Lied von Eis und Feuer #04 - Die Saat des goldenen Löwen

„Die Saat des goldenen Löwen“ ist der vierte Band der Reihe „Das Lied von Eis und Feuer“, der in deutscher Sprache erschienen ist. Im Grunde findet darin aber erst der zweite Band der Reihe seine Vollendung, da im Deutschen einmal mehr jeder der recht umfangreichen Bände aufgeteilt wurde.
Zusammen mit dem jüngst hier besprochenen „Der Thron der sieben Königreiche“ bildet „Die Saat des goldenen Löwen“ also die deutsche Ausgabe von „A Clash of Kings“.

Der dritte Band hatte ja sogar ein einigermaßen vorzeigbares Cover bekommen, Band 4 dagegen ist mal wieder eines dieser Fantasy-Bücher, für deren deutsche Ausgabe man sich in der Öffentlichkeit schämen muss. Der He-Man-Verschnitt auf dem Cover kommt weder in der Geschichte vor, noch trifft er auch nur im Ansatz den Flair des Buches. Das Bild ist eine Katastrophe und mir sagte nicht umsonst zuletzt noch ein Kumpel, dass er, wisse er nicht um den Ruf der Reihe, diese Bücher vermutlich niemals auch nur näher betrachten würde.
Einfach hässlich.

Das ist umso sträflicher, wo „Die Saat des goldenen Löwen“ doch eine grandiose Fortsetzung der bisherigen Handlung ist, ja, sogar noch einen drauflegt. Der vorige Teil schleppte sich anfangs noch etwas, doch hier zahlt sich auch dessen Vorarbeit dann aus. Nachdem so ziemlich jeder auch nur halbwegs geeingete Kandidat seinen Anspruch auf den Königsthron deutlich gemacht hat, bahnt sich rund um King‘s Landing eine Entscheidung auf dem Schlachtfeld an.
Innerhalb der 570 Seiten (den Rest bilder wie immer das Personenregister) machen noch einige neue Personen ganz neue Ansprüche geltend, einige Loyalitäten verschieben sich rapide und bis zum Ende segnet auch wieder mancher das Zeitliche.
Martin war sich ja auch bisher nicht zu schade, theoretisch wohl so ziemlich jeden Charakter aus dem Leben zu befördern und so bleibt auch „Die Saat...“ spannend, da man mit jedem mitfiebern kann. Der Autor beweist dabei einmal mehr sein unglaubliches Talent, Figuren einerseits in ausweglosen Situationen doch noch Rettungsanker finden zu lassen und andererseits ganz unvermittelt allen Erwartungen zum Trotz den Tod zuschlagen zu lassen.

Doch nicht nur King‘s Landing und das damit verbundene, durch ihr Wappentier den deutschen Buchtitel stellende Haus Lannister sind Teil der Handlung. Catelyns Odyssee setzt sich fort und nimmt noch einige markante Wendungen, Jon rückt weiterhin langsam jenseits der Mauer ins Feindesland vor, die Königin jenseits der Meerenge ist nicht untätig und selbst innerhalb der schier uneinnehmbaren Mauern von Winterfell hält das Buch noch manche Überraschung bereit.
All das, was die Bücher bisher gut gemacht hat, ist auch hier wieder zu finden. Atmosphärische Schilderungen, eine tolle, unberechenbare und doch logische Handlung, so gut wie kein Kapitel, das nicht in einem Cliffhanger mündet – George R. R. Martin fesselt einen wie kaum ein anderer an das Buch; man mag es gar nicht mehr fortlegen.
Dabei ist es erstaunlich, wie sich der eigentliche Fokus immer mehr verschiebt. „Die Herren von Winterfell“ hatte anfangs klar abgesteckte Grenzen. Die Starks waren die Protagonisten, die Lannisters finstere Intriganten und alle anderen eher Beiwerk. Am Ende von Band 4 ist es alleine schon eine Schwierigkeit, von „den Starks“ zu reden, so zerwühlt ist die Lage. Doch auch die Lannisters gewinnen immer mehr Tiefe. Cersei noch eher eingeschränkt, doch Tyrion hat einige große Momente und selbst des Lesers Meinung zu dessen Bruder Jaime schafft Martin noch zu ändern. Von den ganzen neuen Fraktionen einmal ganz zu schweigen...
Was sich hier entfaltet, das hätte anderen Autoren als episches Finale ihrer Romanreihe gereicht. Hier aber prallen große Mächte konsequent aufeinander, doch ist es nur ein weiterer Schritt in einer langen Kette von Ereignissen, die zusammen Martins „Lied“ bilden.

Die deutsche Ausgabe ist dabei als Buch zwar hässlich, zumindest aber weiterhin gut lesbar. Die Übersetzung ist wie schon die des vorigen Bandes von Andreas Helweg und ist in weiten Teilen sehr gelungen. Zu nicht übersetzten, sprechenden Eigennamen habe ich ja schon genug in den vorigen Rezensionen gesagt, insofern sei hier vor allem noch die Liebe zum Detail erwähnt, die er walten lässt, sowie er eindeutscht. Mancher Begriff erwies sich zwar im Vergleich nicht als völlig exakte Übersetzung, meist aber treffen Helwegs Bezeichnungen sowohl den gemeinten Inhalt, wie sie auch ein gewisses ästhetisches Maß bewahren.
Zwar verstehe ich nicht so ganz, warum etwa Schiffsnamen durchaus in Deutsch sind, Städtenamen aber Englisch bleiben, doch stört es das Lesevergnügen im Grunde an keiner Stelle.

Alles in allem kann „Die Saat des goldenen Löwen“ die Erwartungen erfüllen, die die bisherigen Bände erzeugt haben. George R. R. Martin gelingt es weiterhin, sein gigantisches Epos zu entfalten und zu entwickeln, ohne dass man als Leser auch nur an einer Stelle das Gefühl hat, dass hier Dramatik über Sinn siegen musste, nur um es spannend zu halten.
Dennoch klebt man geradezu an den Seiten, fiebert mit den Charakteren mit und will stetig wissen, wie es nun weitergehen wird.
Es gibt zahlreiche Fantasy-Romane, die jeden Monat auf den Markt kommen, doch ich bleibe bei dem, was ich bisher schon schrieb: Noch nie habe ich einen Fantasy-Zyklus gelesen, der Martins „Lied von Eis und Feuer“ auch nur im Ansatz das Wasser reichen könnte.
Ein großartiges Werk.


George R. R. Martin{jcomments on}
606 Seiten Softcover, Blanvalet
ISBN: 3-442-24934-1