Shadowrun #067 - Wiedergänger

Was wird aus Rachedurstgelüsten, wenn sie vier Jahre Zeit haben, vor sich hinzugären? Der Straßensamurai Jaywalker macht sich auf, um das herauszufinden. Vier Jahre nach dem Zerfall seines Teams kehrt er nach Seattle zurück. Seine Ankunft löst heilloses Chaos aus. Vor allem Conquistador, der sich längst aus den Schatten zurückgezogen hat, sieht sich mit der Frage konfrontiert, welchen Preis er für seine Rache zu zahlen bereit ist. Doch da ist auch noch der Magier Sakata. Und der hat sehr genaue Vorstellungen davon, wie er mit dem Problem >Jaywalker< verfahren will. 
vom Backcover von Wiedergänger

Maike Hallmann hatte mit „Pesadillas“ einen literarisch hochwertigen Roman für die Shadowrunreihe geschaffen, der von vielen als bestes Werk der Reihe gilt. Da war die Erwartungshaltung für den nachfolgenden Band natürlich gewaltig. Mit „Wiedergänger“ konnte sie einen Roman veröffentlichen, der zwar nicht die Qualität des Vorgängers erreicht, aber immer noch hervorragend zu unterhalten weiß. Die Kenntnis von „Pesadillas“ ist dabei zwar nicht zwingend notwendig, hilft aber bei dem Verständnis der Figuren und ihrer Beziehungen untereinander.Der Roman beginnt wie der Actionfilmklassiker „Phantom Commando“, nur das hier nicht Arnold Schwarzenegger herumspringt, sondern Jaywalker, der bekannte und gehasste Runner aus „Pesadillas“. Dessen Team wird einer nach dem anderen umgebracht, nur er kann dank seiner analytischen Natur und seines extrem verbesserten Körpers überleben und beginnt den Anschlägen nachzugehen. Und die Spur führt in nach Seattle, dort wo er vor einigen Jahren sein Team um Conquistador, Christo und Kike an Körper und Seele verwundet zurückgelassen hat. Nun steht der Wahlkampf um die Wahl des neuen Präsidenten der UCAS an und die besten Chancen hat ein bekannter, großer Drache. In dieser turbulenten Zeit löst Jaywalkers Rückkehr eine Welle von Aktionen aus, die alle nicht gut enden können. Die bisher unterdrückten Empfindungen kochen wieder hoch und viele Charaktere sehen sich in einem Teufelskreis von Rache und gerächt werden wieder, der einige von ihnen das Leben kosten wird. Die Autorin hat ja bereits gezeigt, dass sie auch nicht davor zurückschreckt Charaktere zu töten, welche bereits etabliert sind und zu denen der Leser eine Beziehung aufbauen konnte. Gerade das ist die größte Stärke von Hallmann, die Charaktere so zu schildern, dass sie sehr lebensecht und glaubwürdig handeln. Von der Hauptfigur, über den nur auf zwei Seiten vorkommenden Streifenpolizisten bis hin zu dem Haustier des Protagonisten, alle Figuren sind dreidimensional und wachsen einem mehr ans Herz, als dies bei anderen Romanen mit den Helden geschieht. Gerade die Kapitel, die aus der Sicht von Julius, der erwachten Mungodame geschildert werden sind absolut köstlich zu lesen. Sie beschreibt Autos als „Unterwegszuhause“ und ihren Besitzer als ihr „großes Tier“, auf das sie aufpassen muss.

Etwa in der Mitte des Romans gibt es auch wieder einen Wendepunkt, oder besser gesagt, den Höhepunkt des Romans. Denn nach der eigentlich finalen Konfrontation folgt nur noch ein Nachspiel und die „Rache für die Rache“. Beim eigentlichen Showdown passiert dann nicht wirklich viel und er ist schnell vorbei, viele Fragen bleiben unbeantwortet. Jaywalker tritt immer weiter in den Hintergrund und erzeugt immer mehr den Eindruck eines Katalysators für kommende Katastrophen. Es gibt keine enigmatischen Konzerne oder machiavellische Drachen, es ist eine bodenständige Geschichte um einige Charaktere der Schattenszene, ihre Rachegelüste, ihren unmoralischen Überlebenskampf und die Konsequenzen daraus. Das macht die ganze Geschichte sehr glaubwürdig und zeigt, dass die Autorin keine großen Wummen und Explosionen benötigt umd den Leser auf mehreren hundert Seiten zu fesseln.

Aufmerksame Leser werden bemerken, dass Conquistador den Shadowrunner Ash aus Lara Möllers Quickshot trifft. Die Szene ist in beiden Romanen die gleiche, nur eben aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Charaktere erzählt. Auf dem sehr schönen, von Christian „Mana“ Nauck gezeichneten und von Kai Spannuth colorierten Titelbild ist Conquistador zu erkennen, der wohl gerade etwas Ärger mit einer schleichenden Figur über ihm hat. Sehr feines Bild und sogar Bezug zum Roman.

Ein wirklich feiner Roman für jeden Shadowrunfan, der sich auch ohne viel Action, weltumspannende Plots und Topkriminelle amüsieren kann. Nicht ganz so gut wie „Pesadillas“ aber immer noch einer besten Romane für Shadowrun.

 


Name: Wiedergänger
Verlag: Fanpro
Autorin: Maike Hallmann {jcomments on}
Empf. VK.: 9 Euro
Seiten: 458
ISBN: 3890645933