Shadowrun #063 - Matrixfeuer

Mitherausgeberin Maike Hallmann, selbst Autorin dieser Reihe, hat durch einen Wettbewerb die vielversprechensten neuen Talente der deutschen Shadowrunszene ermittelt und lässt sie hier kraftvoll zu Wort kommen. 
vom Backcover von Matrixfeuer

Um herauszufinden, ob einige literarische Talente in der deutschsprachigen Shadowrun-Gemeinschaft stecken, wurde ein Kurzgeschichten-Wettbewerb von Maike Hallmann und Fanpro ausgeschrieben. Die jungen Autoren sollten ihre Werke einsenden und ein Jury berät dann über deren Qualität. Die Besten Geschichten, neben den Storys bereits etablierter Autoren, sind dann in eine Anthologie geflossen. Und dieses nicht einmal 300 Seiten umfassende Buch kann sich mit seinen 16 Kurzstorys durchaus sehen lassen.

Es beginnt mit einem Vorwort der Herausgeberin um dann gleich mit Maike Hallmanns „Rika“ einen Charakter zu präsentieren, der sich wohl niemals als Held eines ganzen Romans etablieren könnte. Kranker Killer trifft es wohl am besten.

Anja Brandel und Karin Lengauer stellen dann „Hunger“ vor, einen Einblick in das Leben der wirklich Armen und Verzweifelten, der Ausgestoßenen und Kleinstkriminellen. Die häufigen Perspektivwechsel stören den Lesefluss etwas, trotzdem eine gute Geschichte.

"Kontakt" von Christian Jentzsch schildert den Arbeitsalltag eines Sicherheits-Deckers, sowie das Treffen mit einer geheimnisvollen Frau in der Matrix. Durch die Marotten des Deckers und die interessante Hommage an alte Comichelden, gewinnt die Geschichte einiges an Unterhaltungswert hinzu. Das Bekanntschaften im Netz Probleme nach sich ziehen, ist auch hier keine Ausnahme.

In Olka Hallwasz' „Nachtschicht“ erlebt der Leser den Arbeitstag eines gewöhnlichen Sicherheitsbeamten. Dieser Alltag wird dann aber durch einen Shadowrun durchbrochen und der Wachmann vor eine folgenschwere Entscheidung gestellt. Sehr schöne Charaktere und eine ansprechende Atmosphäre.

Mit „Methan-Bolismus“ liefert Markus Heitz die schwächste Geschichte des Bandes. Es soll ja Leute geben, für die sind Furzwitze das Größte. Für mich nicht. Ein trollischer Shadowrunner, der seine Teamkollegen im Wagen bewusstlos furzt, wobei der ganze Leidensweg detailiert beschrieben wird, darauf hätte ich verzichten können.

Wer „Wiener Blei“ mochte, wird sich vermutlich auch mit Christian Michael Riessleggers „Verbrannte Finger“ anfreunden können, ist die Geschichte doch mit allerlei österreichischer Sprachkultur „veredelt“. Wer das trotzdem versteht, bekommt den letzten Einsatz zweier billiger Decker mit, die sich etwas zu weit vorgewagt haben.

Eine äußerst ungewöhnliche Eigenschaft nennt der Protagonist in André Wieslers „Lieber Arm dran“ sein eigen, nämlich einen anarchistischen Arm, der bisweilen selbstständig handelt, ohne dass dies sein Besitzer bemerkt. Was für Probleme und Möglichkeiten diese seltsame Erkrankung liefert, dass zeigt Wiesler in dieser gut lesbaren Detektivgeschichte.

„Rose“ von Thomas Palmen geht einen sehr eigenständigen Weg. Der Autor beschreibt das Leben eines Konzernbeamten in gehobener Position. Es geht diesmal nicht um Intrigen, Shadowruns oder Action, sondern um alltägliche Probleme und die Beziehung zwischen zwei Personen der Konzernwelt, die in vielen anderen Geschichten nur als gesichtslose Karrieremenschen dargestellt werden. Wunderbarer Aufbau und treffendes Finale.

„Holometabolie“ von Florian Schlüter ist wohl Kunst oder so. Ich studiere Literatur und muss meine Nase öfters in sowas stecken. Gefällt mir trotzdem nicht. Es dreht sich um einen Ich-Erzähler, der die Geschichte bis zum Tod der Frau erzählt, in die er verliebt war und an die er auch seine Geschichte richtet. Sehr wirr und sprunghaft.

Um auch das Leben auf der Straße weiter zu beschreiben, erlaubt sich Simon Möller in „Kein großer Verlust“, das Gespräch zweier Orks wiederzugeben. Ein niedriges Sprachniveau ist aufgrund der Protagonisten angebracht und betont deren Herkunft aus der Gosse... und in die Gosse. Lieb gewinnen wird man den Protagonisten nicht, dafür ist er einfach zu sehr ein A****. Aber das muss man in einer Kurzgeschichte ja auch nicht.

Das während des Kampfes zwischen Nachtmeister und Lowyr über der Skyline von Frankfurt das Leben weitergeht, das beschreibt Lara Möllers „Timing ist alles“. Eine Gruppe von Shadowrunnern führt gerade verdeckt ihren Auftrag durch, als die Drachen ihren tödlichen Reigen beginnen. Dass das nicht nur Vorteile hat, Ablenkung und so, zeigt sich relativ schnell, als die Lage eskaliert.

Mit „Mjölnir“ schickt Peter Mertens seine Geschichte um einen zwergischen Decker und dessen Schattenlaufs in der Matrix eines Konzern ins Rennen. Der Decker begeht Fehler um Fehler, prügelt sich aber immer weiter ins Netz ein, um am Ende dann sein bestes Angriffsprogramm zu starten. Sehr durchschnittlich und irgendwie auch nichts neues,

Markus Hoffmanns „In Poseidons Armen“ ist eine ziemlich lang gewordene Kurzgeschichte, in der einige Runnern ihre Schutzbefohlene aus den Klauen einer Gruppe von Ökoterroristen befreien müssen. Aber natürlich steckt noch einiges mehr dahinter. Die betonte Coolnes und Beschreibung der Charaktere lässt vermuten, dass hier Erlebnisse einer Rollenspielrunde verarbeitet wurden. Aber auch der Leser kann daran Spaß haben.

„Geisterstunde“ ist der Titel von Marion Lohes Beitrag zur Anthologie. Ein selbstloser Ork macht sich auf um verschwundene Kinder zu finden und stößt dabei auf einen seltsamen Kult. Was zunächst nach einer normalen Fantasygeschichte klingt, erhält durch den Geist, der dem Ork immer wieder Hinweise gibt und dabei auch immer mehr von sich preiszugeben scheint, machen die Geschichte lesenswert.

Horror wird ebenfalls mit „Der Todesbote“ von Stefan Sumsers geboten und zwar guter Horror! Ein Squatter wacht, noch durch Krankheit geschwächt, in den blutigen Überresten seiner Freunde auf und sucht den Mörder. Kurz, knackig und überraschendes Finale.

Wie es beginnt, so endet es auch. Maike Hallmann schließt mit „Marko“ den Band ab. Diesmal geht es um die Manipulation eines Genies und den irren Runner aus der ersten Geschichte. Das Genie erinnert bisweilen an den Film Pi, was es dem Leser, sofern er den Film kennt, aber nur einfacher macht, sich diesen Charakter und seine Ängste vorstellen zu können.

Eine Sammlung großteilig wirklich guter Geschichten. Bei einem so überzeugenden Ergebnis hoffe ich, dass bald ein weiterer Wettbewerb veranstaltet wird, der zu ebenso positiven Resultaten führt.

 


Name: Matrixfeuer {jcomments on}
Verlag: Fanpro
Sprache: deutsch
Hrsg.: Maike Hallmann & Catherine Beck
Empf. VK.: 8 Euro
Seiten: 287
ISBN: 3890645879