Engel - Apocalyptica

So liegt er vor uns, der letzte Teil der Chroniken der Engel. Wieder von Oliver Graute geschrieben, der durchgehend die Zügel in der Hand gehabt hat und der ja bereits den durchaus guten Vorgänger-Roman Deus Vult geschrieben hatte.
Auf den ersten Blick macht das Buch durchaus was her: Das schwarzweiße Titelmotiv mit den blutroten Applikationen ist griffig, wenn auch die offenbar digital gebaute Fliege, die einen Blutfleck aussaugt, in dem sich eine Zeichnung von Tobias Mannewitz spiegelt, nicht so das ultimative Motiv wäre, das ich mir nun gewünscht hätte. Aber es ist schön anzuschauen. Apocalyptica hat wie sein Vorgänger 248 Seiten, aber dabei eine weitaus größere Schrifttype für den Fließtext. Das ist der Punkt, wo ich skeptisch wurde – es ist der Abschluss eines noch mit Fragen überhäuften Settings – wie kann man denn da offenbar Probleme gehabt haben, das Buch dick genug zu kriegen?
Nun, in erster Linie indem man die Fragen nicht beantwortet, aber dazu gleich mehr.

Man könnte sagen, dass das vorliegende Buch so etwas wie das letzte Drittel des Vorgängers ist. Insgesamt sind es ziemlich genau die gleichen Handlungsträger, also Isabella, Lâle und Midael, die sich weiter durch mehr oder weniger den gleichen Plot beißen müssen.

Dabei machen direkt die ersten Seiten klar, dass es zur Entscheidung kommen wird. Die Traumsaat, offenbar die komplette Traumsaat, sammelt sich vor Cordova und bezieht Stellung. Die Angeliten nehmen das als Zeichen und stellen ihrerseits ihr Heer zusammen, wenn auch signifikant geschwächt, denn nach den Ereignissen am Ende von Deus Vult haben die Gabrieliten offenbar wenig Interesse, dem Wunsch des Pontifex Maximus nachzukommen. Jedes Kapitel wird zudem nun von einem kurzen Text eingeleitet, der oftmals Jahrhunderte vor der eigentlichen Handlung entstanden ist und mit Pressemeldungen und Geschichtseinträgen ein paar offenen Fragen halbgar beantwortet. Meist wenig überzeugend, muss man sagen, da selten etwas gesagt wird, was man nicht eh schon geahnt hätte.

Dann aber kommt es nach einigen durchaus extremst coolen Szenen (insbesondere das, was die Gabrieliten dann letztlich doch machen), sowie einigen eher nervigen Sequenzen (alles um Isabellas Kind, etwa) zum großen Finale – und ich müsste Lügen, wenn ich sagen würde, dass es mir auch nur im Ansatz gefallen hätte.
Die finale Schlacht lässt die notwendig Epik vermissen, die ganzen Geschehnisse drum herum lassen die so lange ersehnten Antworten vermissen und alles endet in einem katastrophalen deus ex machina, der bestenfalls sauer aufstößt.
Am Ende stehen dann nicht nur die Überlebenden, sondern vor allem auch die Leser vor einem Scherbenhaufen, der offenbar ohne jede Perspektive einfach ausgegossen wurde.

Perspektive, ein gutes Stichwort. Im Grunde schlugen stets zwei Herzen in der Brust der Chroniken der Engel. Einerseits die mystische Ebene mit Traumsaat, Fegefeuern und göttlichen Zeichen, auf der anderen dagegen die Postapokalypse mit Schrottbaronen, Nano-Tätowierungen und Virusseuchen.
Apocalyptica versucht nun, diese beiden Tendenzen zu einen und scheitert dabei schrecklich. Der Leser erhält keine Erklärung, warum in den Fußtritten des Wanderers Muscheln und Fossilien sprießen, aber ein Schlagwort, was so tut, als sei es eine Erklärung. Was die Ereignisse am Ende von Deus Vult in Bewegung gebracht hat, was es wirklich mit den Fegefeuern auf sich hat oder was genau mit dem Engel Thariel abgeht bleibt genauso offen wie die Frage, was in aller Welt sich die Macher eigentlich Anfangs bei dem ganzen Kram gedacht haben.
Umso ärgerlicher ist es dabei, dass auch die Anbindung an vorige Geschichten nicht immer funktioniert und insbesondere der Handlungsfaden um Isabella von Cordova beißt sich nun noch stärker mit dem, was im Homini Lupus passiert ist und lässt eine Stringenz gerade in den einstmals sehr spannenden Figuren in ihrem Umfeld vermissen.

Als wäre das nicht alles schon schlimm genug, kommt bei diesem Buch auch der alte Fluch des Lektorats zurück. Verdrehte Redewendung irritieren dabei genauso wie der schon vollkommen entnervende Spleen, „Apokalypse“ durchgehend mit c statt dem k zu schreiben.
Und als letzter Funken Frust kommt dazu, dass gerade die beiden vorigen Bücher gezeigt hatten, wie gut es doch alles sein könnte.

Nein, Apocalyptica ist kein Buch, mit dem ich zufrieden bin und mit dem eigentlich auch kein anderer wirklicher Anhänger des Settings zufrieden sein könnte. Bekanntermaßen kam das Buch relativ unverhofft am Ende der Reihe und offenbar anstelle einer etwaigen Rollenspielpublikation, die alles hätte beenden können. Es wirkt dabei aber leider so, als wären zwar die Ideen da gewesen, aber anstelle aus ihnen einen spannenden Abschluss zu entwickeln, hat man es vorgezogen, sie in ein Handlungskorsett zu treten und im Eiltempo einfach vom Stapel zu reißen. Liebe zum Detail, zum Setting und zur erzählten Geschichte hat die vorigen Bände herausragen lassen. Das Fehlen all dieser Elemente ist es, was mich dazu bringt, Apocalyptica für eines der enttäuschendsten Bücher zu halten, die ich in den letzten Jahren gelesen habe.
Wer Engel eh bisher verfolgt hat, wird auch das Ende lesen wollen. Aber wer mich jetzt fragt, ob es sich eigentlich lohnt, dem muss ich zumindest sagen: „Da sind ein paar echt coole Bücher darunter, aber das Ende ist Mist.“
Denn das ist es.


Titel: Apocalyptica
Originalausgabe
Autor: Oliver Graute
Verlag: Feder&Schwert
ISBN: 978-3-86762-060-4
Seitenzahl: 248 Seiten Taschenbuch
Sprache: deutsch
Preis: 10,95 EUR{jcomments on}