Cline, Ernest: Ready Player One

Man stelle sich vor, da kommt wer daher, der hat noch nie ein Buch geschrieben. Dann tut er das, und plötzlich wird er via Booklist gepriesen, von Charlaine Harris, Patrick Rothfuss und Terry Brooks gelobt und John Scalzi nennt sein Buch einen „nerdgasm“. Was mag das wohl für ein Buch sein?
Ein sehr, sehr seltsames, aber sehr, sehr gutes Buch.

Ready Player One wurde von Ernest Cline geschrieben. Wer schon einmal von dem Film Fanboys gehört hat; Cline schrieb das Drehbuch dazu. Wer nicht davon gehört hat, der hat vermutlich auch von dem Autor noch nichts gehört.
Die Geschichte spielt in einer dystopischen Zukunft. Was einst als MMO begonnen wurde, bestimmt mittlerweile das Leben aller Menschen: die OASIS. Dahinter verbirgt sich gewissermaßen der Nachfolger des Internets, immersiv, eine potentiell alle Sinne ansprechende Simulation mit einer ungeahnten Vielzahl von Welten. Alles, was an Popkultur einmal war, ist potentiell dort vorhanden. Leute gehen auch dem Planeten Ludus zur Schule, besteigen dann nach dem letzten Gong ihren X-Wing und fliegen zum Planeten Gygax, um in tiefe Katakomben herabzusteigen. Alles ist möglich in der OASIS.
Doch es gibt noch ein weiteres Element: Der Erfinder der OASIS, Halliday, war auch der Inhaber aller Rechte daran – bis zu seinem Tod. Anlässlich dessen ist ein Video veröffentlicht worden, das von einem „Easter Egg“ kündete, das Halliday irgendwo in der OASIS versteckt habe. Um das zu finden, müsse man die drei Schlüssel, Kupfer, Jade und Kristall, finden und damit drei Tore öffnen. Derjenige, der diese Queste zuerst bewältigen würde, würde alles erben, was Halliday besaß. Inklusive der Herrschaft über die OASIS.

Auftritt des jungen Protagonisten Wade, oder, wie er sich in der Simulation nennt, Parzival. In der wahren Welt ist er ein relativ mittelloser Außenseiter, doch die Suche nach dem Versteck des Easter Eggs kommt ihm entgegen. Denn Halliday selber liebte die 80er Jahre wie keine andere Epoche und so sind alle Schritte, alle Aufgaben auf dem Weg zur Lösung gespickt mit Referenzen auf die Popkultur jener Epoche, von Atari-Spielen bis zu Filmen wie Wargames.
Und darin liegt auch direkt der größte Reiz des Buches, denn Cline versteht es gekonnt, all diese Elemente zu vermischen und zugleich den MMO-Wurzeln der OASIS Rechnung zu zollen, indem er aus all dem ein wildes Potpourri an Elementen generiert, dem man nur schwer widerstehen kann. Das Gefühl von Abenteuer und Unbeschwertheit in der OASIS steht dabei in hartem Kontrast zur tristen Wirklichkeit des Jahres 2044, was das Buch jedoch genau im richtigen Maße zu erden versteht.

Die Geschichte selber ist jedoch ebenfalls spannend und reich an Konflikt. Die OASIS ist mehr oder weniger kostenlos für jeden Menschen zugänglich – kommerzieller Irrsinn, wie man auch beim bösen Konzern IOI denkt. IOI schicken daher ganze Heerscharen auf die Suche nach dem Ei und planen, wenn sie auf diesem Wege erst mal die Rechte geerbt haben, das maximale Kapital aus Hallidays virtuellem Traum zu schröpfen.
Somit kämpft Parzival gegen die Uhr, doch hat er auch noch andere Sorgen. Eine junge Suchende namens Art3mis hat es ihm ebenfalls sehr angetan, und somit kommt es schnell auch zu einem starken Konflikt zwischen seiner Zuneigung zu einer Frau, die er nicht mal persönlich kennt, und der Suche nach dem Ei, bei der sie sogar eigentlich eine Konkurrentin für ihn darstellt.
In diesen Teilen der Geschichte funktioniert das Buch sogar exakt wie all die Geschichten, zu deren Ehren es geschrieben wurde und Wade muss genauso um das Herz seiner Angebeteten ringen wie zahllose Protagonisten in zahllosen Jugend-Filmen der 80er Jahre.

Erfreulich ist, dass die amerikanische Ausgabe für ein Buch aus dem Land jenseits des großen Teiches sogar ganz hervorragend verarbeitet wurde. Ein sauberes Satzbild, ein ordentliches Lektorat, eine moderne, aber passende Aufmachung, gutes Papier und eine phantastische Bindung machen es zu einer Freude, darin zu lesen.

Ready Player One ist ein Buch von einem Wahnsinnigen. Cline zelebriert hier jede einzelne Facette jener vergangenen Epoche, zumindest im medialen Sinne, und schreibt aus einer unverkennbaren Liebe für die Zeit von Ferris Bueller und Oingo Boingo heraus. Hier geht es um D&D, um Videospiele, um Jugendliche die lieber im Keller gegeneinander zocken als in der Sonne Fußball zu spielen. Es geht um das Zitieren von ganzen Filmpassagen, die Kenntnis von Trivia, es geht um das perfekte Pacman-Spiel. Kurzum: Wer in den 80ern und frühen 90ern groß wurde und zu den Nerds zählte, der erhält hier ein Buch, das eine Liebeserklärung an seine gesamte Generation ist.
Ob andere, ob „normale“ Leser das wertschätzen können, das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Wer sich unsicher ist, kann ja mal hineinlesen. Aber alle anderen, alle, die glauben zur obigen Gruppe zu gehören, kommen an dem Buch nicht vorbei.
Ein absolutes Muss!


Titel: Ready Player One
Originalausgabe
Autor: Ernest Cline
Verlag: Crown
ISBN: 978-0-307-88743-6
Seitenzahl: 374 Seiten Hardcover
Sprache: Englisch
Preis: 24 US-${jcomments on}