Pratchett, Terry & Neil Gaiman: Good Omens

Ein Buch, dessen Thema die Apokalypse mit allem drum und dran ist, ist in den letzten Jahren ja weiß Gott nichts ungewöhnliches gewesen. Fin-de-siècle heißt das Zauberwort, dass die Ursache beschreibt. Der französische Terminus verheißt das "Ende des Jahrhunderts", und als 1999 nach landläufiger Meinung, obwohl man hätte besser wissen können, das neue "Millennium" anbrechen sollte, entgegen des Hinweises, dass dies mit "2000" nicht so wirklich getan sei und die Tatsache, dass uns ohnehin nur ein Rechenfehler eines armen Mönches unsere jetzige Jahreszahl eingebrockt hat, vollständig ignorierend, war natürlich ein perfekter Nährboden für alle geschaffen, die einen Roman des Horror-Genres schreiben wollten
Die Erzeugnisse waren nicht auf ein einzelnes Medium beschränkt und fast schon allgegenwärtig, teilweise durchaus von hoher Qualität, teilweise aber auch eher auf dem Niveau eines schlechten RTL-Fernsehfilms. Und immer auf gewisse Weise stereotyp.

Wenn nun aber, wie im Falle von "Good Omens", zwei der wohl verrücktesten britischen Autoren unserer Zeit, namentlich Terry Pratchett, berühmt vor allem für seine Romane von der bizarren "Scheibenwelt", und Neil Gaiman, u.a. durch die "Sandman"-Comics und "Neverwhere" (dt. Titel: "Niemalsland") bekannt, sich anschicken, sich dem Thema anzunehmen, so kann man doch guten Gewissens auf eine Ausnahme von der Regel hoffen.

So liegt das Buch dann letztlich vor uns und schon auf dem Frontcover wird die "Time Out" bereits mit einem sehr markanten Satz zitiert ("Heaven to read, and you'll laugh like hell"), der in der Tat neugierig macht.
Öffnet man das Buch nun, so kann man zunächst einmal das (hier wirklich unterhaltsame) Portrait der beiden Autoren genießen bevor man direkt auf das stößt, worum es in dem Buch letztlich geht: auf einer, dem Frontcover eines alten Buches nachempfundenen, Seite lesen wir von den "Nice and Accurate Prophecies of Agnes Nutter. Witch"

Also, worum geht es nun genau in diesem Buch? Der eigentliche Haupthandlungsstrang ist schnell erzählt: die Zeit ist gekommen, der Antichrist wird geboren und das Ende naht.
Was nun zunächst einmal nach einem anderen, reichlich bekannten "Omen" klingt, wird von den beiden Autoren von "Good Omens" jedoch alleine schon durch einen vollständig abgedrehten Haufen an Protagonisten auf eine ganze neue Ebene gehoben.
Ein Engel und ein Bentley-fahrender Dämon mit einer Affinität für die Musik der Gruppe Queen, die jeweils von den Idealen ihrer Seite nicht mehr so recht überzeugt sind, seltsame Hexenjäger, eine junge Nachwuchshexe, ein Antichrist namens "Adam", satanische Nonnen, die vier Reiter der Apokalypse und "A Full Chorus of Tibetans, Aliens, Americans, Atlanteans and other strange Creatures of the Last Days" schicken sich an, die letzten Tage der Welt sehr eindrucksvoll zu verleben.

Dabei haben die Autoren es tatsächlich geschafft, ihre doch verschiedenen Stile zu einem sehr homogenen und wenig sprunghaften Gesamtwerk zu verbinden, dass die genialen Ideen beider Schreiberlinge gleichermaßen zur Geltung bringt und so eigentlich jeden, der auch nur einen der Beiden leiden kann, erfreuen sollte.
Semiphilosophische Überlegungen (etwa im Bezug auf einen wohlbekannten Apfelbaum im Paradies heißt es: "I mean, pointing out the Tree and saying ‚Don't Touch' in big letters. Not very subtle, is it? I mean, why not put it on top of a high mountain or a long way off? Makes you wonder what He's really planning.") sind dabei ebenso an der Tagesordnung wie eine gehörige Portion Spott und Humor, welche sich hier gegen alles mögliche richtet. Religiöse Motive werden ebenso thematisiert wie ganz alltägliche Dinge des Lebens oder auch der Bildungsstand eines durchschnittlichen Amerikaners, der etwa in zahlreichen mit "Notes for young people and Americans" überschrieben Fußnoten Niederschlag findet.

Diese manchmal schon herablassende Art ist dabei durchaus nicht ganz aus der Luft gegriffen, denn zumindest sprachlich zeigen Pratchett und Gaiman einmal mehr, wie gekonnt man doch die englische Sprache verwenden kann.
Gerade in Sachen Wortwitz weiß das Buch sehr zu überzeugen, angefangen bei der Schlange, die Eva am Beginn der Zeit den Apfel andreht, die hier "Crawly" heißt (man denke an einen gewissen Obersatanisten und verstehe den Witz…) bis hin zu wirklich komplexen Sachen im weiteren Verlauf der Handlung.
Dadurch wird die Lektüre durchaus anspruchsvoller als man es erwarten sollte, zumindest, wenn man auch etwas von dem Buch haben möchte, aber wer eben hinter all die Anspielungen und Wortspiele steigt, dem steht auch eine äußerst amüsante Lektüre bevor.

Eine Warnung im Bezug auf die Sprache sei jedoch noch gegeben: es gibt einige wohl bewusste Stolpersteine.
Die beiden Autoren hatten sichtlich Freude daran, ihre Sprache stellenweise übel zu verdrehen. Sei es in den thematisierten Prophezeiungen, die in einer Art Pratchett-Old-English verfasst sind ("Lette the wheel of Fate trune, let harts enjoin, there are othere fyres than mine; when the wynd blowethe the blossoms, reach oute one to anothere, for the calm cometh when Redde and Whyte and Backe and Pale approche to Peas is Our Professioune.") oder sei es bei dem Hexenjäger Shadwell, der einen ganz und gar fürchterlichen Akzent an den Tag legt ("Awa' we ye, ye spawn o' hell! I'll have ye, ye evil bastard! I ken what ye be about, comin' up here and seducin' wimmen to do yer evil will!"), man ist manchmal echt gefordert.

Wer sich dem jedoch gewachsen fühlt, der erhält ein herrliches Buch voller abgedrehter Ideen und Charaktere die, wie das Cover in der Tat zu recht versprach, eine höllisch unterhaltsame Apokalypse darbieten, die für mich subjektiv vielleicht sogar das beste aller Bücher, auf denen der Name Pratchett prangt, darstellt.
Wer hingegen eher mit der deutschen Ausgabe liebäugelt, der sollte sich die folgenden Absätze noch zu Gemüte führen, Scimithar war so nett auch diese noch kurz zu bewerten.

Die deutsche Übersetzung des Romans stammt - wenig überraschend - von Andreas Brandhorst, der auch einen Großteil der Scheibenweltromane und anderen Bücher von Pratchett übersetzt hat. Wer also bisher mit den deutschen Ausgaben zufrieden gewesen ist, wird auch hier keine Qualitätseinbrüche bemerken. Außerdem sorgt es angenehmerweise für eine gewisse Konsistenz im Hinblick auf die anderen Bücher, etwa bei der Übertragung des pratchettschen pseudo-antiqierten Englisch, das ja auch gerade auf der Scheibenwelt weit verbreitet ist ("Ich binne nicht tot!").
Im Vergleich zum Original muss aber die deutsche Ausgabe ganz klar zurückstecken, nicht verwunderlich bei dem Wortwitz, dessen sich die beiden Autoren bedienen. Aus der Schlange "Crawley" wird etwa "Kriecher". Auch das gealterte Englisch wirkt im Deutschen etwas befremdlich ("Sehet, wie sich das Rad des Schicksals drehigt. Besinnet euch auf die Stimme des Härzens, denn es gebet andere Feuer als meiniges. Seid zusammen, wenn der Wind wehet Blätter und Blüten, denn die Ruhe kommet, sobald sich Rot, Weiß, Schwarz und Blaß den Fridden ist unsere Berufung nähigeren."), ebenso wie der nuschelnde Shadwell ("Ich habe dich auf frischer Tat ertappt, du Toifelsbiescht! Oh, ich weiß, auf fasch du aus bischt. Fillst beschtimmt unschuldige Frauen verführen, damit sie schich mit dem Toifel verbünden, nich' fahr?").
Wie gesagt, in Unkenntnis der englischen Ausgabe (und Sprache) funktioniert das Buch auch im Deutschen wunderbar, wer aber die Möglichkeit hat, dem sei (wie eigentlich immer) das Original empfohlen, auch, weil das Heyne-Produkt nicht ganz so edel daherkommt wie das von Thomas gelesene englische Exemplar...
Trotzdem spreche ich für das Buch, egal in welcher Sprache, eine uneingeschränkte Kaufempfehlung aus, allein schon das Autoren Dream-Team der beiden Briten sollte überzeugen, "Ein gutes Omen" sollte einfach jeder einmal gelesen haben...

 


Name: Good Omens  {jcomments on}
Verlag: Corgi Books  
Sprache: Englisch
Autoren: Terry Pratchett, Neil Gaiman
Empf. VK.: 3,99£  S
eiten: 383