Matheson, Richard: Ich bin Legende

Ich bin Legende, oder I am Legend im Original, ist ein dystopischer Science-Fiction-Roman, der seinerzeit die Gattung der Vampirgeschichten entmystifizierte und vor allem entromantisierte. Als der Roman 1954 als Erstlingswerk von Richard Metheson erschien, war die Idee von Vampirismus als Krankheit völlig neu. Welche Wirkung der Roman hatte merkt man etwa an den bis heute drei Verfilmungen des Romans mit sehr namhaften Schauspielern oder daran, dass Stephen King und George A. Romero sich explizit für ihre Werke von diesem Buch inspirieren ließen.

Der Roman handelt von Robert Neville, der sich als scheinbar letzter überlebender Mensch einer riesigen Rotte von Vampiren gegenübersieht, die sein Blut begehren. Die Vampire entstanden durch eine Krankheit, gegen die Neville immun ist. Er verbringt seine Nächte eingeschlossen in seinem Haus, belagert von den tobenden Vampiren vor seinen Türen, deren ständige Aufforderungen das Haus zu verlassen ihn unter enormen psychischen Druck setzen. Tagsüber fährt er als Racheengel durch das leere Los Angeles, tötet die schlafenden Vampire mit Pflöcken und verteilt neue Spiegel und Knoblauch um sein Haus. Diese Routine wird durch Experimente durchbrochen, die er immer wieder an gefangenen Vampiren durchführt. Das Wissen über die Genetik und Biologie musste er sich schmerzhaft langsam aus gefunden Büchern aneignen und der Frust über seine eigene Unwissenheit und die scheinbare Sinnlosigkeit seiner Vorhaben sind wichtige Elemente der Erzählung. Das zentralste Thema ist jedoch Nevilles Einsamkeit und was die Isolation mit einem Menschen anzustellen vermag. Das zeigt sich grundlegend beispielsweise bei seinen sexuellen Bedürfnissen. So versuchen weibliche Vampire ihn mit aufreizenden Posen aus dem Haus zu locken, was ihn immer viel Überwindung kostet zu widerstehen. Andererseits sucht er sich für seine Experimente immer nur weibliche Vampire aus, die er oftmals in ihren Schlafzimmern heimsucht, wo sie tagsüber ruhen. Und das führt zum eigentlich zentralen Element des Romans: die Frage, wer das Monster ist. Sind es die Vampire, die offensichtlich empfindungsfähig eine neue Stufe der menschlichen Existenz darstellen, oder ist es Neville, der diese Wesen sucht und tötet, wenn sie hilflos sind? So wird Neville durch sein zwanghaftes Festhalten an seiner Menschlichkeit, sein Abstand zu den Veränderten, selbst zu einem Schrecken für die Vampire, einem Wesen, das sie in der Zeit heimsucht, wenn sie hilflos sind und das ungeachtet von Frau, Greis oder Kind alle tötet, die anders sind als er. Diese Verdrehung der Vampirgeschichte, diese moralische Frage macht diesen Roman so ungeheuer interessant. Dies wird noch verstärkt, als Neville im späteren Verlauf auf „lebende Vampire“ trifft, die ein Medikament entwickelt haben, um den Virus in ihrem Körper zu unterdrücken. Diese Vampire rotten die toten und primitiven Vampire aus und wollen auch Neville töten, der sie bis dato tagsüber umgebracht hat und nicht zwischen den intelligenten und tierhaften Vampiren unterscheiden konnte, als diese schliefen. Neville tötet sich schlussendlich selbst, bevor er sich den Vampiren und ihrer neuen Weltordnung ausliefert und wird so zur Legende. Während die schwarz-weiße Verfilmung „The Last Man on Earth“ von 1963 mit Vincent Price sehr nah an der Romanvorlage ist und auch die Isolation und die Frage nach der Menschlichkeit Nevilles sehr eindringlich schildert, flachen die Verfilmungen „Der Omega-Mann“ von 1971 mit Charlton Heston und „I am Legend“ 2007 mit Will Smith nicht nur ab, sondern verändern bisweilen die wichtige Kernaussage des Werkes.

Neville ist kein strahlender Held, er ist ein zweifelnder Überlebender, der sich in Alkohol und Träume flüchtet, sich an die letzten Reste seiner Menschlichkeit klammert, um nicht vollends wahnsinnig zu werden. Er ist ein Relikt der Vergangenheit, ein Individuum, das sich weigert der Gegenwart ihren Tribut zu zollen und auszusterben. Sein Überlebenskampf ist absurd, da seine Weltsicht, ja seine „Rasse“ keine Chance auf das Überleben hat, er außerhalb der neuen Gesellschaft steht und diese bekämpft. Trotzdem ist es das einzige, das ihm übrig bleibt.

Ein wirklich starker und bewegender Roman, der nachdenklich stimmt.

Neben dem Roman enthält das rezensierte Buch noch einige Kurzgeschichten von Richard Metheson, die jedoch eher durchschnittlich sind und bisweilen sogar recht plumpe und vorhersehbare Horrorgeschichten darstellen, die sich überhaupt nicht mit seinem Erstlingswerk messen können.


Name: Ich bin Legende  
OT: I am legend  
Verlag: Heyne  {jcomments on}
Sprache: deutsch
Autor: Richard Matheson
Seiten: 400  
ISBN: 978-3453501553