Engel - Hiobs Botschaft 1 - Brandland
Normalerweise sind Romane zu Rollenspielwelten ja immer eher ein Nebenprodukt des Erfolges. Die Vampire-Clansromane wären niemals da gewesen, wenn "Vampire: die Maskerade" nicht so ein Hit gewesen wäre und auch die große Zahl der mittlerweile erschienenen DSA-Romane bezeugt diese Aussage.
Im Falle der ersten Romantrilogie zum Rollenspiel "Engel" ist die Lage bereits eine andere. Denn das Projekt startete direkt auf mehreren Ebenen durch; so gab es neben dem Grundregelwerk auch etwa direkt eine Audio-CD von "In the Nursery" und den wunderbaren Comic "Pandoramicum" von Kai Meyer und Dieter Jüdt. Doch auch die Romantrilogie "Hiobs Botschaft", deren erster Band "Brandland" nun vor uns liegt, war von Anfang an angekündigt und trägt, wie auch die meisten anderen Produkte der Reihe, den Metaplot langsam voran.
Schon die Beteiligung von Oliver Hoffmann erweckt da durchaus eine gewisse Hoffnung, ist er doch nicht nur einer der Verlagsleiter, sondern eben auch einer der beiden Macher des Rollenspiels selber. Eine Treue zum Hintergrund kann also erwartet werden.
"Brandland" handelt von dem Engel Calliel, der auf dem Weg zu einem Kloster von einer Gruppe Kreaturen der Traumsaat attackiert wird und dabei seine Flügel verliert. Fortan als Verstoßener beider Welten, flügellos unter den Engeln und Scriptura tragend unter den Menschen, beginnt er die Welt mit neuen Augen zu sehen.
Fortan nennt er sich Hiob und macht sich auf und versucht einer Vision u folgen, die er hat und die, wie er glaubt, direkt vom Gott kommt. Doch auf seiner Reise gerät er nicht nur an allerhand mehr oder wenige freundliche Menschen, sondern auch etwa an ein Regiment Beutereiter sowie den geheimnisvollen Söldling Wittgenstein, deren Wege sich alle auffällig mit seinen zu kreuzen scheinen.
Verwoben ist all dies noch mit den Erlebnissen von Calliels alter Schar, die ihrerseits darunter zu leiden haben, dass die Angelitische Kirche der Meinung ist, dass sie wohl etwas zu unorthodox und forsch an ihre Aufgaben herangehen.
Die Handlung des Bandes ist dabei in all ihren Erzählebenen durchaus sehr schön geraten. Es passiert eigentlich recht viel, jedoch wirkt nicht überstürzt oder erzwungen, es fügt sich einfach alles sauber zusammen. So legen Rast und Hoffmann einzelne Handlungsfäden dann auch mal für ein Drittel des Buches beiseite, nur um gegen Ende wirklich bereits ein Zusammentreffen aller Spuren andeuten.
Überhaupt funktioniert der Roman eben nicht nur als spannende Einzelgeschichte, sondern auch als schöne Exposition auf die ganze Trilogie – und auf die Hintergrundwelt an sich. Es werden viele Charaktere vorgestellt, deren Schicksale alle wichtig zu sein scheinen und welche man dann wohl auch in den verbleibenden zwei Bänden noch öfter antreffen wird.
Viele Elemente des Hintergrunds werden elegant eingebracht, gerade das Schicksal und der Ursprung der Engel, wozu ein Kenner des Grundregelwerks wohl leicht etwas sagen könnte, wird hier geschickt angedeutet, so dass auch ein Neueinsteiger die notwendigen Ideen bekommen kann. Noch wird nichts explizit gesagt, aber ich denke, gerade für Leute ohne Kenntnis der Welt dürfte es spannend sein mehr über Beutereiter und den Kirchenzehnt zu erfahren.
Ebenfalls gut gefallen haben mir die Graustufen, die hier in der Beschreibung gewählt werden. Hiob ist nicht frei von Fehlern, ebenso wie der Komtur der Beutereiter-Rotte, auf die er trifft, eine interessante Persönlichkeit ist. Gleiches gilt für Wittgenstein und irgendwo auch für die Mitglieder der Kirche, die sich eben auch nicht alle gleichen wie ein Ei dem anderen.
Neben der inhaltlichen Komponente ist auch durchaus die Sprache des schön gestalteten Bandes zu loben. Es wird ein gehobenes Deutsch gepflegt, Charaktere werden sehr treffend beschrieben und in Szene gesetzt, sprechende Namen und angedeutete Details erfreuen den Leser und insgesamt lässt sich das Buch auch gut herunter lesen. Zwar wäre die eine oder andere Zusatzinformation im Text wohl noch ganz gut aufgehoben gewesen, aber insgesamt sind die beiden Verfasser hier deutlich zu loben.
Es gibt auch einen Glossar am Ende des Bandes, der Neueinsteigern die Lektüre sicherlich erleichtern kann, wenn ich auch persönlich nicht den Eindruck hatte, dass dies andernfalls sehr schwer gewesen wäre.
Die meisten Institutionen werden nicht einfach nur genannt, sondern auch dargestellt und ihr Zweck ist jeweils schnell offenkundig. Es wird recht viel zum Leben innerhalb von Klostermauern, zur Hierarchie innerhalb der Kirche sowie bei den Engeln untereinander und zur normalen Bevölkerung berichtet, so dass man auch nicht von der recht großen Zahl an durch die Welt spezifisch geprägten Begriffen hängen bleibt.
Somit kann man abschließend klar unterscheiden: wer pure Action oder aber harte Fakten will, der ist mit "Brandland" schlecht bedient. Wer aber eine atmosphärische Geschichte zu würdigen weiß und vielleicht noch etwas Interesse am Engel-Universum hat, der sollte sich den ersten Band von "Hiobs Botschaft" mal genauer besehen; er wird mit einer richtig guten Erzählung belohnt werden. Für mich ist es einer der besten Rollenspiel-Romane seit langem und ich kann nur hoffen, dass die beiden Folgebände diese Qualität halten werden.
Severin Rast und Oliver Hoffmann
Engel: Hiobs Botschaft 1
Brandland
221 Seiten
Softcover{jcomments on}
Feder & Schwert
ISBN: 3-935282-22-2