Engel - Der Schwur des Sommerkönigs 2 - Terra Incognita

Der zweite und letzte Teil des „Der Schwur des Sommerkönigs“-Zyklus zum Rollenspiel „Engel“, „Terra Incognita“, setzt recht nahtlos da an, wo „Terra Nova“ endete. Die Angeliten sind in Britannien eingefallen und die beiden Erzählstränge des ersten Buches haben sich bisher noch nicht gekreuzt. Auch Band zwei wurde von Verena Stöcklein und Thomas Plischke verfasst, die auch an den Quellenbänden des Rollenspiels schon viel mitgearbeitet haben. Somit ist gewährleistet, dass auch bei Band 2 die Treue zum Hintergrund gehalten wird.
Die Treue zur deutschen Sprache wurde dagegen nicht so vorbildlich gehalten. Damit will ich gar nicht kritisieren, dass Feder&Schwert auch weiterhin tapfer an der alten Rechtschreibung festhalten, sondern dass Korrektor Lars Schiele besser noch einmal über den Text gelesen hätte. Neben einigen, wenigen Tippfehlern stolpert man immer wieder über Trennungsfehler, fehlende Satzzeichen und andere Kleinigkeiten. Unschöne Kleinigkeiten, nichtsdestotrotz.
Das Buch tut sich zudem auch merklich schwer, die Fahrt wieder aufzunehmen. Nachdem – Achtung, es folgen einige eventuell spoilernde Rückblicke auf Band eins – die Schar um die Urielitin Madrigel und den Michaeliten Lumael die Landung an der Küste nur mit einem schweren Verlust verkraften konnte und sich der im Untergrund arbeitende Sarielit Joel mit seinem menschlichen Begleiter George parallel dazu dem Sommerkönig gegenüber sah, gleicht der erste Part des zweiten Buches etwas der Stille direkt nach dem lauten Knall.

Zwar werden notwendige Entwicklungen eingeleitet, die zu dem packenden und spannenden Finale von „Terra Incognita“ hinführen werden, doch geschieht das eher langsam.

Madrigels Schar sieht sich mit dem Gabrieliten Doriel konfrontiert, der als einziges Mitglied seiner Schar die Anlandung überlebt hat und nun verbittert über die selbstsüchtigen und zugleich suizidalen Befehle seiner Michaelitin erst einmal wieder auf den rechten Pfad zurück geführt werden muss. Joel dagegen macht sich unter Georges Protesten auf die Spur des Sommerkönigs und stößt dabei auf einen Heiden namens Locksley, der mit seinen Mannen in einem dichten Wald haust und darauf harrt, den Eroberern einen Strich durch die Rechnung zu machen.
Wenn sich diese Entwicklungen erst einmal ihren jeweiligen Enden zu nähern scheinen, kommt das Buch auch wieder richtig in Schwung, aber man muss einige Kapitel lang ein kleines Bisschen guten Willen mitbringen.

Sprachlich können Plischke und Stöcklein durchaus wieder punkten. Sie schaffen es oft mit wenigen Sätzen, Personen sauber zu beschreiben. Auch gelingt es ihnen immer wieder, die etwas verquere Weltsicht der Engel sauber zu beschreiben. Das gilt für den Glauben der Angeliten genauso wie für ihrer Hierarchie: Warum der erfahrene Doriel dennoch dem unerfahrenen Lumael untersteht, da dieser Michaelit ist, oder warum ein Templer zwar kein heiliges Wesen wie ein Engel ist, diese aber gleichwohl von höherer Befehlsgewalt unterrichtet sein können, nämlich den hohen Würdenträgern der Kirche – all das vermittelt das Buch gut. Ein kleines Highlight für mich war die Präsentation der Michaelis-Lanze, deren ritueller Wert aus dem Buch fast auf einen direkt überzuspringen scheint.
Die Darstellung der einzelnen Figuren ist ebenfalls toll; gerade rund um Lumaels Schar erzeugt Doriel ein wunderbares Maß an Aufregung, dass den vertrauten Engeln aus Band eins direkt zu neuer Tiefe verhilft. Doch auch Joel und George wachsen an ihrer Aufgabe hinter den feindlichen Linien. Bemängelte ich am ersten Band noch, dass der Sarielit und sein menschlicher Begleiter gegen Ende eher stören als mitziehen, so sind sie in Band zwei den anderen Charakteren gegenüber zumindest ebenbürtig.
Schade ist dagegen, dass durch die starke Fokussierung auf die zwei eher kleinen Personengruppen und den – gemessen am Feldzug – doch eher geringen Umfang der Duologie das „große Ganze“ etwas ins Hintertreffen gerät. Zwar kann man sich die Gesamtlage immer ungefähr zusammenreimen, wenn man die Informationen aus beiden Handlungssträngen miteinander verbindet, aber man bleibt letztlich doch uninformiert. Zwar erlebt man einige das Gesamtbild sehr beeinflussende Ereignisse durchaus direkt mit – für Kenner seien die Namen Franz von Kassel und Ingvar Bjorkson genannt – doch gerade der Ausgang des Krieges wird für jeden, der nur die Romane liest, komplett offen bleiben. Den Geheimnissen aus dem Hain des Firmaments, wie sie im Quellenband „De Bello Britannico“ beschrieben werden, kommen die handelnden Charaktere beispielsweise nicht einmal nahe.
Auch nicht so ganz überzeugt hat mich der Sommerkönig selbst. Dadurch, dass er auch dieses Mal wieder nur eher kurz auftritt, die wahre Tragweite der mit ihm verbundenen Implikation, die Joel schon im ersten Band bemerkte, nur selten aufgegriffen werden kann und seine Kräfte auch einzig und alleine direkter, destruktiver Natur sind, ist das erzählerische Potential dieser Gestalt leider recht gering respektive ungenutzt.

Insgesamt ist „Terra Incognita“ ist kein schlechter Roman geworden, fällt für mich allerdings zumindest einen Halbnotenschritt gegenüber seinem Vorgänger ab. Die Handlung braucht im ersten Akt zu viel Zeit, um wieder Fahrt aufzunehmen, der Krieg bleibt zu schleierhaft und der Sommerkönig bleibt als Widersacher blass. Toll ist dagegen die Auflösung des Buches an sich, in der eigentlich alle Handlungsebenen – Lumaels Schar, Doriel, Joel und George sowie die Würdenträger der Kirche auf der einen, der Sommerkönig auf der anderen Seite – in einem spannenden Finale kulminieren, wo gleich eine Reihe von Charakteren ihre Katharsis finden können.
Wer „Terra Nova“ gelesen hat und wissen will, wie es ausgeht, der kommt an „Terra Incognita“ ohnehin nicht vorbei. Alle anderen mit Faible für den „Engel“-Hintergrund kommen an dem Buch aber eigentlich auch nur schwer vorbei, alleine aufgrund des starken Vorgängers.
Wer sich in dem Hintergrund nun aber gar nicht auskennt oder ihn sogar nicht mag, der sollte erst einmal Probe lesen. Plischke und Stöcklein schreiben toll und wer weiß, vielleicht ist „Der Schwur des Sommerkönigs“ ja genau das richtige Buch zum Einstieg...

 


Thomas Plischke und Verena Stöcklein
Engel – Der Schwur des Sommerkönigs 2: Terra Incognita
272 Seiten Softcover
Feder & Schwert{jcomments on}
ISBN: 3-937255-46-X