Aster, Christian von: Nachmieter gesucht
Es gibt wenige deutsche Autoren, die ich so sehr schätze wie Christian von Aster. Der Berliner Autor hat mich bisher noch mit jedem seiner Werke fesseln können, seien es nun seine Kurzgeschichten, seine bisher noch eher wenigen Romane, seine CDs oder auch seine Kurzfilme, was ich da bisher gesehen habe, war einfach gut.
Es war daher keine Frage, dass ich das vor mir liegende, kleine Buch nicht in der Auslage liegen lassen würde, als es mir in die Finger viel. „Nachmieter gesucht...“ klang spannend und auch wenn die Aufmachung eine zweischneidige Sache ist, in der sich schöne Bilder auf dem Umschlag und ein insgesamt kraftvolles Druckbild mit einem unlesbar grellen, roten Titeldruck duellieren, der Name des Autors war Kaufgrund genug.
Obschon „Nachmieter gesucht...“ zunächst einmal eine Anthologie von Horrorkurzgeschichten, respektive allgemein „phantastischen Erzählungen“ ist, so unterscheidet der Band sich doch in einigen Punkten erfrischend vom Einheitsbrei der deutschen, modernen Phantastik.
Zunächst einmal hat von Aster die Geschichten durch eine Rahmenhandlung verbunden. Das ist jetzt keine ultimative Revolution, aber eine ganz nette Eigenart, die einen zudem am Lesen hält.
Dann ist das gewählte Thema auch eher unverbraucht. Die Hauptdarsteller seiner Geschichten variieren, doch eines ist allen Geschichten gemein – eigentlich geht es um Wände. Die Wände urbaner Wohnungen wie einsamer Hütten im tiefen Wald gleichermaßen sind die Erzähler der Geschichten. Das Topos kennt man allenfalls so noch von Thomas Ligotti, dessen Herangehensweise doch noch mal in ganz anderem Maße abgehoben ist.
Zuletzt bleibt das die Sprache Christian von Asters – wie schon in anderen Büchern, die ich von dem Autor gelesen habe, passt hier jedes Wort an Ort und Stelle. Ich kann es gar nicht so genau festmachen, aber allen Texten ist ein gewisser Stil zu eigen, der sie von den 08/15-Texten des Restmarktes abhebt. Man merkt ihnen an, dass sie bewusst geschrieben wurden, von jemandem, der Sprache nicht einfach nur als Zug in der Nacht an sich vorbeifahren sieht, sondern bewusst mit ihr arbeitet. Zugleich aber wirken sie nicht gesetzt oder gar gestelzt, wie es mir oft im Literaturstudium unterkommt. Hier wird nicht auf Gedeih und Verderb anders geschrieben, nur eben auch nicht herausgerotzt.
Der Band ist dabei natürlich auffällig dünn. Zwar ist er einen Deut höher und breiter als ein generisches Fischer-Taschenbuch, aber 128 Seiten, von denen effektiv nur 111 Teil der Erzählung sind, sind nicht allzu viele.
Sieben eigentliche Geschichten sind enthalten, die in ihrer Länge zwar variieren, aber allesamt eher kurz sind. Es würde zu viel verraten, auf die Rahmenhandlung und die damit verbundene Erzählperspektive einzugehen, daher will ich hier auch nicht jede Erzählung dezidiert widergeben oder gar zerlegen.
Es haben mir, das kann man allerdings gut sagen, nicht alle Geschichten gleichermaßen gefallen. Keine ist ein richtiger Reinfall, aber manche sind einfach faszinierender als andere. So ist der Auftakt, „Haus im Wald“, gleich eines der Positivbeispiele. Gut erzählt, und wenn auch etwas vorhersehbar, so ist gerade die Auflösung klasse und Grund genug, die Geschichte zu lesen. „Die Mieter“ oder „Schneeschmelze“ sind auch sehr fesselnd und punkten durch ihre Atmosphäre, die überaus kurze Erzählung „Der letzte Frühling“ dagegen wieder mehr mit dem Szenario an sich.
Schade fand ich, dass gerade gegen Ende die Geschichten nicht mehr so meinen Geschmack trafen. Die vorletzte Geschichte – „Die flüsternden Eiben von Eisenstein“ – packte mich einfach nicht so und der Abschluss – „Der Spielplatz“ – war mir zu lang für das, was darin passierte und irgendwo auch zu abgenutzt.
Doch wenn von sieben Geschichten fünf exzellent und zwei wenigstens befriedigend sind, so stimmt der Schnitt schon. Allen Geschichten ist eine gewisse Boshaftigkeit gemeinsam, die sich jedoch ganz unterschiedlich äußern kann. Protagonist möchte man in Christian von Asters Welt wohl nicht sein, doch umso mehr kann man nicht umhin und muss einfach wissen, was der Figur in der nächsten Kurzgeschichte so widerfahren wird.
„Nachmieter gesucht...“ ist eher ein Buch für Zwischendurch, jedoch weniger wegen des Anspruchs als vielmehr wegen des Umfangs. Es liest sich ganz grandios und die Schlusslichter dieses Buches toppen den generischen Horror- und Modern-Fantasy-Kram von heute noch immer problemlos.
Toll ist es, dass das Thema so universell ist. Mietswohnungen oder Ferienhütten kennt doch fast jeder in Deutschland und daher findet eben auch fast jeder eine Geschichte in dem Buch, mit der er sich perfekt identifizieren kann.Wer meine Einschätzung teilt und das Grundthema des Bandes irgendwo spannend findet, der kommt an dem Buch nicht vorbei.
„Nachmieter gesucht...“ bekommt meine dickste Empfehlung.
Christian von Aster
Nachmieter gesucht
Phantastische Erzählungen {jcomments on}
128 Seiten Softcover
medusenblut
ISBN: 3-935901-07-0