Shadowrun #079 - Fatimas Tränen

„Fatimas Tränen“ ist nach „Kettenhund“ der zweite Roman der Autorin für die Shadowrun-Romanreihe. Die Kenntnis von „Kettenhund“ ist für die Lektüre von „Fatimas Tränen“ nicht erforderlich, auch wenn Charaktere aus dem ersten Roman wieder auftauchen.

Der Roman dreht sich um ein bunt zusammengewürfeltes Trio von Schattenläufern, welche in Afghanistan ein islamisches Artefakt beschaffen sollen. Dabei ist diese Zusammenfassung eigentlich unpassend, denn vielmehr dient der Auftrag nur als Rahmenhandlung für die Reise der Charaktere. Und damit ist der Trip durch Afghanistan ebenso gemeint, wie die innere Reise der Charaktere. Wichert arbeitet, wie auch schon für Russland in „Kettenhund“, eine wunderbare Beschreibung des Landes Afghanistan heraus. Man erlebt als Leser hautnah mit, was Land und Leute in dieser Region der Welt ausmachen, die unzugänglichen Berge, die Wüsten, die Geschichte voller Kriege, der Freiheitsdrang und die Unabhängigkeit der Bewohner, Fehden zwischen Stämmen und den Islam als vorherrschende Religion.

Man merkt der Schreibe an, dass sich Wichert intensiv mit dem Land auseinandergesetzt hat, den Leser lässt sie durch den Hauptcharakter Voiata an ihrer Begeisterung für das Land teilhaben. Voiata ist ein Adlerschamane und lebt intensiv die Verbindung zwischen sich und seinem Totem aus. Das drückt sich vor allem in seinem Freiheitsdrang und seiner Arroganz aus, was ihm als Kommandosoldat der russischen Streitkräfte massive Probleme eingebracht hat. Er dient als Führer und Vermittler der Truppe, da er Afghanistan hervorragend kennt und seine magische Begabung der Gruppe einen großen Vorteil bei der Beschaffung des Artefakts liefert. Ihn begleiten die bereits aus dem Vorgängerroman bekannte Flechette, eine christliche Runnerin, die den Run begleitet, um die Möglichkeit zur Rache zu erhalten, sowie Reynard, der junge Sohn eines französischen Botschafters, der voll gepackt mit modernster Cyberware den besonderen Kick als Shadowrunner sucht. Jeder der drei verändert sich während der Reise durch das ungezügelte und wilde Land, stellt sich den örtlichen Gefahren ebenso, wie den inneren Konflikten. Und gerade von diesen haben Wicherts Charaktere eine Menge. Eigentlich sind quasi alle Charaktere des Romans richtig kaputte Gestalten und je mehr man von liest, desto vielschichtiger, aber auch zerrütteter erscheinen sie einem. Selbst aus dieser Gruppe sticht Voiata bemerkenswert hervor. Der Adlerschamane ist wahrlich kein Sympathieträger, ist seine Gedankenwelt doch stark abgehoben, seine Vergangenheit zu brutal und trostlos und er selbst ein richtiges Arschloch. Die große Stärke des Romans ist es, diese Charaktere auf ihrer Reise begleiten zu können. Diese Qualität können Handlung und Spannungsbogen aber leider nicht halten.

Der Roman hat sehr viele, oftmals verwirrende Sequenzen, die Träume, Visionen und Rückblenden darstellen. Dadurch wird leider nicht immer klar, was gerade geschehen ist und was der Abschnitt mit dem Rest der Handlung zu tun hat, was einen aus dem Lesefluss reißt und verwirrt zurück lässt. Auch ist öfters unklar, was für eine Funktion einige Charaktere für die Handlung haben, da sie nur auszugsweise vorkommen, wie etwa die Söldnertruppe zu Beginn des Romans. Auf diese wird zunächst detailliert eingegangen, sie taucht aber später nicht mehr auf. Verwirrend ist auch die Häufung von männlichen Homosexuellen im Roman, bzw. homosexuellen Tendenzen. Diese Häufigkeit gleichgeschlechtlicher Beziehungen lässt selbst einige DSA-Romane alt aussehen. Richtig verwirrend fand ich aber, dass nach „Kettenhund“ erneut ein an Seele und Körper vergewaltigter, schwuler russischer Kommandosoldat der Hauptcharakter des Romans ist. Zu loben gilt aber noch das sehr gute Glossar, das viele Fremdworte und spezifische Begriffe zu Shadowrun kurz und verständlich erklärt.

Zusammenfassend ist „Fatimas Tränen“ ein Reiseroman, der in das Shadowrun-Universum platziert wurde. Im Mittelpunkt stehen das Land und die Charaktere und welche Veränderungen sie auf ihrer Reise durchmachen. Die Charaktere sind innerlich zerrissen, vielschichtig und interessant und die Atmosphäre ist grandios geschildert, doch ist der Roman leider oftmals zu verwirrend und lässt den Leser irritiert zurück. Wer einen Shadowrun-Roman abseits von vermeintlich coolen Berufsverbrechern sucht, die Dinge stehlen und dann verraten werden, der sollte „Fatimas Tränen“ eine Chance geben. Doch es ist sicherlich nicht ein Roman für jedermann.

 


Name: Fatimas Tränen 
Verlag: Fanpro 
Sprache: deutsch {jcomments on}
Autor: Alex Wichert 
Empf. VK.: 9 Euro 
Seiten: 300 
ISBN: 9783890645131