Guin Saga #01 - Im Auge des Leoparden
Was denkt man sich, wenn man einen Namen wie Kaoru Kurimoto hört? Wer nur „Oh, eine Japanerin“ denkt, der macht nichts falsch. Wer dagegen jemanden aus den gängigen Gebieten Videospielwelt, Mangakünstler oder Animemacher vermutet, der irrt und zwar nicht zu knapp.
Kaoru Kurimoto ist eine japanische Schriftstellerin, war zuvor bereits Journalistin und Literaturkritikerin. Klingt nach dem Lebenslauf vieler renomierter, westlicher Autoren, doch hat kaum einer von denen jemals ein so ambitioniertes Ziel verfolgt, wie sie. Denn in den 70ern beschloß Kurimoto, dass sie eine Fantasy-Romanreihe schreiben möchte. Den Umfang legte sie gleich zu Beginn fest; beeindruckende 100 epische Bände sollen es werden.
Das steht imm Präsenz, denn auch im Herbst 2005 ist Kurimoto noch am Werk und arbeitet sich beständig auf den 90. Band zu. Davon sind wir in Deutschland freilich noch weiter entfernt und können nun, dem offenbar doch weiterhin experimentierfreudigen Blanvalet-Label sei Dank, den Einstieg wagen.
„Im Auge des Leoparden“ ist dabei allerdings erschreckend hässlich. Ich weiß nicht, wer dieses Cover designt hat, doch es ist übelst schlecht. Die mangaartigen Zeichnungen sind weder handwerklich gut noch repräsentieren sie etwas, was in der Geschichte vorkommen kann (es gibt einen Jungen und ein Mädchen darin, wie gleich erläutert, aber die sind nicht dunkelhaarig wie auf dem Cover, sondern Strohblond!), die Leopardenaugen schlecht darüber kopiert.
Deutsche Fantasybücher sind oft mit dubiosem Artwork geschlagen, doch der erste Band der Guin-Sage ist ein extremer Tiefpunkt. Inhaltlich freilich nicht!
Der Titelgeber der Reihe ist der Krieger Guin. Dieser erwacht zu Beginn der Geschichte im Rood-Wald, einem schrecklichen Geisterwald nahe der Feste eines bösen Lords. Sein Problem: ihm wurde offenbar eine Leopardenmaske aufgesetzt und er danach verflucht, denn er kriegt das Dingen nicht mehr von seinem Schädel herunter.
Zudem ist er mit schwerer Amnesie geschlagen, nur sein Name Guin und das Wort „Aurra“ schwingen in seinem Kopf umher. Er irrt ein Stück durch den Wald, nur um auf eine Gruppe schwarz gerüsteter Krieger zu stoßen, die versuchen, zwei Kinder zu rauben. Diese entpuppen sich als Rinda und Remus, flüchtige Thronerben eines eroberten Landes – doch das erfährt auch Guin erst, nachdem er die Ritter samt und sonders erschlagen und die Kinder so gerettet hat.
Er beschließt, sie zu begleiten, da er ohnehin kein Ziel hat und sie ihn offenbar brauchen. Doch gleich ihr erster gemeinsamer Reiseabschnitt führt sie zur finsteren Strafolos-Feste des bösen Grafen Vanon...
Was Kurimoto abliefert klingt, im ersten Moment, nach einer ganz typischen Sword‘n‘Sorcery-Mär, ist aber doch anders. Die Autorin ist erkennbar keine Westeuropäerin, ihrer Dramaturgie und auch dem Schreibstil mehr man da Unterschiede an. Das ist eine willkommene Abwechslung, denn der Bereich der Phantastik produziert auch Jahr und Jahr mehr Einheitsbrei. Kurimoto bricht mir ihrer Geschichte dort aus.
Spannend ist es dabei zu sehen, wie westliche Mythologie ihren Weg in die Welt gefunden hat. Am auffälligsten sicherlich der Zwilling Remus, der namentlich an einen der beiden (mythologischen) Begründer des römischen Reiches erinnert. Doch auch seiner Schwester Rinda, den vertretenen Göttern und einzelnen Regionsnamen sind erkennbar Elemente westlichen Denkens verliehen worden.
Anderes wiederum ist sehr untypisch. Etwa die Geister, die die Gruppe während einer Nacht im Wald heimsuchen – da erkennt man wieder deutlich die Wurzeln der Geschichte.
Eine letzte Wurzel liegt allerdings, das Backcover deutet das bereits an, bei den Geschichten des Amerikaners Robert E. Howard. Wer die originalen Conan-Kurzgeschichten kennt, kann innerhalb des ersten Bandes der Reihe bereits endlose Parallelen und Zitate ausfindig machen.
Seien es nun primitive Stämme, die sehr affenartig sind, der Kampf des Protagonisten mit einem Riesenaffen oder eine Szene, in der jemand versucht, einen Hals zu brechen, der Gegner aber einfach mit seinen Nackenmuskeln dagegen hält – das kennt man so auch von Howard her. Kurimoto hat nicht abgeschrieben, aber sich schon stark inspirieren lassen.
Abschließend gilt dem ersten Band der Guin-Saga, „Im Auge des Leoparden“, meine tiefste Empfehlung. Das Buch hat eine spannende Handlung, bietet dem geneigten Leser viel Abwechslung und eine schöne Zeichnung der Figuren. Gerade Guin, der neben der Maske auch ein leopardenartiges Verhalten an den Tag legt, begeistert oft.
Man addiere literarische und mythologische Zitate, eine sprachlich frappierend gute Übersetzung von Norbert Stöbe, einen fesselnden Schurken sowie einen teuflichen Cliffhanger am Ende und kaufe das Endprodukt so schnell wie möglich. Soweit es triviale Fantasy-Romane betrifft, hat mich lange keiner mehr so an die Seiten geknechtet wie dieser, nebenbei bemerkt ja auch schon recht alte, Auftakt aus Japan.
Hat mir sehr gut gefallen!
Kaoru Kurimoto{jcomments on}
285 Seiten Softcover, Blanvalet
ISBN: 3-442-24323-8