DSA #142 – Herrin des Schwarms

Jüngst erst habe ich hier über Herr der Legionen geschrieben, Judith C. Vogts von mir sehr gelobten ersten Teil eines nicht selber benannten Zweiteilers, der nicht im gewohnten Aventurien, sondern zu den „dunklen Zeiten“ spielt. Das ist die Zeit vor Bosparans Fall, ein Setting, was irgendwo zwischen dem Aventurien, das wir kennen, dem realweltlichen untergehenden weströmischen Reich und einigen anderen Quereinflüssen angesiedelt ist.
Dass es sich bei Herrin des Schwarms nun um den zweiten Teil handelt, wird nicht nur durch den sehr verwandten Titel deutlich, auch alleine das wirklich schöne Cover von Marcus Koch unterstreicht den Eindruck. Es zeigt, im Stile sehr ähnlich zu dem Legionärscharakter des ersten Bandes eine Frau von offensichtlich gehobeneren Stand, der eine gewissen intrigante Art direkt aus dem Blick zu triefen scheint. Sehr schön, zumal Leser des ersten Teiles an diesem Punkt auch bei beiden Umschlägen erkennen können sollten, um wen es sich jeweils handelt.
DSA-Roman-Cover, die in einem direkten Bezug zum Inhalt stehen! Wenn mir das einer vor zehn Jahren versprochen hätte …

Doch nicht nur vom Cover her, auch inhaltlich sind die beiden Bände eng verbunden. Im Grunde ist es ein großer Roman, wie es auch in der Einleitung des Buches anklingt; aber hier ist es nicht einfach nur so gesagt. Absolut nahtlos schließt Herrin des Schwarms an die Handlungsstränge des vorigen Buches an, derer es – Leser des ersten Buches oder meiner entsprechenden Rezension werden sich erinnern – drei gibt. (Kleine, unvermeidliche Spoiler zu Band 1 werden folgen, aber ich bemühe mich, es auf ein Minimum zu reduzieren.)
Da gibt es die Patrizierin Sahina, die nun langsam zu erkennen glaubt, was ihre wahre Bestimmung ist und weshalb es sie und ihre Familie nach Bosparan geführt hat. Darin eng verwickelt ist auch das Schicksal ihrer Adoptivtochter Mokada, die sich nun zunehmend in ihre neue Rolle einfindet, aber der mancher noch immer mit Skepsis begegnet. Und zuletzt ist da die Legionärin Eiria Punina, die sich, nun zurück in Bosparan, auf ganz anderen Schlachtfeldern bewegen muss, als noch im ersten Band: auf denen der Politik.

Da deutet sich auch schon eine der Facetten an, die mir an Herrin des Schwarms mit am besten gefallen hat – die Art und Weise, wie diese drei im ersten Band anfangs noch so völlig unvereinbar scheinenden Handlungsstränge alle zusammenfinden. Die Autorin hat im ersten Band bereits viel Zeit damit verbracht, in jedem der drei Fokusbereiche der Geschichte auch noch andere Figuren unter zu bringen und diese Detailarbeit macht sich nun bezahlt. Alles beginnt eine Rolle zu spielen und, dem antik anmutenden Setting sehr angemessen, gleich einer klassischen Tragödie verzahnen sich immer mehr Einzelereignisse zu einem immer unkontrollierbareren Finale.
Ich habe für diese Rezension eine Weile nachgedacht, ob ich einen Lieblingsstrang der Handlung benennen kann – und ich kann es nicht. Jedoch nicht aus einem Mangel an Qualität heraus, sondern vielmehr, weil die Geschichte nirgendwo abfällt. Ganz unterschiedliche Elemente wie die finstere Schwarzmagie, die im ersten Band mit Satuarnos ihren Anfang nahm, die doppeldeutigen und doppelbödigen „Spiele“ zwischen Sahina und ihrer Intimfeindin Fluvia, die so unterschiedlichen Söhne der Veneter und auch spannenden Kampfszenen fügen sich elegant zu einem ansprechenden Gesamtwerk zusammen.

Den krönenden Abschluss bildet dann tatsächlich konkret der Abschluss des Buches – nicht nur, dass alle Fäden schön zusammenlaufen, die Geschichte findet auch noch ein befriedigendes Ende und schlägt zuletzt sogar sehr schön einige weitere Brücken dem modernen Aventurien entgegen, so dass man als Leser auch zunehmend das Gefühl hat, mehr zu begreifen, wie das alles irgendwie aneinander passt.
Ich hatte es ja auch schon in meiner Besprechung des ersten Buches geschrieben – der Reiz, einerseits dem erstarkenden Proto-Praios-Kult in Form des Brajanos zu folgen, andererseits über die relative Alltäglichkeit von Entitäten wie Brazirakus oder der Blakhurien zu staunen und zuletzt (in Aventurien) ausgerottete Kulte wie den des Shinxir mal in Aktion zu erleben, ist immens.

„Ach komm“, mag man einwerfen. „Hast du denn gar nichts zu bemängeln?“
Und nee, eigentlich nicht. Sicher, hier und da finden sich ein paar kleinere Tippfehler, die durch das Lektorat geschlüpft sind, aber Herrin des Schwarms ist dennoch auch sprachlich eines der besten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe.
Einzig vielleicht, dass durch die an sich sehr gelungene und spannend gemachte Vermischung der Handlungsteile gegenüber den Vorgängerband etwas die Trennschärfe zwischen den einzelnen Kapiteln gelitten hat, könnte ich nun als Negativpunkt anführen. Aber auch das hat mich nicht in meinem Lesegenuss gestört, es ist mehr eine Beobachtung, deren potentielle Schattenseite mehr als ausreichend durch die packende Vernetzung der Elemente aufgewogen wird.

Ich habe ein entsprechendes Urteil schon beim ersten Band gefällt und fälle es nun erneut: Herrin des Schwarms erhält meine absolute und uneingeschränkte Empfehlung. Wer auf gute Phantastik, Intrigen, DSA oder phantastische Rom-Settings steht, für den führt einfach kein Weg an den Büchern vorbei.  
Titel: Herrin des Schwarms
Originalausgabe
Autor: Judith C. Vogt
Verlag: Ulisses
ISBN: 978-3-86889-210-9
Seitenzahl: 416 Seiten Taschenbuch
Sprache: Deutsch
Preis: 10,00 Euro{jcomments on}