dunkle Turm, Der 1 – Schwarz

In gewisser Weise ist die Geschichte, die zu der vorliegenden Rezension führt, etwas sehr eigenartig. Es begann mit dem Erwerb der jüngst rezensierten Mephisto 27. Nach der mir absolut missfallenden 26. Ausgabe hatte ich mich bereits auf eine sehr negative Rezension eingestellt, wurde aber von dem Heft positiv überracht.
In eben jenem Magazin war dann auch ein Bericht zu Stephen Kings „Der dunkle Turm“ und obschon ich King normalerweise absolut nichts abgewinnen kann, kam der Reihe dort so gut weg, dass ich neugierig wurde. Somit erwarb ich Band 1 in dem Glauben, wohl eher enttäuscht zu werden – und hätte kaum weiter weg liegen können.

„Schwarz“, im Original „The Gunslinger“, ist der Auftakt der Reihe „Der dunkle Turm“, welche erst vor kurzer Zeit ihren Abschluß erhalten hat. Dennoch ist er erstmalig 1982 erschienen und damit sogar älter als ich.

In einer sehr episodenhaften Art und Weise wird die Reise von Roland, dem letzten Revolvermann, beschrieben. Die Prämisse könnte gleich zu Beginn nicht klarer gesetzt sein. „Der Mann in Schwarz floh durch die Wüste und der Revolvermann folgte ihm.“ heißt es im ersten Satz und damit ist die Kernhandlung von „Schwarz“ schon definiert.
Roland ist auch der Suche nach dem „dunklen Turm“; warum, das ist nicht klar, ist aber auch eigentlich nicht wichtig. Wichtig ist dagegen, dass der Mann in Schwarz wohl weiß, wo der Turm liegt und damit Rolands einziger Weg zum Ziel über dessen Leiche führt.

King bezeichnet seine Grundmotivation als den Versuch, eine Mischung aus Tolkiens „Herr der Ringe“ und Sergio Leones „Zwei glorreiche Halunken“; eine Mischung aus der Ästhetik jener Italo-Western in ihrer schieren Unendlichkeit und der Phantastik und Epik Tolkines.
Es ist verwunderlich, doch die Rechnung geht auf.
Die episodenhafte Handlung gleich einem Roadmovie im wilden Westen, schildert die einzelnen Wegstationen des Revolvermannes und was als Western zu beginen scheint, nimmt bald mehr und mehr phantastische Elemente auf.
Was man zunächst für ein Post-Doomsday-Szenario halten könnte, entpuppt sich mehr und mehr als eine Synergie verschiedener Welten, in der Charaktere unterschiedlicher Herkünfte in endloser Lakonie ihre Schicksale fristen.

Das zeigt sich alleine schon im Helden Roland, der zwar eine dramatische Hintergrundgeschiche in sich trägt, die sich erfrischend anachronistisch im Hintergrund entfaltet, aber im Grunde unerbittlicher Pragmatiker ist.
Sein Verhalten gegenüber der Umwelt ist von einer gewissen Würde gekennzeichnet, einer Würde, wie man sie von dem Letzten einer einstmals besseren Art erwarten kann, andererseits aber auch stur auf das Ziel „Mann in Schwarz“ ausgerichtet.

Der Mann in Schwarz ist dabei ein Element, wenn auch nicht das einzige, dem der Roman einen weiteren wichtigen Aspekt des Gesamteindrucks verdankt: er wirkt einfach fremd.
Der Mann in Schwarz scheint ein Zauberer zu sein und hinterlässt Roland verwirrende und teils gefährliche Nachrichten und Hinweise zurück, ist dabei dennoch weder Schamane noch Magier im hermetischen Sinne.
Die Welt, die Roland durchquert, ist eigentlich nur eine Wüste, in der vereinzelte Siedlungen liegen und lagen; doch Elemente wie der Mann in Schwarz oder Irre, die eine Benzinpumpe aus einer anderen Zeit anbeten, führen den Leser geschickt auf den Pfad einer Welt, die allenfalls parallel zu unserer liegen kann.

Die Handlung ist dabei zwar auch spannend, vorwiegend ist sie aber faszinierend und fesselt weniger durch das, was passiert, als dadurch, wo es passiert. Kings Schreibe ist dabei sehr gut, liest sich fesselnd und schafft es, einzelne Begriffe schnell in dem fremden Kontext der Welt des Romans zu verankern.
Der „Revolvermann“ ist so ein Beispiel – es ist kein einfacher Cowboy, vielmehr scheint es eine Art Ritter jener so absurden Welt zu sein.

Die deutsche Ausgabe, die der Rezension zu Grunde liegt, ist ebenfalls sehr schön geworden. Das betrifft sowohl die Optik, die den Leser mit einem Cover in schönem Silberdruck verwöhnt, als auch die Übersetzung. Zugegeben, dem Revolvermann liegt eine andere Assoziation zu Grunde als dem Gunslinger. Doch Joachim Körber hat gute Arbeit geleistet, den Text so gut wie irgend möglich in eine deutsche Fassung zu bringen und mit einigen, sehr seltenen, Ausnahmen kann man das Buch lesen, ohne auch nur einmal zu stocken.
Im Gegenteil, viele Übersetzungen unterstreichen noch die vertraute Fremdheit, die den Roman so auszeichnet.

Ich muss sagen, ich bin sehr angenehm überrascht worden. King hat mit „Schwarz“ den Grundstein zu einem faszinierenden Epos gelegt und sollten die nachfolgenden Bände mit dieser Eröffnung mithalten können, stehen dem Leser noch viele schöne, spannende und faszinierende Lesestunden bevor.


Name: Schwarz
Verlag: Heyne
Sprache: Deutsch
Autor: Stephen King
Seiten: 371
ISBN: 3-453-87556-7{jcomments on}