Guin Saga #02 – In den Fängen des Kriegers

Nach nahezu einem halben Jahr Wartezeit ist er endlich erschienen: der zweite Band der „Guin“-Saga. Zur Erinnerung: Kaoru Kurimoto ist eine japanische Autorin, die in den 70ern der Idee verfallen ist, einen hundert Bände umfassenden Fantasy-Romanzyklus zu ersinnen.
Deren erster Band, „Im Auge des Leoparden“, war vor eben rund sechs Monaten erschienen und hatte mir rundum gut gefallen.
Kurimoto bediente sich für ihre Geschichte stark in der westlichen Mythologie und Fantasyliteratur, schmeckte ihre Zitate jedoch durch ihren asiatischen Blickwinkel sehr ungewohnt ab und schuf so ein Buch, dem ich meine „tiefste Empfehlung“ hab.
Mit „In den Fängen des Kriegers“ liegt nun der zweite Band vor und es ist offenkundig, dass sich rein prinzipiell nichts geändert hat. Die Aufmachung ist noch immer zum Gruseln schlecht, die Übersetzung von Norbert Stöbe ist auch diesmal wieder hervorragend geworden. Die basiert übrigens nicht direkt auf der japanischen Ausgabe, sondern der amerikanischen Übersetzung „Warrior in the Wilderness“, was ihr aber, wie gesagt, keinen Abbruch tut.

Inhaltlich setzt „In den Fängend es Kriegers“ dann auch genau da an, wo der letzte Band mit seinem brachialen Cliffhanger sein Ende fand. Die Stafolos-Feste ist unter dem Angriff der barbarischen Sem gefallen und so findet sich an den Ufern des angrenzenden Flusses Kes eine regelrechte Heldengruppe ein. Guin, der leopardenköpfige Krieger mit der mysteriösen Vergangenheit steht ebenso dort wie seine beiden Schützlinge Rinda und Remus, die beiden königlichen Zwillinge von Parros. Suni, eine andere Gefangene und Abkömmling der affenartigen Sem hat es ebenfalls in das zweite Buch geschafft und auch Istavan Zauberschwert, der scharlachrote Söldner, kehrt schnell in die Handlung zurück.

Doch mit Vanons Fall ist noch lange kein Frieden für unsere Helden garantiert, denn das dunkle, mongaulische Imperium entsendet gleich mehrere Ritterregimenter sowie die einschüchternde und zugleich wunderschöne Amnelis, die sich schon für den Fall von Parros verantwortlich zeichnete, um die Flüchtigen zu fangen.
Ihre Flucht führt die Heldengruppe alsbald in die lebensfeindliche Nospherus-Wüste, wo dann ein Hauptteil der Handlung des Buches spielt. Was dort aber im Detail passiert, sollte jeder selber lesen.

Kurimoto bedient sich diesmal nicht ganz so sehr bei möglichen, literarischen Zitaten, sondern schöpft einen großen Teil der Faszination aus der lebensfeindlichen und geheimnisvollen Wüste. Abstruse Kreaturen und ein faszinierendes Landschaftsbild kennzeichnen den Landstrich, von dem man sagt, es sei die einzige Region, die direkt dem dunklen Gott Doal unterstellt sei. Inwieweit das, was Kurimoto hier schildert, in Japan innovativ ist, kann ich nicht sagen, der westliche Leser wird hier aber sicherlich viel vorfinden, von dem er sich dann sagen kann, dass er das so auch noch nicht gesehen hat.
Alleine die Kreaturen sind teilweise einfach sehr unwestlich und damit für uns faszinierend. So etwa das Engelshaar – mysteriöse, lebende Strähnen, die die Luft der ganzen Wüste ausfüllen. Die Sandwürmer dagegen erinnern zwangsläufig etwas an Dune, sind aber doch im Detail ganz anders.
Interessant und ungewöhnlich sind auch einzelne Erzählmethoden, allem voran, dass die Handlung nicht immer exakt chronologisch verläuft. Beispiel? Der dritte Abschnitt des zweiten Kapitels („Im Land der Barbaren“) schildert, wie die Verfolger langsam zu Guins Gruppe aufschließen und am Ende einen Blick auf sie erhaschen können.
Der vierte Abschnitt schließt aber nicht nahtlos an, sondern geht zurück, erzählt nun, was derweil hier passiert ist und führt dann über das Entdecken an sich beide Erzählstränge wieder sauber zusammen.

Der Autorin gelingt zudem das kleine Meisterstück, tatsächlich die Handlung wie auch die Charaktere bereits merklich auszubauen und fortzuentwickeln, ohne jedoch zu schnell zu sein. So dosiert wie hier Informationen ausgegeben werden, glaubt man sogar, dass Kurimoto es schaffen könnte, einhundert Bände zu veröffentlichen, ohne dass es langweilig wird.
Dran bleibt man sowieso alleine wegen des Cliffhangers am Ende der Geschichte. Der hat für mich nicht ganz die Sogwirkung entfacht wie der des Vorgängeromans, aber es juckt mich ja nun schon wieder sehr, bereits zu erfahren, wie die Geschichte weitergeht. Wobei man zugeben muss, dass der Titel des dritten Bandes bereits sehr aussagekräftig ist: „Die Schlacht von Nospherus“ erscheint wiederum in etwa einem halben Jahr.

Was für Band 1 galt, gilt auch für Band 2 – tolle Charaktere, spannende Handlung, faszinierender Hintergrund und ein angenehm locker-leichter Schreibstil fernab aller bemühten Literatur machen das Buch zu einer Pflichtlektüre für jeden Fantasy-Begeisterten.
Nur ist es natürlich klar, dass derjenige, der „Im Auge des Leoparden“ noch nicht gelesen hat, auch kaum mit diesem Band hier einsteigen sollte – derjenige kauft sich am besten gleich beide Bände, dann hat er auch mehr auf einmal aus dieser faszinierenden Welt voller mystischer Abenteuer.
Mein Fazit für „In den Fängen des Kriegers“ passt in ein Wort – kaufen!


Kaoru Kurimoto{jcomments on}
287 Seiten Softcover, Blanvalet
ISBN: 3-442-24324-6