Lied von Eis und Feuer #03 - Der Thron der Sieben Königreiche

Mit „Der Thron der Sieben Königreiche“ liegt der in Deutschland nunmehr dritte Band von George R. R. Martins vielgelobter Reihe „Das Lied von Eis und Feuer“ vor uns und ist, mal wieder, ein halbes Buch. Denn man hielt es bei Blanvalet einmal mehr für sinnvoll, die voluminöse englische Ausgabe „A Clash of Kings“ zu zersägen und in zwei Bänden zu veröffentlichen. Der zweite Teil, „Die Saat des goldenen Löwen“, schauen wir uns dann mal demnächst hier an.
Wo wir schon gerade bei der deutschen Ausgabe sind: Wer ist da eigentlich für die Cover verantwortlich? Ich meine, gut, das Cover ist besser als das vom zweiten Band (wir erinnern uns, Conans Cousin oder so, der zu Pferd durch ein Rudel Wölfe prischt), aber wirklich was mit dem Inhalt hat der Umschlag auch diesmal nicht zu tun. Aber immerhin muss man sich bei diesem Buch mal nicht schämen, es offen in der Mensa zu lesen. Ich schätze, das muss auf dem deutschsprachigen Fantasy-Markt schon fast als Erfolg angesehen werden.

Doch widmen wir uns mal dem Inhalt vom „Thron der Sieben Königreiche“. Das Buch eröffnet, wie schon „Die Herren von Winterfell“, mit einem Prolog an ganz anderer Stelle und führt den Leser erstmals an den Hof von Stannis Baratheon und bereitet damit bereits vor, was das ganze Buch auszeichnen wird: der im deutschen titelgebende Thron der Sieben Königreiche ist wackelig geworden und das führt dann zu dem, was das englische Buch benennt: Ein Aufeinanderprallen diverser Könige.
Sei es nun, dass das Haus Stark den Titel des Königs des Norden für sich beansprucht, seien es die Lannisters, die verbittert um ihre Vormachtstellung in King‘s Landing kämpfen, Stannis und Renly, die Brüder Robert Baratheons, sich jeweils berechtigt sehen, den Thron zu beanspruchen oder eben, dass Daenerys Targaryen, Khaleesi, Mutter der Drachen und Tochter von König Aerys, weiterhin daran arbeitet, sich zu holen, was in ihren Augen ihr gehört – es ziehen sich dunkle Schatten über Westeros zusammen. Ganz davon zu schweigen, dass sich jenseits der Mauer zunehmend Mysteriöses ereignet.

Wenn man sich noch einmal vor Augen führt, wo die Charaktere alle etwa tausend Seiten zuvor gestanden haben, ist es schon erschütternd, was Martin binnen eines bzw. zwei Büchern all diesen Figuren angetan hat. Die Starks sind quer in alle Winder zerstreut, am Ende des vorliegenden Buches sogar noch mehr als zuvor. Auch die Lannisters ziehen nicht gemeinsam an einem Strang und was in King‘s Landing eigentlich genau gespielt wird, enthült auch der dritte Band noch nicht. Es ist faszinierend, wie es dem Autor wieder und wieder gelingt, unerwartet Plotfäden in den Raum zu werfen, dann langsam unter den Tisch fallen zu lassen und plötzlich, ganz unerwartet, wieder herbeizuzaubern.
Doch gehorsam folgt man ihm als Leser, immer gespannt, was er als nächstes aus dem Hut ziehen wird und doch niemals so verblüfft, dass man nicht glauben möchte, was einem da präsentiert wird. Martin baut keine Überraschungen des Selbstzwecks wegen ein, er denkt nur in derart großen Bahnen voraus, dass man als Leser ebenso nur ein Spielball der Geschehnisse ist, wie die Figuren es sind.

Kurioserweise wirkt „Der Thron der Sieben Königreiche“ in Teilen mehr wie ein Prolog, als „Die Herren von Winterfell“, also die erste Hälfte des ersten Bandes, es getan hat. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass eigentlich alle Charaktere in dem Buch vor allem abwarten. Robb wartet auf seine Chance, die Lannisters wagen keinen Vorstoß, Renly und Stannis treffen Vorbereitungen und Dany hat jenseits des Meeres noch ganz andere Sorgen.
Das führt allerdings dazu, dass die deutsche Ausgabe eine etwas eigenwillige Lektüre wird, da man es mit rund zwei Dritteln Vorgeplänkel zu tun hat, bevor die Handlung im letzten Drittel wieder volle Fahrt aufnimmt. Das Buch wird zwar nirgends langweilig oder uninteressant, aber nach dem dramatischen Finale von „Das Erbe von Winterfell“ scheint sich der ganze Romanhintergrund erst einmal wieder etwas beruhigen zu müssen.
Dass man das Buch aber trotzdem nur schwerlich aus der Hand legen kann, das liegt an zwei Fakten. Einerseits ist Martin ein grandioser Schreiberling und versteht es, selbst einen höfischen Empfang so zu schildern, dass vor dem geistigen Auge ein spannender Film abläuft. Andererseits aber auch daran, dass selbst in diesen scheinbar ruhigen Zeiten Einzelschicksale sehr bewegt sind.
Arya hat am Ende des zweiten Buches King‘s Landing hinter sich gelassen und muss nun zusehen, dass sie mit der neuen Situation klarkommt, Jon steht kurz vor dem Aufbruch in das Land jenseits der Mauer und Tyrion erreicht endlich King‘s Landing und wer bisher glaubte, der Gnom sei durchtrieben, der ahnt nicht einmal, was für eine wundervolle Dynamik das Dreieck Varys–Littlefinger–Tyrion alsbald entwickeln wird.
Auch einige neue Personen treten erstmals auf, einige erhalten eine eigene Perspektive und insgesamt erhöht sich die Anzahl handelnder Figuren beträchtlich. Einmal mehr gebührt dem Autor da das Lob, dass man nie den Überblick verliert.

Neu ist übrigens auch der Übersetzer. Jörn Ingwersen ist fort und wurde durch Andreas Helweg ersetzt, der ebenfalls gute Arbeit abliefert. Zum Glück folgt er dabei der Vorarbeit Ingwersens und behält Übersetzungen sowie explizit unübersetzte Namen bei, drückt dem Werk allenfalls bei neuen Begrifflichkeiten seinen Stempel auf. Er ist, so habe ich den Eindruck, dabei übersetzungswilliger, so dass zwar die Stadt weiterhin „King‘s Landing“ und die Schwerter weiterhin „Ice“ oder „Needle“ heißen, aber etwa die erstmalig auftauchenden Schiffsnamen alle übersetzt werden.
Doch im Endeffekt mag man hier über Konsequenz und Inkonsequenz schreiben, wichtig ist mir persönlich vor allem eines: Auch der dritte Band der Reihe liest sich im Deutschen durchaus gut. Die Sprache ist elegant und nicht holprig, Redensarten und Sprichworte klingen glaubwürdig und selbst die englischen Eigennamen fügen sich weitestgehend gut ein. Die Qualität der Übersetzung ist insofern durchaus gelungen zu nennen.

Alles in allem ist auch „Der Thron der Sieben Königreiche“ wieder ein kleines Meisterwerk geworden. Selbst wenn der Auftak des Buches etwas schleppend wirkt, so bleibt man doch stetig gebannt von dem, was passiert und die Geschichte wird nie berechenbar.
Ich schrieb es ein Mal, ich schrieb es zwei Mal und wiederhole es auch gerne hier ein drittes Mal: „Das Lied von Eis und Feuer“ ist vermutlich das beste Stück phantastische Literatur, das ich jemals gelesen habe. Brilliant erdacht und exzellent geschrieben, man kann nicht anders, man muss die Buchreihe einfach lieben.
Absolut uneingeschränkte Kaufempfehlen – allerdings sollte man naturgemäß mit dem ersten Band anfangen, wenn man verstehen möchte, worum es hier eigentlich geht.


George R. R. Martin
542 Seiten Softcover, Blanvalet{jcomments on}
ISBN: 3-442-24923-6