Bischoff, David: The Crow - Der Unsterbliche
"The Crow" ist ein Kultcomic, geschaffen von J. O'Barr, mehrfach mehr oder minder glücklich fortgesetzt.
"The Crow" ist auch ein Kultfilm, nahezu unumstritten, jüngst auf DVD erschienen und durch den mysteriösen Tod des Hauptdarstellers Brandon Lee durch eine versehentlich scharf geladene Waffe am Set seit jeher mit einer fast ironisch scheinenden Tragik umgeben. "The Crow: City of Angels", das Sequel, ist eher dazu geeignet, verschwiegen zu werden, der dritte Teil "The Crow: Salvation" hingegen ist nach wie vor einer meiner Geheimtipps und hier bereits in einer Rezi festgehalten.
Eine Fernsehserie zählt mittlerweile ebenso zum Hintergrund wie ein unsägliches Computerspiel.
Was mir aber lange Zeit entgangen war, war die Existenz von ganzen Romanen im Crow-Universum. Nun, der erste seiner Art, der mir unterkam, ist das vorliegende Werk, dessen düsteres Cover durchaus Lust auf mehr macht.
"Der Unsterbliche" ist natürlich ein ganz furchtbarer Titel, daran ist Autor Bischoff allerdings gänzlich unschuldig, heißt das Buch im Original doch "Quoth the Crow", was der Handlung weit deutlicher gerecht wird, denn der Titel ist klar eine Anspielung auf Edgar Allen Poes Zeile "Quoth the Raven" - und, wie ich bald lesen sollte, der Protagonist des Romans ist, oh Wunder, Poe-Experte.
Der Roman eröffnet auch gleich mit dem ersten Akt der Rache - vollkommen fernab des Filmschemas - und wir erleben, wie ein absolut verdummter Goth namens "Graf Mishka" mit seinem eigenen Fernseher erschlagen wird.
Ein Sprung, zurück in die Zeit, und unser Protagonist, William Blessing ist noch am Leben. Er ist, so erfährt man schnell, nicht nur Horrorromanautor in seinen besten Jahren, mit einem Erfolg gleich dem von Stephen King, er ist auch der größte Poe-Experte aller Zeiten mit der größten Poe-Sammlung aller Zeiten sowie einer wunderschönen, jungen Frau namens Amy verheiratet.
Bei ihm beginnt dann jedoch auch der junge Donald Marquette zu arbeiten, der ist nicht nur absolut miserabler Horrorromanautor, der bisher nur in irgendwelchen Hinterhofverlagen publizieren konnte, er ist auch ein enger Freund einer Goth-Clique rund um den Leiter des Schundverlages Tome Press, Baxter Brittle, sowie dem Psychopaten und Möchtegernautor Mick Prince.
Nun, es kommt wie es kommen muss, Donald verschießt sich in Amy und Mick verschießt sich in die Poe-Sammlung, gemeinsam kommt man auf die Idee, einen Überfall auf das Haus vorzutäuschen, während dem Donald den großen Retter spielen darf und so Amy für sich gewinnt, während dem die dumpfen Diener von Prince aber auch die Sammlung entwenden können.
Aber das kann ja nicht gut gehen, die Lage eskaliert, man ergeht sich über Amy in einer Art Massenvergewaltigung und William lässt bei dem Überfall das Leben. Donald hat aber seinen Auftritt, schafft es, Amy für sich zu gewinnen und verkauft zudem noch Manuskripte des Verstorbenen, allerneueste Erkenntnisse über Poe beinhaltend, als sein eigen Werk und wird so schnell zu einem neuen Stern am Literaturhimmel.
Edgar Allen Poe und William Blessing rotieren gleichermaßen im Grabe, doch William wird, der Natur der Geschichte gemäß, die Kraft der Rache gegeben und er zieht aus, all seine Peiniger umzubringen.
Was hier schon nach Schund klingen mag, ist aber bei Weitem nicht die ganze Problematik des Romans.
Alleine der Spannungsbogen, um einmal klein zu Beginnen, ist eine Zumutung. Ist man doch gewohnt, dass eine Crow-Geschichte eine Geschichte der Rache ist, so braucht "Der Unsterbliche" endlos Zeit, William erst einmal umzubringen.
Der gleichermaßen würdevolle wie wichtige Satz "Als William Blessing erwachte und sich erheben wollte, schlug er mit dem Kopf gegen den Sargdeckel" fällt so erst auf Seite 223, also bereits nach mehr als der Hälfte der Seiten.
Das bietet natürlich einerseits den Vorteil, dass man besser nachempfinden kann, was er alles verloren hat, widmen sich doch viele der vorangegangen Seiten seiner innigen und glücklichen Liebe zu Amy, seiner wundervollen Buchsammlung und seinem bald verratenen Vertrauen in Donald Marquette.
Leider, so muss man sagen, zieht es sich jedoch einfach lang wie Gummi, man sehnt seinen Tod geradezu herbei und fragt sich, ob es denn wohl noch ein Licht am Ende des Tunnels geben mag…
Dieses aber geht einem auch mit dem Tod des Literaten nicht auf. "The Crow" barg immer viel seiner Faszination in einer generellen Coolness. Ob nun Eric Draven alias "Brandon Lee", Poe zitierend, mit wehendem Mantel durch seine Stadt zog oder auch Alex Corvis alias Eric Mabius, unterkühlt und erschreckend normal in seiner Psychopathie, immer waren die Rückgekehrten, um den Modeterminus, den auch der vorliegende Roman so liebt, eben cool. Kurzum: William Blessing ist das nicht.
Er scheint ein netter Kerl zu sein, ein liebender Ehemann und ein vernünftiger Mensch im Umgang mit Büchern, aber er ist noch immer ein Professor in seinen besten Jahren, was auch seinem Handeln anzumerken ist. Man fühlt sich, als würde ein verhasster Lehrer aus Kindertagen seinen eigenen Roman bekommen…
Dies wird auch nicht dadurch aufgebessert, das Bischoff sich eine Reihe Freiheiten gegenüber der Vorlage nimmt. Das die Krähe sprechen kann, ist vielleicht aus dem Ur-Comic bekannt, aber das sie sich, ob der rachetechnischen Inkompetenz Blessings eine ganze Reihe zynische Kommentare erlaubt, trägt weder zu ihrer noch zu seiner Würde bei.
Auch, dass sie für ihn alles mögliche erledigen muss - etwas Geld besorgen! - nicht. Ebenfalls geradezu erschreckend war Bischoffs Idee, die Krähe näher an die guten alten Splatterzombies zu bringen, denn wann immer Blessings Zorn mal wieder rostet, so beginnt sein Körper zu verfallen.
Trauriger Höhepunkt sicherlich, als ihm seine Nase in einer Bar in ein Glas Whiskey fällt. Kein Witz, traurige Wahrheit.
Andererseits haben die Schurken des Romans kaum einen würdigeren Gegner verdient. Sie sind Goths, sie sind böse, und der Autor versäumt es auch an keiner Stelle, da nicht darauf hinzuweisen.
Innere Monologe ereignen sich in einer Art verunglückten Szenesprache oder aber einfacher Idiotie ("Schade, dass man bei den Sammelstellen für Gartenabfälle nicht auch Leichen abgeben kann." als Beispiel…), ansonsten trinken sie eben Absinth, weil Goths das ja tun, nehmen Drogen, weil Bösewichte das so tun und ermorden aus versehen Prostituierte, weil das ja dazugehört.
Auf der anderen Seite lassen sich die lustigen Jungs, die natürlich auch alle ebenfalls "coole" Nicknames, wie der eingangs erwähnte Graf Mishka, tragen, auch den letzten Funken ihres weichen Kekses entweichen. Man stelle sich das vor, eine Gruppe dunkler Gestalten zieht durch die Straßen einer Stadt, die mit "urbaner Alptraum" auch gut beschrieben wäre. Lange, wallende Ledermäntel wehen im Wind, ihre Gesichter sind kalt, ihr Styling perfekt. Dann, passieren sie eine arglos fallengelassene Coladose, und ein Schrei gellt durch die Nacht.
"Hey, lass uns Fußball spielen!"
Wieder kein Witz, wieder traurige Wahrheit.
Das sie dann, nachdem sie auf die Schiene kommen, nach und nach alle berühmten Horrorautoren der Welt umnieten, um "die Konkurrenz" vom Markt zu verdrängen, das, tja das ist dann auch nur das Sahnehäubchen auf dem Kuchen.
Wiederum von der anderen Seite betrachtet gönnt ihnen Blessing dann Tode, die in ihrer Dummheit den Antagonisten durchaus würdig sind, dem Leser aber nur noch mehr graue Haare verpassen.
Mishkas peinlicher Tod unter seinem Fernseher ist dabei eine Sache, einer wird in einer Baugrube erlegt, die im entfernten an Poes "Die Grube und das Pendel" gemahnen soll, einen weiteren schießt Blessing einfach über den Haufen … doch mein persönlicher Höhepunkt ist der Tod von Mick Prince, bei dem sich die Krähe in einen Affen verwandelt (!!!!) und, wieder in Anlehnung an Poe, das Opfer totschlägt.
Naja, es wäre das schlimmste, wäre nicht noch das furchtbare Schicksal von Donald Marquette - doch das überlasse ich dann doch jedem Leser selbst.
Und als wenn das nicht alles schon genug schlechte Seiten wären, so ergeht sich Bischoff, vor allem vor Blessings Tod, auch noch in quälend einfallsloser Mystik, vor allem mit einer ganzen Reihe beinahe-tödlichen Unfällen des Todgeweihten sowie penetranter Krähenauftritte … aber das ist auch nur noch die Krönung des Ganzen.
Muss ein Fazit da noch sein? Na gut…
"Der Unsterbliche" ist eine Katastrophe aller erster Güte. Bischoff, übrigens Autor von über 50 Romanen, darunter auch die Adaptionen der Filme "Wargames" und "Hackers", was immer man nun davon halten mag, schafft es in keiner Beziehung, dem Leser auch nur eine Anerkennung abzuringen.
Die Charaktere sind schwach bis schwachsinnig, die Handlung schierer Blödsinn, Atmosphäre gibt es nicht und selbst sprachlich krankt der Roman an manchem Ende.
Es kann nur einen Rat bezüglich dieses Romans geben: bleibt ihm fern!
David Bischoff{jcomments on}
The Crow - der Unsterbliche
382 Seiten Softcover, Heyne
ISBN: 3-435-16941-7