Lied von Eis und Feuer #05 - Sturm der Schwerter

„Sturm der Schwerter“ ist der in Deutschland fünfte Teil von George R. R. Martins gigantischem Fantasy-Epos „Das Lied von Eis und Feuer“. Das Buch stellt direkt einmal eine Besonderheit dar, entspricht hier doch erstmalig der deutsche Titel dem englischen Original, das „Storm of Swords“ heißt. Unverändert bleibt jedoch die Aufteilung, was den Titel schon wieder eher dem Nepp nahe bringt, denn die zweite Hälfte der englischen Ausgabe ist im deutschen Folgeband „Die Königin der Drachen“ untergekommen.
Das Cover zeigt zwei Gestalten, eine debil grinsend, in einer Art Nussschale mit Rudern, denen ein Wikingerboot durch tosende See folgt. Gut, das ist mal wieder keine Szene, die man so im Buch findet, aber das Cover ist wenigstens nicht so peinlich wie das vom Vorgänger. Kann man also mit leben...

Da „Sturm der Schwerter“ einen neuen, englischen Band „anbricht“, eröffnet auch dieses Buch wieder mit einem Prolog, der diesmal aber von Natur aus deutlich näher an der bisherigen Haupthandlung beginnt als noch der letzte. Überhaupt geht „Sturm der Schwerter“ eigentlich in medias res ordentlich zur Sache, der Autor gönnt seinen Charakteren keinerlei Verschnaufspause. Jaime setzt seine am Ende von Band 4 begonnene Odyssee fort, Catelyn muss damit verbunden auch ihre Konsequenzen tragen. Arya befindet sich weiterhin auf der Flucht, während Sansa nach wie vor in King‘s Landing hockt. Da hütet auch Tyrion das Krankenbett, doch der Gnom ist zäh und offenbar noch nicht gewillt, aufzugeben. Es wird das Schicksal des Zwiebelritters geklärt, ebenso wie Bran und seine Gefährten ihre Reise erst antreten können. Jon ist weiterhin jenseits der Mauer, in einer noch viel prekäreren Lage als noch am Anfang des vorigen Buches und selbst Robb hat, wenn er endlich wieder die Haupthandlung kreuzt, noch Überraschungen parat. Und auch Daenerys hat einen Plan.

Man kann nicht umhin, Martins erzählerische und dramaturgische Brillianz mehr und mehr zu bewundern. Die Geschichte entfaltet sich weiterhin mit spielender Eleganz und es macht Spaß, den teils so unterschiedlichen Schicksalen der einzelnen Charaktere zu folgen. Wie schon in den vorigen Büchern hat man bisweilen fast das Gefühl, Romane unterschiedlichster Genres parallel zu lesen. Jons Erlebnisse hinter der Mauer sind doch etwas ganz anderes als das Feld der höfischen Intrigen, denen Tyrion nach wie vor ausgesetzt ist. Und während Sansa nach wie vor allenfalls von stolzen Rittern und großen Märchen träumt und dabei einen ganz realen Alptraum durchlebt, schlagen jenseits des Meeres Daenerys‘ Drachen mit den Flügeln.
Doch irgendwie gelingt es Martin, doch alles aus einem Guß erscheinen zu lassen. Das liegt sicherlich daran, dass die Einzelschicksale nach wie vor untrennbar miteinander verbunden sind. Selbst wenn viele Meilen zwischen Charakteren liegen, so schlägt doch alles, was passiert, weitläufige Wellen. Westeros wirkt wie ein großer, glaubwürdiger Kontinent voller Leben.

Dazu trägt sicherlich auch bei, dass Martin nach wie vor „für Erwachsene“ schreibt. Und damit meine ich jetzt weniger die sexuellen Szenen, von denen das Buch zwar auch wieder ein paar eher heftige hat, sondern auch eine gewisse Härte. Verletzungen stellen Probleme dar, Wunden eitern und Wundfieber ist ein lebensgefährliches Risiko. Und ja, George R. R. Martin tötet Charaktere.
Geradezu grandios ist dabei auch, dass nicht jeder einen Heldentod spendiert bekommt. Oftmals scheint er sogar – wie schon in „Das Erbe von Winterfell“ mit Eddard – noch Fluchtwege aufzubauen, zerschlägt seine Kartenhäuser dann aber doch wieder selbst und scheint generell bereit zu sein, jedermann zu töten.
Gerade gegen Ende von „Sturm der Schwerter“ gibt es da noch einen solchen Moment, der unvermittelt, hart und rücksichtslos erfolgt.

Obschon weiter von Andreas Helweg umgesetzt, so hat mir die deutsche Ausgabe beim fünften Band etwas weniger gut gefallen als noch beim vorigen Buch. Die generelle Sprachqualität ist unverändert und es liest sich sehr flüssig, aber einige Details holpern mir zu sehr.
Beispiel? Ein Charakter, und ich werde nicht verraten welcher, verdient sich den Beinamen „the slayer“ im Laufe des vorliegenden Teils. Zu Deutsch: „der Töter“.
Vielleicht reagiere ich etwas empfindlich, aber „der Töter“? Das klingt nicht nur furchtbar falsch, das ist auch nach Quervergleich mit meinem Duden schlichtweg kein Wort, das der deutsche Sprache bekannt wäre. „Der Schlächter“, meinethalben, aber doch nicht „der Töter“.
Aber gut, wer mit ein, zwei solchen Kapriolen leben kann, der hat auch dieses Mal von der deutschen Ausgabe nichts zu befürchten.

„Sturm der Schwerter“ ist ein echt wuchtiges Buch, das alleine seinen deutschen Vorgänger noch mal um fast 100 Seiten übertrumpft. Dennoch ist es nie langweilig, denn wo ich der Reihe ohnehin schon das Prädikat „Beste Fantasy-Geschichte, die ich je gelesen habe“ gegeben habe, so legt Martin hier sogar noch einen drauf!
„Sturm der Schwerter“ ist für mich der bisher klar stärkste Teil der Reihe und macht „Das Lied von Eis und Feuer“ sogar noch einen Deut mehr zu Pflichtprogramm für jeden Freund des Genres und solche, die es werden wollen. Brilliant!


George R. R. Martin{jcomments on}
702 Seiten Softcover, Blanvalet
ISBN: 3-442-24733-0