Andreas Eschbach (Hrsg.)
Empf. VK.: 8,95 Euro
Seiten: 464
ISBN: 978-3-404-24326-6{jcomments on}