Exalted - In Northern Twilight

Arianna ist eine im kalten Norden zurückgezogen lebende, nur an Büchern interessierte junge Frau, die allerdings eines Abends von der Unconquered Sun erwählt wird und zu einem Mitglied der Twilight Caste exaltiert. Das ignoriert sie erst einmal so gut sie kann und setzt ihre Studien fort, wird allerdings eines Abends von der Wyld Hunt aufgespürt und muss fliehen.
Auf dieser Flucht trifft sie auf Swan, der eigentlich aus dem warmen Coral Archipelago stammt und in brisanter, politischer Mission unterwegs ist. Er trifft auf Arianna, als auch gerade ihre Häscher aufgeholt haben, geht mutig dazwischen und wird, vielleicht aus Belohnung, ebenfalls exaltiert.
Gemeinsam bezwingen die beiden frischen Anathema die Hunt und fliehen weiter, was sie letztlich ins Heerlager von Yurgen Kaneko führt. Dieser ist besser als Bull of the North bekannt und nicht nur das Wuchtigste, was die Creation derzeit an Solar Exalted überhaupt beherbergt, sondern auch gerade gemeinsam mit seiner Hexe Samea auf dem Vormarsch gen Realm.
Die beiden jungen Anathema müssen sich entscheiden: Versuchen sie, zu fliehen, zu ihren normalen Leben zurückzukehren oder schließen sie sich Kanekos Offensive an? Was auch immer sie tun, eine große Schlacht liegt bereits in der Luft, denn auf der Blessed Isle hat man offenbar beschlossen, die Eroberungen des Bull of the North nicht weiter zu dulden und sendet eine eindrucksvolle Armee voller Dragonblooded und Warstrider gen Norden.
Man merkt, der dritte der nach oben hin offen gestalteten Reihe (mittlerweile gar nicht mehr so) neuer Exalted-Romane weicht von dem bislang bekannten Schema ab. Ging es in dem ersten Roman um die Erlebnisse von Harmonious Jade und Dace in der zentral gelegenen Stadt Nexus und im zweiten erneut um Dace, der nach wie vor in den Scavenger Lands unterwegs war, so entführt uns der dritte Roman in den hohen Norden und lässt alle bekannten Charaktere hinter sich zurück.
Naja, das ist natürlich auch nur bedingt wahr, sind Swan und Arianna doch genauso wie Dace und Jade zwei der fünf Signature-Charaktere des Systems. Aber wer jetzt die Rollenspiel-Bücher zu „Exalted“ nicht kennt, den erwartet jedenfalls viel Neues. Das ist doppelt zu verstehen, denn da „In Northern Twilight“ die entscheidende Zeit direkt nach der Exaltation der beiden beschreibt, wurde das seinerzeit in den entsprechenden Caste Books auch schon einmal erzählt. Ebenso ist die Schlacht vom Bull of the North gegen das Heer der Dragonblooded ein Stück Geschichte und daher in groben Zügen bekannt, wenn auch bisher noch nie aus erster Hand geschildert worden.
Kurz und gut: wer richtig tief im Hintergrund steckt, dem könnte der vorliegende Roman etwas redundant erscheinen.

Ich tue das eigentlich nicht, insofern habe ich mich mit Freude auf das Abenteuer der beiden eigentlich sehr unterschiedlichen Charaktere gestürzt. Swan ist so sehr darin bewandert, mit seinen Mitmenschen den Umgang zu pflegen, wie Arianna es ist, ihnen aus dem Weg zu gehen. Von vielen Leuten habe ich gehört, dass sie mit der Einzelgängerin ihre Probleme hätten und es ist klar warum: Arianna ist ihren Mitmenschen gegenüber sehr feindlich eingestellt und kleidet das nicht in Witz und Sarkasmus, sondern reine Verbitterung. Das ist kein angenehmer Umgang und es ist schwer, sich auf den Bücherwurm einzulassen.
Andererseits ist Swan ein absolut liebenswerter Charakter. Es wirkt zwar abseits des Paradigmas des Hintergrundwelt etwas unüblich, dass er einerseits perfekter Diplomat und Meister der Umgangsformen ist, andererseits aber auch exzellenter Könner des waffenlosen Nahkampfes ist, aber innerhalb von „Exalted“ geht das in Ordnung.
Was das Buch in meinen Augen aber sehr auszeichnet ist die Art, wie der Meisterdiplomat beständig versucht, das Vertrauen Ariannas zu erlangen. Es ist glaubwürdig, es ist wahrhaft liebevoll und dennoch nicht überzogen. Es macht irgendwie schon Spaß, sein subtiles und höfliches Werben zu verfolgen und die Szenen zwischen den beiden sind einfach gelungen.

Auch die anderen Charaktere sind ganz nett geraten, zumindest alle, die keine Dragonblooded sind. Sowohl die sterblichen Diplomaten aus dem Archipelago wie aus Yurgen Kaneko und seine Mystikerin Samea sind sympathisch, glaubhaft geschildert und funktionieren auch einfach als Charaktere abseits ihrer Notwendigkeit in der Handlung. Sie sind mehr als Requisite, sozusagen.
Das kann man leider von den Dragonblooded nicht sagen. Ein Paradebeispiel der Wyld Hunt wird gleich zu Beginn recht aufwendig eingeführt, spielt aber in dem Buch allenfalls eine minimale Rolle. Abseits dessen gibt es noch einen, der es später einmal auf Swan abgesehen hat – aber auch von erfahren wir eigentlich nicht mehr, außer, dass er es auf Swan abgesehen hat. Es ist schade, dass die Diener der Blessed Isle dadurch so sehr zu Abziehbildern werden. Die glaubwürdige Schilderung der Widersacher aus Carl Bowens „A Day Dark As Night“ wird also auch hier wieder nicht erreicht.
Immerhin ist es aber erfreulich gewesen, dass es dieses Mal nicht wieder Abyssal Exalted im Auftrag von Walker in Darkness sind, wie in den bisherigen beiden Romanen. Creation ist ein endlos großes, variantenreiches Setting und es ist schön, dass das in diesem Buch einmal etwas deutlicher wird. Der kalte Norden, die Inselreiche, die Blessed Isle, das Königreich von Halta – vieles wird hier einmal gestreift und deutet an, was diese Welt noch alles zu bieten hat.

Neben den flachen Widersachern hat mich vor allem aber der etwas, sagen wir mal eingeschränkte Wortschaft Hartleys an dem Buch gestört. Sie erzählt eine schöne Geschichte und baut tolle Charaktere, hat aber so einige Lieblingswörter, die dann ein Mal pro Seite fallen und das wirkt auf Dauer einfach etwas unelegant. Das gilt besonders für die Wendung „he/she/it frowned“ und alle verwandten Varianten. Bekäme man für jedes Mal, wo dieses Verb verwendet ist, einen Euro, könnte man im Anschluss vermutlich das Exalted-Regelwerk und mehrere Fatsplats von dem verdienten Geld kaufen.
„In Northern Twilight“ ist Hartleys erster Roman und darum sei ihr das noch mal vergeben – nicht aber dem Lektor, dem das auch hätte auffallen müssen, wenn er das Buch wirklich gelesen hätte. Aber Lektoren und die Rollenspielszene, ich fürchte, das ist ein Thema, dass niemals enden und ewig einen faden Beigeschmack haben wird.

„In Northern Twilight“ macht aber definitiv Spaß. Wie schon die beiden vorigen Romane, so ist auch dieser Band reine Unterhaltung und so trivial, wie nur irgend denkbar. Aber das ist ja in Ordnung, es wurde ja auch niemals was anderes angestrebt. Das Buch ist unterhaltsam und, von kleinen Makeln abgesehen, auch gut geschrieben.
Wen das Thema interessiert, ganz gleich ob er die vorigen Bände kennt oder nicht, kann ohne Probleme mal einen Blick riskieren. Wer an den Vorgängern Spaß hatte, der sollte es sogar definitiv tun. „In Northern Twilight“ ist sein Geld dicke wert.


Jess Hartley
In Northern Twilight
286 Seiten Softcover
White Wolf
ISBN: 1-58846-861-5{jcomments on}