dunklen Fälle des Harry Dresden, Die #03: Grabesruh

Im dritten Band der Reihe vollführt Harry Dresden ein Ritual, umringt von weißen Kerzen. Er erklärt dem Leser, das habe zwei Gründe – Weiß als symbolische Farbe stärke den Schutz, den der Kreis um ihn bildet, und farbige Kerzen seien im Wal-Mart teurer.
Während der LARPer in mir sich selber dabei ertappt hat, hochgradig verschroben ob der zweiten Einlassung wissend zu nicken, sagt diese eine Information doch im Grunde auch schon alles darüber aus, warum diese Reihe so großartig ist.
Aber ich hole vielleicht dennoch mal weiter aus.

Harry Dresden ist der einzig praktizierende Magier von Chicago. Nicht Bühnenzauberer, sondern echter Magier. Grabesruh hingegen ist sein dritter als Buch veröffentlichter Fall und wie auch schon die beiden Vorgänger Sturmnacht und Wolfsjagd, so stellt auch dieser Band eine überaus ansprechende Mischung aus Detektiv-Geschichte im Film-Noir-Stil und einem exzellent in die moderne Welt eingepassten Fantasy-Mystery-Horrorsetting mit Feen, Vampiren, Geistern, und allem was dazugehört.

Grabesruh, dessen Titel im Englischen mit Grave Peril ein ziemlicher Kalauer war, ist aber auch darüber hinaus ein interessantes Buch. Nach sechs Bänden hat der vorige deutsche Herausgeber Knaur die Lust an der Reihe verloren und sie einschlafen lassen, bevor sie erst nach geraumer Pause an Feder&Schwert ging. Der – so kann man es wohl mittlerweile sagen – ehemalige Rollenspiel-Verlag hat dann aber erst mal neue Bücher veröffentlicht, was wirtschaftlich wohl auch klug war, die Fans waren sicherlich sehr ausgehungert. Nur war Grabesruh lange vergriffen und das echt mal nicht schöne Knaur-Taschenbuch zog sehr eindrucksvolle Preise auf dem Gebrauchtmarkt nach sich. Daher kommt es aber auch, dass man beim Neuauflegen der bisherigen Titel entschied, die Bände 1 und 2 nach Band 3 neu zu veröffentlichen.
Visuell ist die neue Ausgabe von Grabesruh ein Traum, eines der schönsten Taschenbücher, die ich seit langem gekauft habe. Doch dazu später mehr, schauen wir zunächst kurz auf den Inhalt.

Die Geister sind ruhelos. Harry und sein Kumpel, der Glaubensritter Michael, sind zwar dabei, den Toten eine zweite, letzte Ruhe zu bescheren, doch offenbar geht mehr vor sich. Irgendwie scheinen nicht nur all diese Übergriffe miteinander verbunden, sondern scheinbar auch mit Harry selbst vernetzt zu sein. Dazu kommen noch eine seltsame junge Frau namens Lydia, die bei ihm um Schutz bittet, weil etwas hinter ihr her sei, sowie allerlei persönlicher Stress, und schnell ist das Chaos perfekt.
In der etablierten Manier der Reihe wird es eigentlich auch mit jedem Kapitel nur schlimmer – ein Eindruck, der bis zum Finale hält. Dabei fällt aber positiv auf, dass sich Butcher vom Reißbrett der früheren Teile zunehmend entfernt und Grabesruh lässt sowohl erste Verdachtsmomente auf eine übergreifende Handlung aufkommen, die bisher nur angekratzt wird, greift aber vor allem gekonnt vorige Geschichten auf und sorgt dafür, dass die Welt des Harry Dresden wesentlich stärker wie aus einem Guss geformt wirkt, als es noch bei Wolfsjagd der Fall war.
Der Roman ist, kurzum, hervorragend und ich habe im Grunde nichts, was ich daran kritisieren wollen würde. Auch die Übersetzung – es handelt sich um die alte Übersetzung der Knaur-Ausgabe von Jürgen Langowski – ist ziemlich gut gelungen und Bockschüsse wie die angeblich mit Textmarker beschriebenen Post-Its im Vorgänger wiederholen sich nicht.

Allerdings, und hier kehren wir zur F&S-Bearbeitung zurück, hat man offenbar auch das Lektorat der Knaur-Fassung übernommen. Zumindest wird Angela Troni hier genannt, die in den alten Büchern unter „Redaktion“ geführt wurde, was den Verdacht nahe legt.
Was ihn ebenfalls nahe legt ist aber auch schlicht die nach wie vor vorhandene, auffällige Anzahl von ärgerlichen kleinen Fehlern. Da werden Anführungsstriche mal nicht geschlossen oder nie geöffnet, dort sind mal Buchstaben verdreht und ab und an schleichen andere Flüchtigkeitsfehler durch das Buch. Das ist alles nichts wildes, aber bei einer Neuauflage doppelt ärgerlich, weil sie bereits zwei Mal nicht vermieden worden sind.
Der Preis ist mit 12,99 Euro nicht ganz ohne, aber an sich fair wenn man die Größe des Verlages, den Umfang des Buches und vor allem auch dessen ganz hervorragende Verarbeitung alle miteinander in Korrelation setzt.
Einen kleinen, aber wichtigen Applaus gibt es übrigens dafür, dass die Abmaße trotz völlig anderem Design mit denen der Knaur-Bücher übereinstimmen. Wer beispielsweise deutsche Pratchett-Bücher daheim hat kennt vermutlich das Chaos im Regal – wer aber hier, wie ich, aufgrund der Verfügbarkeit nun gemischt Knaur- und F&S-Bücher im Schrank hat, blickt dennoch auf ein halbwegs stimmiges Bild. Hat mich positiv überrascht.

Fazit?
Grabesruh ist ein brillanter Roman, der alles richtig macht, was schon in den Vorgängern stimmte, und fast überall noch einen draufsetzt. Die Umsetzung als Buch ist visuell ein Traum, redaktionell dagegen nicht ganz perfekt. Doch wer die Reihe bisher mochte, muss auch hier zugreifen. Wer bislang den Einstieg noch nicht gewagt hat, der sollte es spätestens mit der ebenfalls bald folgenden Neuauflage von Sturmnacht einmal wagen – die Bücher lohnen sehr!


Titel: Grabesruh. Die dunklen Fälle des Harry Dresden, Band 3.
OT: Grave Peril
Autor: Jim Butcher
Verlag: Feder&Schwert
ISBN: 978-3-86762-113-7
Seitenzahl: 443 Seiten Taschenbuch
Sprache: Deutsch
Preis: 12,99 Euro{jcomments on}