schwarzen Juwelen, Die 1 - Dunkelheit
Es gibt Fantasy-Bücher, da habe ich nach wenigen Seiten schon eine Meinung zu. Bei Martins „Song of Ice and Fire“ wusste ich nach dem ersten Kapitel, dass ich das toll finde, bei Barbara Büchners DSA-Romanen ahnte ich umgekehrt schon nach den ersten Seiten, dass ich besser sofort fliehen würde.
Das vorliegende Buch aber hat es mir sehr, sehr schwer gemacht.
Anne Bishop führt den Leser in eine sehr eigenwillige, fremde Welt. Eine von den Frauen dominierte Gesellschaft entfaltet sich in ihrem Auftakt zum Zyklus „Die schwarzen Juwelen“ vor dem Leser, in der Männer oft nicht mehr sind als Werkzeuge. Das alles ist in Kasten geregelt, der eigene Rang wird in den Juwelen bemessen – Steine, die als Geburtsrecht vergeben werden und die nicht nur den Status, sondern auch das eigene Machtpotential bestimmen.
Man kann den Steinen „sein Opfer darbringen“, was einem noch mal einen wesentlichen Machtschub bescheren kann, jedoch ein delikater Akt ist, der gerade durch vorherige Traumata im Vorhinein zum Scheitern verurteilt werden kann.
So weit so komplex, so weit so spannend. Kommen wir zum Buch an sich.
Schön ist er nicht, der Band, so wie er bei Heyne erschienen ist. Das Logo der Reihe ist noch echt stimmungsvoll, das Umschlagsbild von Dirk Schulz ist es nicht. Eine kreidebleiche, debil-dominant dreinschauende Frau mit Korsett, Katana und Silberblick ist jetzt nichts, was mich zum Kauf bewegen könnte. Einmal mehr war es eine Empfehlung von Freunden, die mich überzeugte und Exkurse darüber, was eigentlich in den Fantasy-Marketing-Abteilungen so Tag ein, Tag aus abgehen mag, erspare ich mir (und euch) heute mal.
Es sei nur noch ergänzt, dass „Dunkelheit“ im Original etwas sinniger „Daughter of the Blood“ heißt. Aber so etwas ist ja nicht auf den Fantasy-Markt begrenzt; fragt mal nach den Titeln der Bücher von John Grisham...
Im Fokus der Handlung steht die Prophezeiung einer großen Hexe, deren Niederkunft auf der Welt aus verschiedenen Gründen und von verschiedenen Machtgruppen her innig ersehnt wird. Der Verdacht, dass es soweit sein könnte, lässt in Windeseile ein komplexes Netz an Intrigen und Verschwörungen entstehen, alte Feindschaften aufbrechen und neue entstehen, führt zu obskuren Bündnissen und zieht mehr und mehr Leute immer tiefer in einen bedrohlichen Strudel von Eigeninteressen.
Das, was mich in dem Buch eigentlich als erstes regelrecht angefallen hat und was ich auch bis zum Finale nicht ganz akzeptieren konnte, sind sprachliche Bockschüsse, die teils wohl auf die Übersetzung, teils aber auch auf die Autorin selbst gehen. So fand ich es schon etwas sperrig, dass die Auserwählte „Hexe“ ist. Nicht „eine Hexe“ oder „die Hexe“, nicht als Name, sondern ganz ohne Artikel einfach „Hexe“, was so im Deutschen wenigstens auf mich eher obskur wirkt.
Schlimmer aber, und das kann dann auch nicht der Übersetzerin Ute Brammertz angelastet werden, sind die Namen. Einige davon sind einfache Namen, Dorothea zum Beispiel. Einige, etwa „Tersa“, fallen in die Kategorie der typischen Fantasy-Namen, andere sind wenigstens obskur, „Surreal“ etwa. Aber gerade einige der Hauptcharaktere. Der Höllenfürst Saetan? Oder die für ihren Sadismus bekannte Hauptfigur Daemon Sadi? Also bitte!
Ich habe es ehrlich versucht, aber es will mir einfach nicht gelingen, jemanden für bare Münze zu nehmen, der Daemon oder Saetan heißt. Lucivar gibt es auch noch. Hmpf.
Das ist insofern bedauerlich, weil sich hinter diesen peinlichen Namen echt spannende Figuren verbergen. Saetan ist eben nicht der teufliche Höllenfürst mit Pferdefuß, sondern eine vielschichtige und gleichermaßen situationskomische wie tragische Gestalt. Oder Jaenelle, die artikellose Hexe: Sie ist auch eine schöne Figur zwischen unglaublicher Macht und kindlicher Naivität.
Eigentlich ist jede Figur, die in dem Buch auftaucht, auf ihre eigene Art und Weise interessant und es macht daher auch Spaß, immer weiter zu verfolgen, wie das Beziehungsgeflecht zwischen ihnen immer mehr an Komplexität gewinnt.
Gleichermaßen kann auch Daemon durchaus faszinieren, wenn man nur hinter die Fassade zu schauen vermag. Aber gerade an ihm zeigt sich recht gut, was das Buch für mich so schwer zu greifen macht. Er ist ein unglaublich tragischer, dunkler Charakter mit vielschichtigem Hintergrund, Schwächen und spannenden Facetten. Und in manchen Szenen ist er einfach nur der, naja, Imba-Gothic-Super-Champ. Gerade die Szenen mit Jaenelle sind von Herz- und Menschlichkeit, das es einfach Spaß macht, sie zu lesen. Wenn Bishop andernorts aber zum gefühlt aberdutzendsten Mal Sadis schwarz lackierte Fingernägel und seine schwarzen Zigaretten in aller Genauigkeit erwähnen muss, dann nervt es langsam. Ich hatte da bisweilen das Gefühl, dass hier versucht wurde, die pubertierende Pseudo-Gothic-Leserschaft nicht mir zu viel Tiefgang zu verschrecken. Schade.
Auch die Handlung ist durchaus gut gelungen. Sie ist spannend und hat eine ganze Reihe echt packender und schöner Szenen. Das Finale der Geschichte und das Geheimnis, das über „Dunkelheit“ nach und nach entfaltet wird ist heftig und bewegend, da kann man gar nicht mehr verlangen. Da verzeiht man es der Autorin auch, sich zwischenzeitlich auch immer mal in einer gewissen Fixierung auf männliche Geschlechtsorgane verlaufen zu haben.
Kann ich „Dunkelheit“ nun also empfehlen?
Ich würde raten, das Buch im Laden mal anzulesen. Einfach mal schauen, inwiefern einen Sprache, Namen und adoleszente Anflüge in der Schilderung abschrecken können. Die Geschichte des Buches ist echt gut, es hat Spaß gemacht und ich bereue nicht, es gelesen zu haben, aber ganz pauschal empfehlen mag ich es nicht.
Anne Bishop
558 Seiten Softcover, Heyne{jcomments on}
ISBN: 978-3-453-53016-4