Shadowrun #068 - Feuerzauber

“Feuerzauber” ist nach “Shelly” und “Im Namen des Herrn” André Wieslers dritter Shadowrunroman. Protagonist ist der Runner und ehemalige Geheimagent Kyon, der sich mehr schlecht als recht mit diversen Illegalitäten im Gebiet um Dortmund in der ADL über Wasser hält. Neben seiner Vergangenheit beim Bundesnachrichtendienst, auf die im Roman nicht näher eingegangen wird, die ihm aber sehr wertvolle Cyber- und Bioware beschert hat, zeichnet sich Kyon durch seine bemerkenswert ausgeprägte Misanthropie aus. Kurz gesagt: er ist ein unausstehlicher Mistkerl. Trotzdem, oder vielleicht deswegen, schleppt er am laufenden Band Frauen ab. Da er einem Schieber einen riesigen Batzen Geld schuldet, nimmt er einen Shadowrun an, von dem er sich eine Entlastung seiner Schulden verspricht.

Doch bis der Leser zu diesem Punkt gelangt, begleitet er Kyon durch ein Leben, das man nur auf Drogen ertragen kann. Kyon erlebt bereits auf den ersten fünfzig Seiten mehr, begeht mehr verschiedene krumme Dinge und gerät öfter in Gefahr, als ein anderer in seinem ganzen Leben. Das Ganze ist eine Gratwanderung zwischen einem Charakter der intensiv auf Messers Schneide lebt und der völligen Überzeichnung der Figur. Es wirkt beinahe so, als wollte der Autor viele Ideen für Nebentätigkeiten von Shadowrunnern zusammengepackt durch Kyon ausleben lassen und das ganze dann auch noch sehr kompakt und schnell.
Die Geschwindigkeit des Romans wird durch den anstehenden Shadowrun dann in normalere Bahnen gelenkt. Eine Auftraggeberin will Daten aus einem Gebäude extrahieren und heuert dazu Kyon und einige andere Talente an. Man trifft sich, man schafft einen Plan, man führt ihn aus und gerade als man glaubt, dass alles geklappt hat, gibt es einen Verrat. Bis hierhin ist das nichts Ungewöhnliches und auch die Gruppe um Kyon mit Klemme dem trollischen Rigger, Plural der Messerklaue, KI dem Decker und der Hexe Marie wirkt wie die gewohnt bunte Zusammenstellung von starken Individuen. Wiesler gibt allen aber durch besondere Mängel, Eigenheiten und auch Ausrüstung und Auftreten genug Charakter, dass sie nicht wie Klischees wirken. Sonderlich tief dringt man aber nicht zu den einzelnen Figuren vor, selbst Kyon bleibt als Hauptfigur des Romans durch seine Machoallüren, coolen Sprüche und Arschlochigkeit nicht wirklich sympathisch.
Nach dem Verrat kommt es zu einer persönlichen Racheaktion der überlebenden Gruppenmitglieder und in der Folge davon zu einer Weltenretterstory, die die Figuren in die toxische Zone der SOX führt. Wieso die beiden verbliebenen Teammitglieder trotz ihres Shadowrunnerlebens so nette und heroische Charaktere sind, bleibt unklar, denn sie haben außer „Das was die machen wollen ist böse!“ keine persönliche Motivation. Und dass Kyon ihnen trotz seines eigentlich miesen Charakters hilft, ist auch mehr das „Riddick-Paradox“ des garstigen Schurkens mit dem goldenen Herzen. Der Abschluss des Romans ist ziemlich abrupt, als sich die Ereignisse überschlagen und dann plötzlich aufhören. Im Finale kommt aber noch einmal richtig Spannung und Geschwindigkeit auf und als Leser fliegt man nur so über die Seiten.

Das liegt vor allem an der flüssigen Schreibe Wieslers, der man den ganzen Roman durch gut folgen kann. Neben viel Action und dem, bisweilen doch etwas gezwungen wirkenden, Humor, lebt der Roman vor allem von dem mieslaunigen Kyon. Dass er kein Sympathieträger ist, sollte einigen sauer aufstoßen, denn sich mit ihm zu identifizieren fällt einem als Leser nicht gerade leicht. Feuerzauber ist ein flotter, bisweilen ordinärer und überdrehter Roman, der dem Leser viel von der Stimmung und der Welt von Shadowrun vermittelt. Somit haben wir einen soliden Shadowrunroman, wer aber lieber tief greifende Charaktere und Handlung erwartet, der sollte, auch innerhalb der Reihe, besser einen anderen Roman auswählen.

 


Name: Feuerzauber  
Verlag: Fanpro  
Sprache: deutsch
Autor: André Wiesler  {jcomments on}
Empf. VK.: 9 Euro
Seiten: 336  
ISBN: 3890645194