Star Wars - New Jedi Order 1 - Vector Prime
Star Wars-Romane waren eigentlich schon immer eine zweischneidige Sache. Einerseits waren sie daran gebunden, sich nahe an die Filme, die Atmosphäre und vor allen den Stil der Filme zu halten, andererseits ist nun mal das Schema der (bisher fünf) Filme nur schwer in eine Buchform zu transportieren.
Die Filme bieten eine visuelle Wucht, einen beeindruckenden Soundtrack und charismatische Darsteller - letztere zumindest über weite Strecken. Ein Roman hat nichts davon und, das war stets die harte Grenze, muss dennoch der Anforderung, "Star Wars" zu sein, genügen. Einigen ist das gelungen, etwa Timothy Zahn, mit dessen erster Trilogie ohnehin das ganze Expanded Universe, wie die Romanerweiterungen des Film-Kanons heißen, erst begann, anderen nicht.
"Vector Prime" nun ist der erste Roman, der sich auf den Prüfstand begibt, der erste Teil des am Ende ca. 18 Teile starken Zyklus, dessen Teile auch stets von verschiedenen Autoren verfasst werden.
Der Autor ist R. A. Salvatore, eine Ikone der Fantasy-Literatur (zwar nicht der sogenannten gehobenen Literatur, aber eine Saga um den Dunkelelfen Drizzt Do'Urden (AD&D) ist wohl weithin bekannt.
Für "Star Wars" sollte er zudem den Filmroman zu "Attack of the Clones" verfassen, dennoch ist dies hier ein ganz anderes Blatt, denn anders als die Nacherzählung von Lucas' Drehbuch geht es hier doch um eine kreative Eigenleistung.
Die Handlung im Groben:
Zwei Jahrzehnte nach dem Sieg der Rebellenallianz über das galaktische Imperium hat sich ein mühevoller Frieden in der Galaxis ausgeweitet. Die Überreste des Imperiums verhalten sich friedlich, große andere Bedrohungen stehen nicht an - und schon versinkt die Neue Republik in dem selben politischen Sumpf, der bereits die Alte zum Fall gebracht hat. Während also der Staatschef Borsk Fey'lya auf Coruscant sein eigen Wohl verteidigt, bahnen sich gleich mehrere Ereignisse an. Ein charismatischer und fest entschlossener Opportunist namens "Nom Anor" taucht plötzlich auf und weckt rebellische Feuer in den Herzen entfernterer Welten und am Rande der Galaxis, fernab aller Aufmerksamkeit, trifft eine Vorhut der Yuuzhan Vong - einer fremden Rasse aus einer anderen Galaxis, die nur ein Ziel hat: Eroberung.
Ich gebe zu, zunächst war ich skeptisch, insbesondere, da alles in den Beschreibungen recht aufgesetzt klang, so, als würde man "Star Wars" nun in sein neues Korsett zwingen. Noch während der Lektüre von "Vector Prime" orderte ich dann alle bisher bereits verfügbaren Bücher nach - wie also kam es zu diesem Wandel?
Was zunächst einmal schnell ins Auge fiel, war Salvatores vortreffliche Personendarstellung. Luke, Leia, Mara - sie alle haben klare Persönlichkeiten und Standpunkte, dürfen auch noch mal eigene Gedankengänge verfolgen und laufen nicht stur und brav auf der Heldenschiene.
Die Solo-Kinder, bisher eigentlich nie mehr als das "herzensgute Duo" Jacen und Jaina und eben Anakin, dem dritten Kind, haben ebenfalls endlich eine dicke Charakterspritze bekommen. Sie vertreten unterschiedliche Grundphilosophien bezüglich des Jediordens und erscheinen endlich mal als glaubwürdige Individuen.
Aber eindeutig am Besten gelingt die Schilderung des Gespanns Han Solo und Chewbacca. Han wirkt "schurkisch" wie lange nicht mehr, irgendwie schafft es Salvatore wirklich, das Bild Harrison Fords vor dem geistigen Auge zu erzeugen, und Chewbacca erzeugt noch mehr. Bisher war er ja selten mehr als der fellige Freund der Gruppe, der Hauen kann, diesmal hat auch er ein bestimmbares Charisma - man muss ihn einfach gerne haben!
An zweiter Stelle steht die mutige Handlung. Salvatore führt eben nicht nur einen neuen Feind ein, wie es der Imperator, der geklonte Imperator, Thrawn, Daala, Thrawns Doppelgänger, die Ssi-Ruu oder irgendwer vorher waren. Denn der neue Feind ist, mit einem Wort, gefährlich.
Er weiß sich effektiv gegen Jedis zur Wehr zu setzen, er ist "technisch" (die Anführungsstriche werden sich bei der Lektüre des Romans erklären) überlegen und zahlreich.
Vor allem aber: er fordert Opfer!
Ohne zuviel sagen zu wollen: neben vielen Nebencharakteren wird es auch einer der langgedienten Hauptcharaktere das Ende von "Vector Prime" nicht mehr erleben. Und so wie der Leser vermutlich von dem Verlust mitgenommen wird, so erwischt es auch die restliche Hauptbesatzung und einer von ihnen wird nahezu an diesem schweren Schlag zerbrechen.
Salvatore stellt aber auch ein paar bisher nur unausgesprochen existierende Fragen. Etwa die Frage, ob die Neue Republik wirklich das Recht hat, ihren Allgemeinheitsanspruch zu erheben.
Oder auch die Frage, warum Politiker wie Borsk Fey'lya in solchen Friedenszeiten nicht eine schiere Angst vor der weltlichen Macht der - auch einer Gedankenpolizei nahekommenden - Jediritter haben sollte…
"Die Galaxis schien ein weit gefährlicher Ort zu sein als zuvor" heißt es sinngemäß im letzten Absatz von "Vector Prime", und das kann auch als Fazit gehalten werden. Der flüssig geschriebene Roman schafft es, auf seinen knapp 400 Seiten die Neue Republik zu einer realistisch-dekadenten politischen Struktur werden zu lassen, den in den letzten Romanen so offensichtlichen Unsterblichkeitsanspruch der Protagonisten mit einem Schlag zu vernichten und zugleich eine neue Farbe ins Universum zu bringen: grau!
Das Imperium war stets das Böse, die Rebellen (und dann eben die Republik) stets die Guten, doch das ist passé. Alle Standpunkte befinden sich dank "Vector Prime" nun auf dem Prüfstand und dennoch hat es nicht den Flair des Kriegs der Sterne eingebüßt.
Ob die folgenden Romane den hohen Standart halten können, muss sich zeigen, aber eines ist klar: wer "Star Wars" mag und die Märchenaspekte nicht über alles stellt, der sollte nicht lange fackeln und "Vector Prime" ordern!
R. A. Salvatore{jcomments on}
393 Seiten Softcover, DelRey
ISBN: 0-345-42845-5