Hexer von Riva #3 - Das Erbe der Elfen

Willkommen zur dritten Runde der Rezensionen zur Buchreihe rund um den Hexer von Riva. Aber dieses Mal sind einige Dinge anders. War „Der letzte Wunsch“ noch ein reiner Kurzgeschichtenband und „Das Schwert der Vorsehung“ im Prinzip auch – wenn man streckenweise auch eher das Gefühl hatte, einen Episodenroman zu lesen, der einfach nur je Kapitel eine neue Exposition aufbrauchte – so eröffnet der polnische Autor Andrzej Sapkowski mit dem vorliegenden Titel gleich einen ganzen, eng geschnürten Zyklus.
Das sieht man dem Buch auch direkt an. Es ist von größerem Format als die ersten beiden Bände, hat einen ziemlich edlen Prägedruck und liegt als Klappbroschur vor. Alles in allem ist es ein Buch, das zu lesen man sich rein äußerlich wirklich nicht schämen muss.

Ein paar Fragen bleiben zwar, etwa warum die extra passend zum Zyklus umgestalteten Kurzgeschichtenbände im Buchregal so gar nicht zu den Büchern des Zyklus‘ passen oder warum man es bei dtv offenbar nicht schafft, die Buchrücken wirklich einheitlich zu halten, aber gut, wer durch die Hölle deutscher Fantasy-Designs gegangen ist, wird hier wohl nicht meckern.

Beim Blick auf den Inhalt des Buches fällt zunächst positiv auf, dass wieder Übersetzer Erik Simon am Werk ist. Das ist insofern bemerkenswert, als dass die beiden Anthologien 1998 auf Deutsch erschienen sind, doch der hiesige Leser, obwohl da auch der fünfteilige Zyklus auf Polnisch schon fast vollständig war, bis 2008 warten musste, um das Buch auf Deutsch zu erhalten. Ein Schelm, wer das mit dem Verkaufserfolg vom PC-Lizenzspiel „The Witcher“ in Verbindung bringt.
Simon jedenfalls übersetzt direkt aus dem Polnischen und ohne die Herkunftssprache zu beherrschen, so bilde ich mir ein, dass das Buch davon profitiert, anders als viele derartige Titel nicht den Weg über eine englische Ausgabe gegangen zu sein.

Die Handlung setzt ziemlich dicht da an, wo die letzte Geschichte des vorigen Buches, „Etwas mehr“, aufgehört hatte. Was dann allerdings folgt, geht bereits deutlich über das hinaus, was bisher geboten wurde. Zwar demonstrieren spätere Bände wie „Die Zeit der Verachtung“, auf die ich dann bald hier zu sprechen komme, noch mehr literarische Finesse, jedoch merkt man nun doch deutlich, was wirklich in Sapkowski steckt.
Geschickt erzählt er eine relativ komplexe Geschichte aus relativ wenigen, dafür aber bisweilen sehr unerwartet wechselnden Perspektiven. Wer nach den vorigen Bänden erwartet hat, dass der Fokus weiterhin vor allem auf Geralt liegen würde, hat sich eindeutig geirrt. Erstmals erhält der Leser ein Gefühl für die Größe und die Dynamik der Welt, die ihm bisher vor allem durch reines Name-Dropping präsentiert wurde. Zwar bleibt eine gewisse „Irgendwie treffen sich die Hauptcharaktere doch alle irgendwie immer wieder“-Masche als Markenzeichen bestehen, doch stört dies nicht. Doch der insgesamt gezogene, neue Maßstab geben der Geschichte eine angemessene, passende Epik.

Bemerkenswert ist, dass „Das Erbe der Elfen“ nicht so sehr die Anlaufprobleme hat, wie man das teilweise bei anderen Zyklen beobachten kann. Natürlich haben die beiden Vorgänger-Anthologien das Buch auch von direkt einer gewissen Not zur Exposition befreit, jedoch ist auch darüber hinaus lobenswert, dass man schnell und direkt in eine bis zum Ende sehr schwer ganz zu durchschauende Handlung geworfen wird.
Etwas schade ist jedoch, dass bei all dieser wachsenden Identität der Geschichte die Märchen- und im speziellen die Gebrüder Grimm-Motive, die gerade in „Der letzte Wunsch“ hervor stachen, sehr rückläufig sind.

Obwohl das Buch extrem präsent in den Buchhandlungen stand und steht, habe ich lange gebraucht, um richtig darauf aufmerksam zu werden. Irgendwie klingt „Das Erbe der Elfen“ verdächtig so, als wolle jemand Anteil haben an beispielsweise Bernhard Hennens Elfen-Zyklus. Der Schein trügt jedoch, nicht nur, weil dieses Buch hier tatsächlich fünf Jahre vor der Fantasy-Rassen-Buchwelle in Deutschland geschrieben wurde.
Der deutsche Titel klingt auch wesentlich blumiger, als das polnische Original, denn „Krew elfów“ heißt eigentlich „Das Blut der Elfen“. Was auch der passendere Titel ist.

Wer an den ersten beiden Büchern Spaß hat, wird „Das Erbe der Elfen“ lieben. Es ist ein extrem gelungener Auftakt zu einem definitiv abgeschlossenen und frischen Zyklus, der toll geschrieben wurde und dessen deutsche Fassung ebenfalls sehr gelungen ist.
Wem der Stil der Kurzgeschichten gar nicht zugesagt hat, der wird vermutlich den Zyklus auch nicht zu schätzen wissen.
Wer gerade hier zum ersten Mal auf Sapkowski stößt, sollte jedoch mit „Der letzte Wunsch“ beginnen, auch wenn „Das Erbe...“ sich selbst als ersten Roman bezeichnet.
Ich jedenfalls bin und bleibe den polnischen Phantasten Sapkowski, dem harten Hexer Geralt, dem Barden Rittersporn und den vielen, verführerischen Zauberinnen hoffnungslos verfallen.


Name: Das Erbe der Elfen
Verlag: dtv premium
Sprache: Deutsch
Autor: Andrzej Sapkowski
Seiten: 380
ISBN: 978-3-423-24754-2{jcomments on}