Günther, Christian: under the black rainbow

the rainbow
has turned to black
darkness has fallen
in paradise
vom Backcover von under the black rainbow

Während meiner unibezogenen Recherchen über das Thema Cyberpunk stieß ich auf den Autor Christian Günther. Dieser teilt sich nicht nur den Namen mit dem Macher des Degenesis-Rollenspiels, sondern ist ebenso in der deutschen Rollenspielszene aktiv, was bei nicht wenigen Personen bereits zu Verwechslungen geführt hat. Mit "Under the black rainbow" (UTBR) hat Christian Günther nach einigen veröffentlichen Rollenspielabenteuern z.B. in der guten alten Wunderwelten auch sein Romandebüt gegeben. Der Roman ist ziemlich klar dem Cyberpunk-Genre zuzuordnen, einem literarischen Genre, welches eigentlich nur in den 1980er Jahren wirklich populär war. Viele Aspekte des Cyberpunks sind heute technologisch wie auch sozial überholt, ja wirken bereits lächerlich. Was hat Christian Günther also nun getan, um trotzdem einen überzeugenden Roman abzuliefern?

Zum einen legt er das Szenario nach Hamburg, statt es in einer amerikanischen Großstadt spielen zu lassen. Allerdings wird das Szenario derart verfallen, marode und zerstört geschildert, das so gut wie keine lokalen Besonderheiten übrig bleiben und der Roman auch in einer x-beliebigen Hafenstadt hätte spielen können. Der Autor schildert dann eine Reihe von Gestalten, die versuchen in diesem Szenario zu bestehen. Die Stadt ist ein Sammelpunkt für Flüchtlinge aus allen möglichen Ländern, ein Schmelztiegel der Armut, des Verfalls und der Umweltverschmutzung. Die Stimmung des Romans ist weitestgehend sehr eindringlich, beständig ist ein Gefühl von Melancholie spürbar. Eine wirklich gute Leistung des Autors, das Szenario als Ort von zerstörter Umwelt, zerstörten sozialen Strukturen und auch vergangenen Hoffnungen zu beschreiben.
In dieser Welt bewegen sich einige Personen, die fast ebenso kaputt sind, wie die Welt um sie herum. Da gibt es z.B. Josef, den alten Mann, der alle möglichen Figuren schnitzt und in einem längst geplünderten Kaufhaus lebt. Chill, einen 16jährigen Flüchtling, der durch die Entbehrungen des Lebens gezeichnet wurde, oder Hamilton, einen bereits in die Jahre gekommenen Hacker, der in der virtuellen Welt des Netzes eine Überdosis an Daten abbekommen hat und daran fast verreckt. Was diese Gestalten aber von dem Rest der Figuren im Roman unterscheidet, sind ihre kleinen Hoffnungen und Träume. Chill will auf der anderen Seite der Stadt ein besseres Leben finden, zwei jugendliche Grubenkämpfer folgen trotz aller Probleme einem Ehrencodex und Alya, die so etwas wie Liebe entwickelt, aber dieses Gefühl noch nicht richtig versteht. Das macht die Figuren sehr sympatisch und bringt sie dem Leser nahe.

Der Autor nimmt sich viel Zeit dafür, seine Figuren und sein Szenario zu beschreiben, was ihm erzählerisch und atmosphärisch ausgezeichnet gelingt. Etwa ab der Hälfte des Romans setzt dann die Handlung sehr plötzlich ein, welche die Figuren und ihre Schicksale miteinander verknüpft. War der Beginn vor allem dadurch geprägt, wie die Charaktere überhaupt in dieser Welt bestehen können, nimmt die Handlung eine eher epische Wendung, samt einer amoklaufenden KI und legendären Wireheads, wie die Hacker des Datennetzes hier genannt werden. Vom Ablauf der Story ähnelt UTBR stark seinen Vorbildern aus dem amerikanischen Raum und der großen Cyberpunk-Ära. Es gibt Implantate in menschlichen Körpern, auch wenn diese hier sehr bodenständig ausfallen. Es gibt Menschen, die mittels Implanten in das virtuelle Netz einsteigen und meist illegalen Aktivitäten nachgehen. Es gibt riesige Stadtmoloche, den Zusammenbruch sozialer Systeme und große Konzerne. Diese kommen allerdings nur einmal im Nebensatz vor. Zum einen wäre ein direkter Vergleich zwischen der Hochglanzwelt der Konzerne und der Armut der Flüchtlingsslums nützlich gewesen, um das Elend der Randstädte mehr zu betonen. Andererseits ist die Welt der Reichen den Menschen "dort unten" völlig unbekannt, fast schon ein Mythos. Daher wirkt das Szenario zwar etwas eintönig in seinem Zerfall, aber durchaus glaubwürdig. Der Einbau der KI und der Ausflug in das virtuelle Netz, samt Endkampf mit diversen fantasievoll gestalteten Programmen geschieht aber etwas plötzlich und wirkt in seinem epischen Auswirkungen irgendwie unpassend zum Rest des Romans.

Man merkt dem Roman leider an, dass er nur bei einem kleinen Verlag erschienen ist. Es gibt, vor allem zum Ende hin, viele Fehler. Es fehlen Wörter in Sätzen, die Zeichensetzung ist nicht korrekt oder es handeln gar Personen, die momentan gar nicht handeln können dürften. Ein Lektorat hätte hier viel ausbessern können. Zudem ist die Verarbeitung zumindest meiner Ausgabe nicht gerade überzeugend. Die Schutzfolie wirft kleine Blasen und schützt nicht wirklich, wie Abrieb an einigen Ecken des Romans zeigen. Innerhalb des Romans sieht man dann zumdem sehr oft eine Art Druckschatten, als hätte man die Seiten mit noch nasser Tinte zusammengelegt. Ob das nun bei der ganzen Reihe zu finden ist, oder nur bei meiner Ausgabe, dazu kann ich nichts sagen, ärgerlich ist es zumindest.

Erwähnenswert sind noch einige Farbtafeln am Ende und Anfang des Buches, welche Photomontagen des Autors darstellen und die einen Einblick in die Stimmung seines Romans schaffen sollen.

Dem Autor gelingt es mit seinem Debüt einen überzeugenden Roman abzuliefern, der sich zwar des Cyberpunk-Genres bedient und auch dessen bekannten Pfaden folgt, aber trotzdem noch eigene Ideen unterzubringen. Die größte Stärke des Romans ist die dichte und stimmungsvolle Atmosphäre, welche der dystopischen Intention des Autors voll entspricht. Für wen der Cyberpunk noch nicht tot ist, oder wer als Shadowrun-Fan einmal über den Tellerrand blicken möchte, sollte unbedingt mal einen Blick in diesen Roman riskieren.


Name: under the black rainbow 
Verlag: edition42 
Sprache: deutsch{jcomments on}
Autor: Christian Günther 
Empf. VK.: 9,99 Euro 
Seiten: 200 
ISBN: 3935798806