Palahniuck, Chuck: Survivor
Vor uns liegt mal wieder ein Taschenbuch. Es handelt sich dabei um "Survivor", den zweiten Roman von Chuck Palahniuk, dem Autor von "Fight Club". Der nihilistische, harte Roman um eine Art anarchistische Revolte, die es unter der Regie von David Fincher, mit Edward Norton und Brad Pitt, auch ins Kino geschafft, war einer der meist gelobten Romane seines Jahrgangs und die Kritiker sahen in Palahniuk schnell die neue Hoffnung am Himmel kritischer, amerikanischer Autoren.
Somit liegt die Messlatte für den vorliegenden Roman entsprechend hoch und wir wollen doch mal sehen, ob der in Oregon lebende Autor dieser auch gerecht wird. Die Handlung dreht sich um einen jungen Mann namens Tender Branson. Tender ist der einzige Überlebende eines 'Creedish Death Cults'. Die Medien reißen sich um ihn und bauschen ihn damit zu einem Helden der Öffentlichkeit auf, stoßen ihn selbst aber auch immer weiter in den persönlichen Abgrund.
Somit erzählt Tender in diesem Roman seine Lebensgeschichte, jedoch erzählt er sie weder dem Leser als direktem Gesprächspartner noch einem anderen Charakter, vielmehr spricht er sie auf den Voicerecorder eines Flugzeugs – welches er gerade in einen Todesflug hinaus auf den pazifischen Ozean steuert. Und während seine Zeit abläuft, erzählt er seine Geschichte, die dazu dann noch so wundersame Gestalten wie Fertility, die unfruchtbare Frau mit der Fähigkeit, Katastrophen vorherzusagen, beinhaltet.
Wer "Fight Club" bereits gelesen hat, wird sich in dem neuen Buch schnell einfinden. Wie schon im vorigen Roman rechnet Palahniuk auch hier kaltschnäuzig, durch überzogene Darstellung, mit unserer modernen Gesellschaft ab, wobei vor allem die Medien dieses Mal aufs Korn genommen werden.
Da wird der eigentlich Hilfe bedürfende letzte Überlebende, eigentlich eher dicklich und unattraktiv, mit massivem Training, Eingriffen und Pharmazeutika aufgeputzt und eine Geschichte um ihn gewoben, die am Ende zwar nichts mehr mit der Realität gemein hat, aber vom Publikum gefressen wird. Menschen ... bleiben dabei zweitrangig.
Sein Erzählstil ist auch diesmal wieder sprunghaft und verkürzt, wie man es aus seinem Erstling kennt. Nebensätze sind extrem selten, kaum ein Satz folgt komplexen Strukturen – was nicht bedeutet, das Palahniuks Schreibe simpel ist. Man sieht sehr gut, wie er einzelne Elemente nutzt um einen bestimmten Eindruck zu erwecken, die Einfachheit resultiert nicht aus künstlerischer Unfähigkeit sondern aus reiner Intention. Eine Intention, die aufgeht, denn auch dieser Roman entwickelt eine sehr dichte Atmosphäre und ist amüsant, wenn auch manchmal etwas anstrengend zu lesen.
Hier diene einmal mehr eine Leseprobe zur Verdeutlichung:
"According to the storyboards, I'm on a sofa in the island of hot light surrounded by television cameras and cables and silent technicians doing their jobs around me in the dark. The agent is there in the shadows with his arms crossed and looking at his watch. The agent turn to where some writers are marking last-minute revisions to the copy before it appears on the TelePrompTer."
Palahniuk versteht es dabei jedoch auch sehr gut, das Medium Buch über die reine Folge der Wörter hinaus auszunutzen – man nehme alleine die Seitenzahlen. Denn so wie sich die Erzählung als Aufzeichnung aus einem abstürzenden Flugzeug gibt, so zählen auch die Seitenzahlen gnadenlos runter, anstatt rauf. Auf Seite 289 beginnt läuft unten ein kleiner Countdown, unablässig bis die Erzählung auf Seite 1 kulminiert.
Streckenweise gibt sich der Roman allerdings auch schon übermäßig sprunghaft. Einige Handlungselemente stolpern etwas unerwartet durch das Bild, manche Entwicklung wirkte auf mich persönlich etwas schwer nachvollziehbar – allerdings auch niemals wirklich unlogisch.
Wer sich "Survivor" aus dem Regal holt, muss wissen, was er da erwirbt. Der Roman ist bitter bis bitterböse, schwankt zwischen rein bizarren Alpträumen und schwarzem Humor und erzählt eine Geschichte, die hier allerdings auch vor allem der Träger der Botschaft von einem nihilistischen Weltbildes ist.
Das allerdings gelingt Palahniuk exzellent und packend, so dass ich den Roman zwar nicht als generischen Unterhaltungsroman oder Lektüre 'für zwischendurch' empfehlen wollte, wer aber mal wieder schriftstellerisch reizvolle, aktuelle Gesellschaftskritik lesen möchte, der wird an "Survivor" sicherlich ebenso viel Freude haben wie an "Fight Club".
Wem der Erstling dagegen schon nicht zugesagt hat, der wird vermutlich auch an dem zweiten Buch keine Freude haben, ist die Ausrichtung beider Romane unterm Strich doch sehr ähnlich.
Chuck Palahniuck
Survivor{jcomments on}
289 Seiten Softcover, Vintage
ISBN: 0-099-28264-X