Scarred Lands - Champions of the Scarred Lands

2002 erschien „Champions of the Scarred Lands“ als Kurzgeschichtensammlung, die einen Einblick in die Vielfalt des neuen d20-Settings von White Wolf geben sollte. Die zehn enthaltenen Kurzgeschichten sind von Qualität, Stil und Inhalt sehr unterschiedlich geraten. Von der Blutsee, über die belagerten Zwergenstadt Burok Torn, bis hin zu den von ihrem Gott verlassenen Elfen, finden sich viele Aspekte, Orte und Personen, die das Setting mit Leben füllen und interessant machen. 

Die erste Geschichte des Bandes heißt „Sunlight and Shadow" und ist von Anthony Pryor geschrieben worden. Er hat als Designer und Autor einige Veröffentlichungen für die Sword & Sorcery Studios vorzuweisen, dem Teilverlag von White Wolf, der sich um das d20 Material gekümmert hat. Die Geschichte von 39 Seiten dreht sich um den obersten Paladin von Mithril, einer Stadt an der Blutsee, über die ein gigantischer Golem wacht. Die Erzählung und der Schreibstil sind eher trivial; Geschichten über selbstzweifelnde und trotzdem, bzw. gerade deswegen, besonders erfolgreiche Paladine, sind nicht gerade innovativ. Und die Bedrohung der Paladine durch ziemlich motivationslose Bösewichte die auf Seiten der Schatten kämpfen ebenso. 
Mit "Journey to the Past" liefert William R. Prohaska nicht nur die schlechteste Geschichte des Bandes ab, sondern vielmehr eine der miesesten Geschichten, die ich jemals gelesen habe. Glücklicherweise ist diese Geschichte nach www.pen-paper.net die einzige Veröffentlichung des Autors. Selbst in diversen Internetforen findet man interessantere und besser geschriebene Zusammenfassungen von Rollenspielsitzungen, wobei es sich bei dieser Geschichte augenscheinlich um genau so etwas handelt. Fassungslos las ich, wie der Autor JEDE neu auftretende Figur zunächst mit genauer Angabe von Größe, Kleidung, Haarpracht und Gewicht (!) beschrieb, als wenn man die Kopfzeile eines Charakterbogens vorlesen würde. Das war es allerdings auch mit der Charakterisierung der Figur, denn in der Regel tauchen sie in der Erzählung nicht mehr nach der Vorstellung auf. Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe begleitet eine Magierin in der 30-seitigen Geschichte auf einer Reise zu einer Ruine. Es gibt keine Handlung, keine Spannung, ein paar zusammengefasste Kämpfe und viele Beschreibungen, wo eigentlich Aktionen stattfinden müssten. Verstanden habe ich das Ganze nicht. Es liest sich wie eine äußerst amateurhafte Zusammenfassung eines Rollenspielabends, an dem man ein sehr übles Abenteuer gespielt hat. Am besten ignorieren. 

Gherbod Fleming hat mit "Feast or Famine at Burok Torn" die dritte Geschichte des Bandes beigesteuert, die sich, wie der Name bereits vermuten lässt, um die Zwergenstadt Burok Torn dreht. Der Autor hat an vielen World of Darkness-Produkten mitgearbeitet, hat also zumindest eine gewisse Erfahrung im Schreiben, was man der Geschichte auch anmerkt. Es geht auf knappen 21 Seiten um einige Bittsteller, die König Thain der belagerten Zwergenstadt Burok Torn ihre Aufwartung machen und ihn um Hilfe für ihre belagerten Städte anflehen. Obwohl die beschriebene Szene während eines Festes stattfindet, wird die verzweifelte Lage der Stadt gut vermittelt. 

Mit 44 Seiten stellt "Three Dreams of Belsameth" von James Stewart die längste Geschichte des Bandes und mit die beste. Es geht um einen Priester der Elfen, deren Gott im Krieg gegen die Titanen verschwand. 150 Jahre nach Ende des Krieges verlässt der Priester endlich den Tempel seines vergessenen Gottes, um die Erinnerung an ihn wiederzufinden. Dabei muss er einen Pakt eingehen, der ihn vielleicht zum Ziel, sicherlich aber in die Verdammnis führt. Dieser Konflikt ist ganz interessant, was auch durch die gute Schreibe des Autors, der diverse Bücher für White Wolf verfasst hat, verstärkt wird. Die Erzählung ist zweigeteilt und wird zum Einen aus der Sicht des Priesters und zum Anderen aus der Sicht von zwei Kopfgeldjägern erzählt. Das Ende ist etwas verwirrend, was der ansonsten guten, interessanten, allerdings sprachlich bisweilen recht derben Erzählung aber nur bedingt schadet. 

Keith Sloans "Merrin's Tale" ist eine seiner wenigen Veröffentlichungen und mit 18 Seiten nur eine kurze, aber keine schlechte. Ein Magier überrascht zwei Diebe in seinem Turm und stellt sie vor die Wahl, entweder einen Auftrag anzunehmen oder sich der Stadtwache zu stellen. Die Diebe nehmen an und während einer von ihnen als Pfand zurückbleibt, wird die andere auf ihre Queste geschickt, Titanenblut von einer Hag zu stehlen. Nette Abenteuergeschichte, auch wenn sie etwas generisch daherkommt. 

Eric Griffin ist vor allem für seine Romane für die World of Darkness bekannt. So verwundert es auch nicht, dass er mit "A Game of Silk and Mirrors" eine Geschichte vorlegt, die sich vor allem um Intrige, Politik und das Spiel der Mächtigen dreht. Obwohl die Geschichte an sich auf einer guten Idee beruht, durch Kleinigkeiten wie die Gestensprache lebendiger wird und an einem sehr fantasievollen Ort spielt, kann sie ihr Potential auf gerade mal 20 Seiten nicht entfalten. Intrigen, Fehden und politische Spiele in eine Kurzgeschichte zu packen ist problematisch, auch wenn die Auflösung der Geschichte dies etwas wettmachen kann. 

Mit gerade mal zehn Seiten ist "Love Incarnate" von Stewart Wieck die kürzeste Geschichte des Bandes. Vermutlich hatte er nicht mehr Zeit, denn wenn man sich die Liste seiner Veröffentlichungen für White Wolf ansieht, so scheint er fast überall seine Finger im Spiel zu haben. Die Geschichte gibt einen Einblick in das Leben eines Druiden, der sich in einen Fuchs verwandelt und die Liebe nicht nur dieses Lebens, sondern aller seiner Inkarnationen findet. Auch wenn die Geschichte an sich eher durchschnittlich und vorhersehbar ist, so gibt sie doch einen interessanten Einblick in die druidische Lebens- und Sichtweise. 

"Tie Your Own Rope" von Brian Williams, der vor allem als Illustrator für TSR bekannt wurde, umfasst 30 Seiten und ist ziemlich satirisch ausgefallen. In der Geschichte geht es um einige Rattenmenschen, die einen örtlichen Helden zu sich locken wollen, indem sie eine Menschenfrau entführen. Neben einer überraschenden Plotwende, besticht die Geschichte vor allem durch die amüsanten Pläne der Rattenmenschen. 

Alejandro Melchor hat Dutzende d20-Titel für Mongoose Publishing geschrieben, nachdem er die Kurzgeschichte „“The River's Flow“ für diese Anthologie geschrieben hat. Damit ist er neben Brian Williams und William R. Prohaska der einzige Autor der Sammlung, der nicht aus dem Dunstkreis der White Wolf-Lohnsklaven kommt. In der 24-seitigen Geschichte trifft ein alter Druide auf eine Mönchin, die ihm vor Augen führt, wie sehr er sich in einen Aspekt seines Glaubens hineingesteigert hat. Eine gut zu lesende und interessante Charakterentwicklung, gerade bei dem geringen Umfang. 

Die letzte Geschichte des Bandes stammt von Carl Bowen, der als Lektor an einer riesigen Palette von White Wolf-Titel mitgearbeitet hat. Seine Kurzgeschichte "Thief's Mark" erzählt von einem eigentlich ganz freundlichen halborkischen Straßenräuber, der eine geistig verwirrte Person befreit und diese später geschickt wieder einzufangen weiß. Die Gutherzigkeit und die Akzeptanz Dinge gerade zu rücken, lassen ihn irgendwie sehr als Spielercharakter erscheinen. Das macht ihn zwar etwas unglaubwürdig, aber auch sympathisch. 

Mir ist völlig unklar, wieso der Herausgeber eine unterdurchschnittliche Geschichte zuerst und eine keinesfalls zumutbare Erzählung als zweites in die Kurzgeschichtensammlung gepackt hat. So etwas schreckt doch nur Leser ab, denn später wird es durch die anderen Geschichten interessanter und auch sehr viel besser. Man sollte noch erwähnen, dass es sich bei dem Band, um ein amerikanisches Taschenbuch handelt. Diese Bücher sind mit deutschen Büchern nicht zu vergleichen; das Papier ist dünner und dunkler, die Bindung betoniert und die Pfalz so gelegt, dass man die Bindung fast brechen muss, um alles lesen zu können. Wer nur deutsche Bücher kennt, wir hier irritiert den Kopf schütteln. 

Insgesamt ist die Anthologie nur etwas für diejenigen, welche die Scarred Lands kennen lernen möchten. Die breite Auswahl von Themen, Orten und Charakteren bringt einem das Setting leicht näher, doch ist der Band aufgrund der eher durchwachsenen Qualität der Erzählungen nicht für Leute außerhalb dieser Interessensgruppe zu empfehlen.


Name: Champions of the Scarred Lands
Verlag: Sword & Sorcery Studios
Sprache: englisch
Autor: Steward Wieck (Hrsg.)
Empf. VK.: 6.50 US-Dollar {jcomments on}
Seiten: 284
ISBN: 1588468089