Lied von Eis und Feuer #06 - Die Königin der Drachen

Mit „Die Königin der Drachen“ lag mir nun auch der in Deutschland sechste Band aus George R. R. Martins großartigem Zyklus „Das Lied von Eis und Feuer“ vor. Die Bände sind in Deutschland ob ihres Umfangs aufgeteilt und somit bildet das vorliegende Buch zusammen mit „Sturm der Schwerter“ die deutsche Umsetzung von „Storm of Swords“, dem dritten englischen Band der Reihe. Da die Bände 5 und 6 in Deutsch zusammen auf gut 1500 Seiten kommen, ist das aber durchaus nachvollziehbar – das Taschenbuch bringt es auch so auf einen ziemlich anständigen Umfang.

Optisch ist es dabei eine Zumutung, ganz so, wie die meisten deutschen Bände es sind. Zwar ist es nicht eine solche Bild gewordene Kopfschmerz-Welle wie etwa das von „Die Saat des goldenen Löwen“, aber das Motiv ist trotzdem extrem unpassend. Zwei Drachen, einer rot und einer grau (?), die einander vor einer riesigen Stadt bekämpfen, das hat mit dem Buch so viel zu tun wie eine Abseitsfahne mit dem Radsport. Nichts.
Das hat zwar auch dieses Mal natürlich keinen Einfluss auf den Inhalt des Buches, aber schön ist es eben auch diesmal nicht.

Inhaltlich dagegen hat es Martin doch noch glatt geschafft, noch mal einen Zahn zuzulegen. Das gesamte sechste Buch ist das zielstrebige Ansteuern einer Reihe von Katastrophen, die das ohnehin schon sehr gebeutelte Setting nur noch weiter auf die Probe stellen. Man kann, ja muss einfach mitfiebern, wenn Martin hier seine epische Geschichte entfaltet, doch sollte man sich innerlich schon mal darauf vorbereiten, einige lieb gewonnene Charaktere einzubüßen.
Man kann hier schon fast von einem Kahlschlag reden, denn Martin räumt dieses Mal wirklich extrem auf. Es ist schon heftig, wer da alles für bezahlen muss und wie erbarmungslos der Autor dabei auch vorgeht.
Aber natürlich wird das Buch gerade dadurch auch sehr spannend – auch im sechsten Band bleiben die Sympathien des Lesers offen und eigentlich will man ja doch, dass zumindest einer aus jeder Partei irgendwie Erfolg hat ... doch meint das Schicksal es hier meist ganz anders.

Es ist schwer, mehr dazu zu sagen, ohne in Spoiler abzurutschen, weshalb nur noch ein Kommentar dzau erfolgen soll: Es gibt in diesem Buch eine ganz bestimmte, sehr heftige und tragische Szene. Eine derartig intensive Schilderung habe ich lange nicht mehr lesen können – bis hin zur Musik vor Ort beschreibt Martin hier derart gut und in kurzen, aber prägnanten Worten einen wichtigen Wendepunkt der Handlung, dass man nur fasziniert weiterlesen kann. Wenn vorher noch Zweifel bestanden hätten, ob man hier von „Literatur“ im wertenden Sinne sprechen kann, so würde spätestens diese Szene jegliche Zweifel hinwegfegen.

Insgesamt hat das Buch aber auch einen gewissen Hauch von Finale an sich. Sicher, die Reihe ist noch nicht am Ende und der direkte Nachfolgeband ist sogar schon (zweigeteilt) auf Deutsch erschienen, doch bringt Martin in diesem Buch viele Teile der Handlung zumindest an einen jeweils neuen Status Quo.
Es fühlt sich in etwa so an, wie das Finale einer Staffel bei einer TV-Serie, was vielleicht nicht ganz von Ungefähr kommt, wenn man bedenkt, dass Martin sehr viel Fernseh-Erfahrung hat. Am Ende sind viele Fragen geklärt, die meisten Odysseen haben zumindest vorläufige Ankerpunkte erreicht und naja, es sind eben auch einfach viele Leute tot.
Das ist eigentlich eine sehr angenehme Sache, da dadurch die Komplexität im Rahmen bleibt und man auch mit etwas frischer Luft an den nächsten Band wird gehen können. Das ist uneingeschränkt als Lob zu sehen, denn einer der Gründe, warum George Martin bei seinen so unglaublich umfangreichen Büchern „ungeschoren“ davonkommt ist sicherlich der, dass er sich immer wieder neu zu erfinden versteht.
Dass das Buch aber trotz all dieser Qualitäten keinen Punkt darstellt, an dem man aussteigen möchte, ist eindeutig. Was alleine in den letzten paar Kapiteln geschieht, das erweckt augenblicklich den Impuls, weiter lesen zu wollen.

„Die Königin der Drachen“ ist sicherlich ein Höhepunkt in der Reihe, wenn auch im Deutschen höchst unsinnig benannt. Zweifelsohne zielt der Titel auf Daenerys ab, doch gerade in Band 6 ist die Königin jenseits der Meerenge verhätlnismäßig irrelevant. Da baut sich der geneigte Autor lieber bereits ein Kartenhaus, dass er dann später in der Reihe wird antippen können.
Abseits des Titels leistet sich Andreas Helweg aber dieses Mal keine groben Schnitzer, nur einige Sünden aus vorigen Büchern bleiben bestehen („...der Töter“, um ein Beispiel zu wiederholen). Das ist aber wiederum der Kontinuität geschuldet und geht daher in Ordnung.

Alles in allem behält die Reihe uneingeschränkt ihre Qualität bei und „Die Königin der Drachen“ ist eine mehr als würdige Fortsetzung dessen, was Marion Zimmer Bradley mit Fug und Recht als „die vielleicht beste Fantasy überhaupt“ bezeichnet.
George R. R. Martin ist dabei, mit dem „Lied von Eis und Feuer“ einen Meilenstein zu erschaffen und „Die Königin der Drachen“ ist ein weiterer, verdienter Bestandteil seines monumentalen Werkes. Wer bis hier gelesen hat, der kann auch jetzt nicht aufhören, alle anderen sollten nach wie vor sofort losziehen, um sich Band 1 anzueignen.

Großartig!


George R. R. Martin{jcomments on}
800 Seiten Softcover, Blanvalet
ISBN: 3-442-24734-9