Song of Ice and Fire 1 - A Game of Thrones

Es gibt eine Menge langer, epischer Fantasy-Sagas. Viele davon habe ich gelesen, aber keine hat mich so sehr überzeugt wie der "Song of Ice and Fire" von George R. R. Martin.
Der erste englische Band, "A Game of Thrones", ist nun Gegenstand dieser Rezension.
Die Taschenbuchausgabe des Verlags Bantam ist mit einem einigermaßen passablen Cover gesegent. Im krassen Kontrast zur deutschen Veröffentlichung hat das Dargestellte zumindest etwas mit der Geschichte zu tun und passt stilistisch zum Thema. Das Innendesign des Buches ist auch nicht weiter bemerkenswert, wobei positiv angemerkt werden sollte, dass es eine zweigeteilte Übersichtskarte des Hauptkontinentes gibt. Auch die jeweiligen Kapitelanfänge haben eine nette Zierleiste erhalten.
Der Anhang, der eine Übersicht über die wichtigsten Familien bietet, ist auch sehr nützlich, wenn einem die Namen einmal über den Kopf wachsen solten.

Kommen wir nun zu dem, was ein gutes Buch ausmacht: zur Geschichte.
Der Fokus des ersten Buches liegt ganz klar auf den Starks von Winterfell. Als Herrscher über den Norden ist die Familie geprägt von ihrer Umgebung. Eddard Stark ist stolzer Vater dreier Söhne und zweier Töchter. Nicht ganz so stolz ist er wohl über seinen Bastard Jon, den er aber nichtsdestotrotz angenommen hat. Bald jedoch müssen die Starks sich trennen und jeder seinen eigenen Weg beschreiten. Eddard zieht in den Süden, um seinem alten Freund König Robert als rechte Hand zur Seite zu stehen. Seine beiden Töchter begleiten ihn und müssen bald fest stellen, dass der Hof des Königs weder das ist, was die Minne verspricht, noch ein guter Ort für kleine widerspenstige Kinder.
Jon geht zur "Wall", einem uralten Bollwerk der Zivilisation gegen die Schrecken, die dort im ewigen Eis und Schnee hausen. Dort ist jeder Mann ein Bruder und das, was man war, vergessen. Zumindest in der Theorie. Wem letztendlich Jons Loyalität gilt wird sich zeigen.
Auch die daheim gebliebenen Starks haben genug zu tun. Mutter Catelyn lässt ihre Kinder zurück, um einem Attentäter nachzuspüren. Eine Reise, die bald mehr Verwicklungen mit sich bringt, als man erahnen konnte.
Auch den 14jährigen Robb, den Erben von Winterfell, ziehen seine Pflichten bald gen Süden.
Durch die Abwesenheit seines Vaters fällt die Verteidigung des Nordens in seine Hände. Werden die übrigen Lords des kalten und rauen Nordens ihm eben so loyal folgen wie seinem Vater?
Und nicht zu vergessen: "There always has to be a Stark in Winterfell"

Aber nicht nur die Starks werden ins Rampenlicht gerückt. Und da sind wir dann auch gleich bei einem der Dinge, die diese Geschichte so besonders machen: Die Protagonisten. Jedes Kapitel ist aus der Sicht eines der Protagonisten geschrieben. Und da sie sich schnell in alle Himmelsrichtungen verstreuen, verfügt der Leser schnell über mehr Informationen als die Charaktere. Und wie ich schon sagte sind die Starks nicht die einzigen, die eine Perspektive bekommen.
Daenerys Targaryen, die im Exil lebende Prinzessin, wird von ihrem Bruder mit dem Dothraki-Lord Kahl Drogo vermählt. Mit der Unterstüzug dieses wilden Reitervolkes hofft er, seinen Thron wiederzuerlangen.
Tyrion Lannister, der Imp, hat auch so seine ganz eigenen Probleme. Als missgestalteter Sohn des Hauses Lannister, welches seit je her mit den Starks verfeindet ist, könnte man meinen, er eigne sich wohl eher zum Antagonisten. Doch das ist eine weitere Stärke von G. R. R. Martin. Die Beschreibung der Charaktere, ihrer Gefühlswelt und ihrer Handlungen ist so dicht, stimmungsvoll und glaubhaft, dass schnell die Grenzen von Gut und Böse verschwimmen. Klar gibt es noch eindeutige Antagonisten. Oft ist es trotzdem schwer, auf einer bestimmten Seite zu stehn. Besonders positiv erwähnen möchte ich auch die Unvorhersehbarkeit der Handlung. Zwar hat man oft eine Ahnung, wie es weiter geht, aber im einzelnen handeln Charaktere oft völlig unerwartet. Loyalitäten sind nicht immer klar und auch das Leben der Protagonisten ist nicht immer sicher. Dabei bleibt die Geschichte jedoch immer glaubhaft.

Noch ein paar Worte zum Aufbau des Buches:
Zu Beginn scheint die Geschichte in einer normalen, recht wenig fantasylastigen pseudo- Mittelalterwelt zu spielen. Doch je weiter man liest, desto mehr entdeckt man von der Welt und ihrer Geschichte. Auch der Fantasygehalt der Geschichte nimmt immer mehr zu. Wird zu Beginn noch davon gesprochen, dass die Magie die Welt zusammen mit den Drachen verlassen habe, finden sich im Laufe der Geschichte immer mehr Spuren der Magie. Vom prophetischen Traum bis hin zu versteinerten Dracheneiern.
Aber auch hier schafft der Autor es hervorragend, eine dichte, glaubhafte Atmosphäre aufrecht zu erhalten und die Welt lebendig zu gestalten. Gewisse Grundsätze werden immer wiederholt oder Redewendungen benutzt. Zum einen werden damit handelnde Personen und Familien charakterisiert und zum anderen wird eine glaubhaft funktionierende Geselschaft geschildert. Auch werden wir mit einer Vielzahl an Liedern und Legenden versorgt, die auch eine mythische Hintergrundwelt erzeugen. Martin flechtet das alles so geschickt in die Handlung ein, dass man zum richtigen Zeitpunkt immer die richtige Information hat und man wirklich den Eindruck einer lebendigen Welt bekommt.
Wenn man versucht, vor dem Lesen sich den Appendix anzusehen, wird man mutmaßlich abgeschreckt von dem Wust an Namen und Familien. Folgt man aber der Handlung, werden wichtige Personen oft genug erwähnt, dass sie sich ins Unterbewusstsein schleichen und, wenn es wichtig wird, sie abrufbereit sind. Auch wenn Politik durchaus wichtig ist und somit auch die Loyalitätszugehörigkeit verschiedener Adelshäuser, gibt es keine abschreckenden Eskapaden wie Elronds Rat im "Herrn der Ringe", wo einfach nur seitenlang Namen stehen.

Abschließend kann ich nur sagen, der "Song of Ice and Fire" ist rund um empfehlenswert.
Sprachlich einwandfrei und flüssig zu lesen, auf Charakterebene wirklich überzeugend und eine lebendige, gut durchdachte Hintergrundwelt.
Einziger Nachteil ist, dass die Saga noch nicht abgeschlossen und nicht wirklich als kurz zu bezeichnen ist.


George R. R. Martin{jcomments on}
835 Seiten Softcover, Bantam Spectra
ISBN: 0-553-57340-3