King, Stephen: Die Arena

Stephen King kann ja eine Menge. Er kann schreiben, er kann an Filmen mitwirken, er kann seit mehreren Jahrzehnten ganze Heerscharen von Lesern in seinen Bann schlagen. Nur eines, das kann er nicht: Sich kurz fassen.
So kam es dann auch, dass ich – obschon ich die grundlegende Idee des Buches vom ersten Moment an großartig fand – lange gewartet habe, bis ich glaubte, dass der richtige Moment gekommen sei, mich einmal an sein Buch Die Arena zu geben.

Im Englischen heißt der Titel übrigens Under the Dome, was in vielerlei Hinsicht besser passt als das deutsche Pendant, wobei zumindest die „Taschenbuch“-Ausgabe aus dem Weltbild-Verlag nicht das gleiche, grausam entstellte Design zeigt wie die deutsche Erstausgabe. Dennoch, egal ob Hardcover oder Klappbroschur, eines ist klar, Die Arena ist ein einschüchternd großes Buch. Dennoch hält es sich nicht lange mit der Exposition auf.

Ort der Handlung ist eine amerikanische Kleinstadt in Maine – kurzer Tipp vorweg: Wer Stephen-King-Klischee-Saufen betreiben will, wird natürlich auch nach diesem Buch hackestramm sein – mit dem wunderschönen Namen „Chester’s Mill“. Aber an einem schönen Herbstmorgen ereignet sich etwas ganz und gar seltsames: Urplötzlich ist der Ort von einer unsichtbaren Kuppel umgeben, die sich mehrere Meilen in die Höhe streckt und eine geradezu hermetische Grenze darstellt. Bereits im Augenblick der Entstehung ereignen sich eine Reihe von Katastrophen, von einem durch die Grenze halbiertem Waldmurmeltier bis hin zu mehreren Fahrzeugen vom Laster bis zum Flugzeug, die King mit einer geradezu diabolischen Freude über viele Seiten daran zerschmettert.

Was nun folgt ist absehbar und im Grunde so auch schon an anderer Stelle vorgekommen: Von der Außenwelt isoliert, müssen sich die Einwohner von Chester’s Mill miteinander arrangieren und natürlich kommt es bald zu Machtspielen und Rangkämpfen. Schnell zeigt sich, dass die Polizei auch nicht mehr das ist, was sie mal war, wenn es keine externe Kraft mehr gibt, die letztlich immer als unausgesprochene Drohung dafür sorgt, dass diese Cops hier ihre Arbeit richtig machen und auch die kleinen Leute beginnen schneller, sich aneinander zu reiben, als man das vorhersehen konnte.
63 Menschen und drei Hunde füllen die Charakterübersicht zu Beginn des Buches und spielen auch großteilig tatsächlich eine nennenswerte Rolle in den Ereignissen, die sich ab dem „Dome Day“ dort entfalten werden.
Haupt-Identifikationsfiguren sind unter anderem Dale „Barbie“ Barbara, Kriegsveteran und zu seinem Unglück nicht aus dem Ort stammend, was ihn schnell zu einer Person weit oben auf der Abschussliste macht, die Zeitungsreporterin Julia Shumway und Arzthelfer „Rusty“ Everett. Viele, viele der restlichen Figuren erweisen sich letztlich als Widersacher für unsere Helden, alles voran „Big Jim“, zweiter Stadtverordneter und Gebrauchtwagenhändler, sowie sein offenbar kritisch gestörter Sohn Junior.
Man merkt aber auch bereits, obschon viele der Figuren interessant sind, wirklichen Tiefgang haben nur wenige von ihnen und sie sind es auch nicht, die den Reiz des Buches ausmachen.

Wirklicher Star der Geschichte ist vielmehr das Phänomen der Kuppel in seiner Gesamtheit. Etwas, womit ich nicht gerechnet hatte, ist das immens hohe Maß an Überlegung, das King in sein ultimatives Handlungstriebwerk gesteckt hat. Die Kupper ist nur bedingt luftdurchlässig und noch weniger bereit, Wasser sich seinen Weg bahnen zu lassen. Schadstoffe der anfangs noch laufenden Autos und Stromaggregate und, später dann, Kaminfeuer werden ebenso schnell zu einem Problem wie allgemein die Luftqualität im Ort, der immer weiter aufheizt.
Immer wieder zückt King eine Handlungsentwicklung, die aus der Kuppel resultiert und die zumindest bei mir regelmäßig zu „Oh Gott, stimmt, das auch noch!“-Reaktionen geführt hat, was den Lesespaß stets sehr gehoben hat.

In einigen der stärksten Momente wechselt King bisweilen ins Präsenz. Stets dann, wenn gerade wirklich alles gleichzeitig zu eskalieren scheint. Obschon so ein Stilmittel schnell nach hinten losgehen kann, gelingt es ihm hier ohne Schwierigkeiten die Dringlichkeit einiger Augenblicke noch viel stärker an den Leser zu transportieren. Man kann das Unheil geradezu vor seinen Augen ablaufen sehen.

Dazu muss man auch klar sagen, dass Die Arena ein unbequemes Buch ist. Es passieren eine ganze Reihe Sachen im Laufe der Handlung, die mir missfallen haben – nicht weil ich sie erzählerisch doof gefunden hätte, sondern weil ich nicht wollte, dass das passiert … was dann letztlich wirklich stattfindet. Mehrfach habe ich mich über das Buch geärgert, oder, vielleicht präziser, mit dem Buch geärgert. Auch das spricht eindeutig für den Titel; ganz davon zu schweigen, dass es wirklich nicht leicht ist, mich für über tausend Seiten gebannt zu bekommen. Es gibt genau ein Handlungselement, das mir missfallen hat und wer es dann mal liest, gedenket dieser Worte wenn ein Hund loszieht, ein Element der Handlung zu finden, weil King offenbar nichts anderes eingefallen ist, wie er es eleganter gelöst bekommen könnte. Aber hey, das sind wenige Seiten auf ein vom Umfang her monumentales Werk, damit kann man sicher leben. Dafür ist die Auflösung ganz okay – und das finde ich persönlich bei King schon fast bemerkenswert.

Verbleibt ein Aspekt – die Übersetzung. Wulf Bergner hat dabei gute Arbeit geleistet, wenn er auch teilweise keine Chance hatte. Es gibt insbesondere ein Lied, „Talkin’ at the Texaco“, von James McMurtry, das den Texte geradezu durchzieht. Bergner vollführt hier, wie auch bei anderen Liedtiteln, die eine Rolle spielen, einen Eiertanz rund um die Frage, wo er übersetzt und wo er englisch zitiert und über weitere Teile gelingt ihm das auch durchaus gut. Allerdings merkt man manchmal dadurch einfach deutlich, eine Übersetzung zu lesen.
Aber die Zeilen „it’s small town, son / and we all support the team“ sind essenziell für die ganze Idee des Buches.

Alles in allem muss ich sagen, dass ich Die Arena sehr genossen habe. Sicherlich, die Charaktere sind extrem schwarzweiß, aber auf obskure Weise sind sie auch mehr die Kulisse für die Ortschaft, die die Hauptfigur darstellt.
Was nicht mal heißt, dass einem die Leute am Ende nicht durchaus ans Herz wachsen. Das Buch ist gut durchdacht, das Konzept der Kuppel cool, die Handlung spannend, die Übersetzung durchaus brauchbar und vor allem plätschert es nicht einfach an einem vorbei, was geschieht. Alles in allem ein Titel, den ich definitiv empfehlen kann!


Titel: Die Arena
Originaltitel: Under the Dome
Autor: Stephen King
Verlag: Weltbild Verlag
ISBN: 978-3-86800-595-0
Seitenzahl: 1182, Klappbroschur
Sprache: deutsch
Preis: 16,99 Euro{jcomments on}