Brom: Der Kinderdieb

Als ich Der Kinderdieb auf einer Convention gewann, war ich ziemlich zufrieden. Das dicke Hardcover war interessant aufgemacht und die wenigen Infos, die ich vorab dazu gelesen hatte, klangen auch ganz interessant. Der bekannte Fantasy-Künstler Brom hat seine eigene, düstere Version der Geschichte um Peter Pan geschrieben und auch dazu gleich noch illustriert.

Mit dem Disney-Peter-Pan hat der titelgebende Kinderdieb ziemlich wenig gemein. Vielmehr führt er  im Namen der Herrin des Sees einen bereits sehr lange andauernden, beidseitigen Vernichtungskrieg gegen einige Erwachsene in der phantastischen Welt Avalon und rekrutiert dafür Aussteiger und Ausreißer auf unserer Welt. Diese dürfen jedoch ein gewisses Alter, bzw. eine gewisse Reife noch nicht erreicht haben, weil Erwachsene in dieser Welt eine grausame Veränderung durchmachen. Aber selbst der Weg nach Avalon ist gefährlich  ...

Wenn man den dicken Band dann aufschlägt, wird einem schnell klar, dass man nicht so viel Inhalt geboten bekommt, wie der Umfang zuerst suggeriert. Die Schrift ist sehr groß geraten, was natürlich dem Lesekomfort dient, aber eben auch weniger Buchstaben auf einer Seite ermöglicht. Zudem gibt es an jedem Kapitelbeginn eine schwarz-weiße Zeichnung, ergänzt von großartigen, ganzseitigen Farbbildern in der Mitte des Buches. Das Problem daran ist nur, dass man dort auch bereits einige Figuren sieht, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Erscheinung getreten sind. Was wieder ein Problem der Geschichte darstellt, denn einige Antagonisten und Schauplätze kommen erst spät und auch recht überraschend in der Erzählung hinzu.

Der Kinderdieb ist dafür recht actionlastig und die dazugehörigen Beschreibungen auch ziemlich blutig, aber leider auch repetitiv. So wird sich sicher mehr als ein Leser im Handlungsverlauf fragen, wieso eine der häufigsten Todesursachen der Piraten und Kinder ein abgetrennter und wegfliegender Kopf ist. Moment mal, sterbende Kinder? Ja, wie eingangs geschrieben, ist es nicht nur eine düstere Version der Geschichte, sondern eben auch ein Krieg. Peter verheizt geradezu immer wieder Kinder in dem Krieg, den er in blindem Gehorsam für die sterbende Herrin des Sees führt, weswegen er auch ständig neue in unserer Welt entführen muss. Auf der anderen Seite führen die Erwachsenen einen religiös motivierten  Vernichtungskrieg gegen alle phantastischen Elemente der Welt, sei es nun durch das Verbrennen der mystischen Wälder, dem Töten der angeblich von Dämonen besessenen Kinder oder dem Fangen und Verzehren von Feen, was ihnen auch den Titel Fleischfresser eingebracht hat. Das Avalon Broms ist eine sterbende Welt, die sich im Kampf gegen die Erwachsenen radikalisiert und dadurch auch einen Teil ihrer selbst verloren hat.

Klingt spannend, oder? Ist es leider nicht. Brom gelingt es bei weitem nicht die gleichen Stimmungswelten durch seine Worte zu erzeugen, die seine Bilder kreieren. Die Motivation der Figuren bleibt ebenso wie charakterliche Veränderungen nicht unbedingt einleuchtend. Wenn eine Figur mal spontan ihre Meinung um 180° dreht, dann runzelt man nur irritiert die Stirn, wieso sie das gerade jetzt tut, wo sie doch Jahrhunderte kein Problem mit ähnlichen Aktionen hatte. Auch sonst bleiben die Charaktere eindimensional, vor allem Ulfger, der einfach böse ist und dessen Funktion für den Roman allgemein auch eher dünn ist.

Ich kann Der Kinderdieb daher leider nicht empfehlen. Anstatt eine düstere Variante der bekannten Geschichte zu verfassen, vergeht sich Brom in unglaubwürdigen und vor allem unsympathischen Charakteren, einer holprigen Dramaturgie, vielen Wiederholungen in den Beschreibungen und einer irgendwie wenig bekömmlichen Zusammenstellung verschiedenster Mythen. Schade.


Titel: Der Kinderdieb
OT: The Child Thief
Autor: Brom
Verlag: PAN-Verlag
ISBN: 978-3-426-28329-5
Seitenzahl: 664 Seiten, gebundene Ausgabe
Preis: 16,95 Euro{jcomments on}