Geheimnis von Askir 1 - Das erste Horn

Neulich, da stand ich einmal im Buchladen und wollte eigentlich nur zwanzig Minuten zwischen zwei Vorlesungen verbummeln. Um das zu tun, griff ich mir, von schon masochistischer Neugierde getrieben, einen der derzeit so ungezählt in die Läden schwimmenden Vampir-Romane heraus. Eine Verkäuferin ging kurz darauf an mir vorbei, stockte, kam zurück und fragte: „Entschuldigen Sie, darf ich Ihnen einmal ein gutes Buch zeigen?“

Das Ergebnis dieser Bestrebung, nachdem wir offensichtliche Kandidaten wie das Lied von Eis und Feuer ausgeschlossen hatten, war dann das vorliegende Buch. Ein typisches Taschenbuch aus dem Hause Piper, passabel gebunden mit einem Buchrücken, der nichts verzeiht, schöner Farbgebung – und einem echt mal sagenhaft scheußlichen Cover. Man sieht eine Schneelandschaft mit darunter liegendem, nun, Vulkan, oder so. Alles sehr gut erkennbar frisch aus dem Computer gegossen. Zwar kann auch diese Rendergrafik aus der Hölle nicht die wohl unverdient hässlichste Buchreihe des deutschen Phantastikmarktes, die Guin-Saga bei Blanvalet, von ihrem verdienten, letzten Platz verdrängen, aber ehrlich gesagt wäre dieses Cover alleine schon ein Grund gewesen, das Buch im Laden zu lassen.
Und das wiederum wäre ein großer Fehler gewesen.

Der ursprünglich als gelernter Flugzeugmechaniker und studierter Elektrotechniker tätige Richard Schwartz liefert hier mit „Das Geheimnis von Askir“ einen Zyklus bzw. dessen Auftakt ab, wie er mich selten zu fesseln wusste. Der bekennende Rollenspieler verleugnet seine Wurzeln dahingehend nicht und greift zu einer Vielzahl von Klischees und beliefert manche Erwartungshaltung sehr treffsicher, kann aber alleine durch das Setting des Buches schon auftrumpfen. „Das erste Horn“ spielt in einer komplett eingeschneiten Taverne und stellt damit eines der wenigen, wenn nicht sogar das einzige Closed Room-Fantasybuch dar, das mir einfiele.

Neben dieser an sich sehr unverbrauchten Grundidee, kann das Buch auch durch seine Charaktere begeistern. Sei es der alte Recke Havald, der eigentlich schon fertig war mit seinem Leben, die mysteriöse Albino-Elfe Leandra oder der Räuberhauptmann Janos – es hat eine Reihe sehr skuriller Gestalten in den verschneiten Hammerkopf geführt, was nur zu Reibereien führen kann.
Schwartz schafft es, alle Figuren sehr gut zu charakterisieren, immer sehr treffend zu schildern und sie das ganze Buch über durch viele sich langsam enthüllenden Geheimnisse interessant zu halten.
Umso mehr, da er sich eines sehr ungewöhnlichen Stilmittels im Genre bedient: Der Roman ist eine Ich-Erzählung. Man erlebt die Vorgänge im Hammerkopf aus der Sicht Havalds, was einen sehr spannenden Fokus ausmacht.

Schwartz' Setting ist dabei ein Land kurz vor dem Krieg mit einem unbezwingbaren Feind, gewürzt mit vielen Rätseln und Relikten alter Zeiten. Auch wenn anfangs nicht so wirken mag, das der Reihe ihren Titel gebende „Geheimnis von Askir“ beginnt bereits hier, sich langsam zu entfalten.
Auch da kann man das Buch als Leser oft kaum weglegen, denn die Art und Weise, wie hier alte Legenden und die erzählerische Realität immer wieder miteinander in Berührung kommen, kann einen sehr faszinieren.

Gibt es etwas, was man Schwartz vorwerfen wollte, so könnte man allenfalls darauf verweisen, dass er seine Inspiration ganz offenkundig vom Fantasymarkt als solchem hat. Der Gipfel dessen ist der Gott Boron, was schon ein klaren Bekenntnis zu DSA sein mag; allerdings hat Boron hier auch eine ganz andere Rolle, so dass der kreative Diebstahl, wollte man ihn Schwartz unterstellen, auch nur eingeschränkt anzuprangern ist.
Ansonsten macht der Autor aber auch wirklich alles richtig. Ich habe „Das erste Horn“, dessen etwas obskurer Titel sich in der Geschichte letztlich auch noch klärt, mit gewaltigem Vergnügen gelesen und mich danach auch direkt auf Band 2, „Die zweite Legion“, gestürzt, den ich zu dem Zeitpunkt, wo ich das hier schreibe, auch bereits ausgelesen habe.

Das Buch kriegt, genau wie die Reihe so an sich, meine ganz dicke Empfehlung!


Richard Schwartz{jcomments on}
398 Seiten Softcover, Serie Piper
ISBN: 978-3-492-26606-2