Hexer von Riva #2 - Das Schwert der Vorsehung

Der Sammelband „Das Schwert der Vorsehung“ ist das zweite Buch der polnischen Fantasy-Reihe um den Hexer Geralt von Riva, die mit dem jüngst hier auch besprochenen „Der letzte Wunsch“ ihren Anfang genommen hat.
Wie schon der Vorgänger ist es kein in sich geschlossener Roman, sondern eher eine lose miteinander verbundene Sammlung von Geschichten, auch wenn diese hier im Schnitt deutlich länger sind als jene im „Wunsch“. Dadurch, dass aber dennoch eine chronologische Folge von Ereignissen beschrieben wird und diese auch noch an mehreren Punkten an die Ereignisse des Vorgängers anknüpft, wäre es falsch, das Buch als „Kurzgeschichtensammlung“ abzutun. Sapkowskis Buch erinnert dahingehend ein wenig an klassische Sagen, die im Rahmen einer übergreifenden, großen Queste eine ganze Reihe von Einzeltaten zu einem großen Ganzen verbinden.

Stilistisch bleibt der Autor seinem etwas eigenwilligen, aber süchtig machenden Stil gleich. Der Erzähler der Geschichte wird seinem Namen noch gerecht und sucht bisweilen den expliziten Dialog mit dem Leser, die Charaktere werden sehr durch ihre Sprache gekennzeichnet und immer wieder schimmert ein wenig durch, dass Sapkowski einfach aus einem anderen Kulturkreis kommt.
Dabei vermengt er, wie schon im vorigen Buch, klassische Fantasy, Sagen, Märchen und Gruselgeschichten und zieht daraus eine Welt, die irgendwie urtümlich, vertraut und doch ganz anders ist.

Das Kernthema, das deutete sich schon beim „letzten Wunsch“ an, ist das einer Zeitenwende. Das Motiv, dass eine mythologische Welt zur Neige geht und durch ein Zeitalter der Menschen abgelöst wird, die sich mit ihren Städten und ihrem natürlich, aber erbarmungslosen Eroberungstrieb das Land Untertan machen, kennt man auch von anderen Autoren. Doch selten hat man es mit einem solchen Schwermut und einem solchen Fatalismus dargeboten bekommen wie hier.
Geralt, Protagonist der Erzählung, ist ein Teil der alten Welt und zugleich einer der Gründe, die zu ihrem Ende führen. Er ist ein Hexer, was ein fehlleitender Titel ist, denn in Sapkowskis Welt sind Hexer durch Alchemie mutierte Elitekämpfer, die sich für Geld anheuern lassen, um Monster zu vertreiben oder zu töten, wenn diese die Menschen auf den Dörfern bedrohen. Er ist, wenn man so möchte, ein Cowboy an den Grenzen der Zivilisation, der die Wildnis zurücktreibt.

Höhepunkt des Buches, das auch andere, liebenswerte Charaktere aus dem ersten Band wie den Barden Rittersporn oder die Zauberin Yennefer wiederkehren lässt, ist zweifelsohne die titelgebende Geschichte „Das Schwert der Vorsehung“. Geralts Reise führt ihn mitten in das Reich der Mysterien, konfrontiert ihn mit einer unausweichlichen Entscheidung und vor allem mit der Vorsehung, jener Schicksalskraft, die – so scheint es jedenfalls – die Pfade alle Charaktere der Welt wie Spielfiguren vorzubestimmen scheint.

Das Buch geht damit auch sogleich die letzten Schritte des umfangreichen Prologs, die dieses wie auch das vorige Buch in gewisser Weise für die nachfolgende Romanreihe bilden, in der Sapkowski den Hexer weiter auf sein Ziel zusteuert.
„Der letzte Wunsch“ war gerade aufgrund seines ungewohnten und freien Umgangs mit klassischen Motiven der Phantastik, mit Märchen und Mythen eine faszinierende Lektüre. Der Besuch in einer Welt, die genauso verdammt und gebrochen scheint wie ihr Protagonist Geralt. „Das Schwert der Vorsehung“ nun legt keine einzige dieser Tugenden ab, erweitert sie aber um weitaus ausgefeiltere Erzählmuster und zieht einen noch viel, viel tiefer in Sapkowskis Welt, die nach wie vor keinen Namen trägt und manchmal wie unsere eigene, mystische Vorzeit anmutet.

Das Schwert der Vorsehung hat zwei Schneiden, sagt das Buch.
„Das Schwert der Vorsehung“ ist ein Fantasy-Buch, das man gelesen haben sollte. Sage ich.


Name: Das Schwert der Vorsehung
Verlag: dtv
Sprache: Deutsch
Autor: Andrzej Sapkowski
Seiten: 460
ISBN: 978-3-423-21069-0{jcomments on}