o'Brian, Patrick: Kurs auf Spaniens Küste
Als vor einigen Jahren das Seefahrts-Epos mit Russel Crowe und Paul Bettany in die Kinos kam, waren es doch wieder nur die wenigstens Leute, die wussten, dass der Film auf einer ganzen Reihe von Büchern basiert. Der Zyklus wurde von dem Engländer Patrick o'Brian geschrieben und umfasst insgesamt zwanzig Bände. Ein einundzwanzigster Band war in Arbeit, als der Autor 2000 verstarb und ist in englischer Sprache zumindest noch als Fragment veröffentlicht worden.
Der erste Band der Reihe, die in Ermangelung einer offiziellen Benennung von Fans nach den beiden Hauptfiguren benannt nur als die Aubrey/Maturin-Bücher geführt wird, war teilweise die Vorlage für den Film und lieh ihm unter anderem den halben Titel: „Master and Commander“.
Nun liegt die deutsche Ausgabe vor uns und verschleiert die Verbindung wie auch die Zugehörigkeit zu einer Reihe gekonnt unter dem deutschen Titel „Kurs auf Spaniens Küste“, der immerhin zum Inhalt des Buches halbwegs passt. Das kann man vom Klappentext nicht sagen, der es auf schon bravouröse Weise schafft, aus schierer Dummheit einen massiven Spoiler zu verraten und andererseits nichts mit dem Buch zu hat. Immerhin ist das Cover recht stimmungsvoll, so dass ich mich letztlich entschied, dem Buch eine Chance zu geben.
Erzählt werden die ersten Akte der Geschichte des Jack Aubrey, seines Zeichens frischgebackener Kapitänsleutnant und Kommandant der Sophie, einem kleinen, eher unspektakulären Schiff der britischen Marine zur Zeit der napoleonischen Kriege. Er lacht sich, mehr durch Zufall, noch den in nautischen Fragen vollkommenen unerfahrenen irisch-katalanischen Arzt Stephen Maturin an, bevor sie dann gemeinsam in See stechen.
Ihre ersten Einsätze vor der Küste Spaniens verlaufen überaus erfolgreich, was ihnen Ruhm und Geld auf der einen Seite einbringt, aber andererseits auch Widersacher in den feindlichen wie auch den eigenen Reihen. Da hilft es weder, dass sich Aubrey ein Auge auf die Frau eines Vorgesetzten geworfen hat, noch, dass sowohl Maturin als auch sein Stellvertreter James Dillon, noch ganz eigene Geheimnisse mit sich herumtragen.
Und eines Tages, so befürchten viele, wird sie das Glück auch mal verlassen...
Es gibt eine Menge, was mir an dem Buch direkt gut gefallen hat. Zum einen ist o'Brians Charakterisierung der beiden Hauptfiguren extrem gut gelungen und sowohl Aubrey als auch Maturin wachsen einem schnell mit ihren Eigenheiten ans Herz. Auch den Umgang untereinander, die teilweise schon arg merkwürdig anmutenden Umgangsformen ihrer Zeit, schildert er gekonnt und stets mit einem gewissen Witz.
Er kann zudem Spannung aufbauen und halten, ganz gleich, ob sich gerade ein Seegefecht anbahnt oder nicht. Das ist teilweise fast erstaunlich, denn die Dramaturgie des Buches ist stellenweise recht eigen. Mal ergeht er sich über Seiten in kleinen Details, mal überspringt er kommentarlos ganze Handlungsabschnitte, nur um den Leser in den folgenden Zeilen das Geschehene aus Kommentaren und Nebensätzen erschließen zu lassen. Doch das funktioniert, man fühlt sich nicht betrogen, sondern wird im Gegenteil eher angeregt, der Handlung aktiver zu folgen. Ich hatte im Vorfeld von dieser Eigenart o'Brians gelesen und war gespannt, wie es wirken wurde, bin aber positiv überrascht worden.
Gleiches gilt für die nautischen Termini, die er verwendet. Zwar kommt das Buch ohnehin mit einem praktischen Glossar und einem Übersichtsbild der Takelage der Sophie daher, aber dennoch hat mich das Buch immer mal wieder an Punkte geführt, an denen mir Worte oder Sachverhalte auch erst mal schleierhaft blieben. Sicher, man kann sicher auch so wissen, was Kartätschen sind – ich hab es nachgeschlagen.
Aber insgesamt gelingt es o'Brian, ohne große Erklärungen langsam aber sicher das Wissen des Lesers auszubauen. Er gebraucht seine Begriffe so stoisch und die meisten Sachverhalte wiederholen sich oft genug, so dass man sich beim ersten mal vielleicht noch fragt, was er meint, wenn das Schiff mit dem Rumpf über der Kimm steht, es später aber einfach nachvollziehen kann. Ich weiß nun, nachdem ich mit Aubrey und Maturin zur See gefahren bin, dass man auf dem Schiff beim Wind zwischen Luv und Lee unterscheidet, eine nautisch Unwissender wie ich aber dennoch ein Landlubber ist.
Der Autor erhält dabei sozusagen die Hilfe von Stephen Maturin, der seinerseits keinerlei Ahnung von der Seefahrt hat und im Zweifel immer mal gut darin ist, in den richtigen oder falschen Momenten eine zumeist vom Rest der Besatzung höflich belächelte Frage zu stellen.
Das einzige, was mir an dem Buch nicht ganz so gut gefallen hat, war der Schluss. Bis Seite 454 zieht sich ein wirklich phantastisches Finale mit Spannung und Dynamik – und dann ist noch nicht Schluss. 42 weitere Seiten folgen, die zwar auch nicht langweilig sind oder ein Grund, das Buch beiseite zu legen, aber an das Tempo des vorletzten Kapitels kommen sie einfach nicht heran.
Die deutsche Übersetzung ist wohl als gelungen zu betrachten, auch wenn ich das Original nicht kenne. Zwar konnte die Übersetzerin Jutta Wannenmacher nicht erhalten, das o'Brian teilweise Passagen aus echten nautischen Dokumenten der Zeit übernommen und so noch mal zusätzliche Authentizität erzeugt hat, aber dennoch hat sie es elegant geschafft, trotz viel nautischer und militärischer Sprache einen homogen wirkenden Text zu erzeugen, der nirgends gekünstelt oder aufgesetzt wirkt. Somit ist die deutsche Fassung, die übrigens bei Ullstein maritim erschienen ist, trotz der grenzwertigen Schnitzer in der Aufmachung durchaus zu empfehlen.
Patrick o'Brian {jcomments on}
Kurs auf Spaniens Küste
508 Seiten Softcover
Ullstein maritim
ISBN: 978-3-548-26817-0