Plischke, Thomas: Endspiel – Das Runde im Eckigen

Es war WM in Deutschland, einer der kommerziell größten Kuchen des Jahrzehnts vermutlich, und natürlich wollte sich jeder ein Stück davon abschneiden. Selbst in der Rollenspiel-Szene war der Trend zu erkennen und reichte von Cthulhu (ein WM-Abenteuer in der CW) über Unknown Armies (ein WM-Szenario lag dem SL-Schirm bei) bis hin zu DSA (wenn „Esche und Kork“ auch zu spät erschien, um noch richtig dazu zu zählen).
Bei Feder&Schwert war man auch daran interessiert, aber offenbar nicht gewillt, sich auf den kleinen Rollenspielmarkt begrenzen zu lassen. Ein Roman schien eine gute Lösung und so erblickte „Endspiel - Das Runde im Eckigen“ das Licht der Welt.

Der Autor, Thomas Plischke, ist kein Neuling auf dem Buchmarkt. Seinen Einstand feierte er mit dem DSA-Roman „Fuchsfährten“, schrieb danach zusammen mit anderen Autoren an drei Romanen des „Engel“-Settings von F&S mit. „Endspiel“ ist somit zwar sein fünfter Roman, gewissermaßen aber dennoch sein Einstand, denn es ist der erste Titel, den er nicht für eine bestehende Reihe schreibt.

Der Protagonist der Handlung ist Jo Renner, seines Zeichens Sportreporter bei einer nicht näher relevanten Zeitung. Er berichtet über die WM 2006 und lässt das Spektakel zu Beginn nicht gerade in den hellsten Farben strahlen. Das weckt das Interesse von gleich einer ganzen Reihe von Leuten. Auf verschiedenen Kanälen wird ihm, teils von ganz oben, doch nahegelegt, hier die Interessen des gesamten Landes an einer positiven WM zu wahren.
Ein Mann, offensichtlich vom BND, tritt an ihn heran und bittet ihn, als V-Mann zu arbeiten. Ein seltsamer Kerl glaubt versteckte Botschaften in Jos Artikeln zu finden und will ebenfalls mit ihm, einem „Wissenden“, irgendeine Katastrophe abwenden. Und irgendwie scheint alles im titelgebenden Endspiel zu kulminieren.

„Endspiel“ ist kein ernst gemeinter Titel. Im Inneren wird das Buch als „verschwörerisch-skurriler Fußball-Krimi“ bezeichnet, was es eigentlich recht gut umschreibt. Die Handlung selber bleibt dabei durchaus spannend und die sich langsam entfaltende Intrige ist zwar absurd, aber auf einem bestimmten Grad durchaus nachvollziehbar.
Diese Absurdität kommt aus verschiedenen Richtungen, zumeist aber durch die obskuren Charaktere und die oftmals bizarre Vermischung von Sport-Trivia und klassischen Verschwörungstheorien. So ist es ja ganz offensichtlich, dass beim Fußball 2x11 Spieler auf dem Platz stehen; die Schiedsrichterassistenten laufen streng genommen neben dem Feld, der Schiri selbst aber darauf, was bedeutet, dass stets 23 Mann auf dem Platz sind, nicht war?
Plischke versteht es zudem, zu schreiben. Sein Stil ist flüssig und pointiert, die Emotionen des Protagonisten werden auch dank der gewählten Ichperspektive gut transportiert, ohne dem Fluss der Handlung im Wege zu stehen. Er schafft es auch, die Nebencharaktere gut zu charakterisieren und zwar sind nicht alle sympathisch, wachsen einem in ihrer Gesamtheit aber schnell ans Herz.

Um das Buch wirklich schätzen zu können, braucht man allerdings ganz oberflächliche Kenntnisse der beiden Themengebiete „Fußball“ und „Verschwörungstheorien“. Sicher geht es auch ohne und eigentlich erklärt Jo dem Leser, den er auch innerhalb der Handlung direkt adressiert, alles, was er wissen muss. Doch die schiere Menge an Verknüpfungen realer Fakten sowie das vermischen von Fakt und Fiktion demonstriert er durchgehend sehr gekonnt. Da macht es einfach Spaß, an einigen Punkten denken zu können „Das passt perfekt und ich weiß, das ist tatsächlich damals so gelaufen.“

Das Buch nimmt dabei sehr konkret Bezug auf die WM 2006 und erlaubt sich daher auch hier und da den einen oder anderen gesellschaftskritischen Hieb, insbesondere eine gewisse Kapitalismuskritik (um es mal etwas überzeichnet zu sagen) schwingt etwa bei den Ausführungen über firmenbezogene Stadiennamen durchaus mit. Damit kann man aber gut leben. Was mir bisweilen die Lektüre aber etwas verleidet hat, sind die Namen der genannten Spieler. Plischke verwendet keine Originalnamen und beschreibt viele Charaktere auch nur in Funktionen (allen voran: „der Bundestrainer“). Doch gerade eben bei den Feldspielern kommen fiktive Namen ins Spiel, deren Quelle sich aber doch gut erkennen lässt – so heißt der Kapitän der deutschen Mannschaft Markus Alblack, bei den Holländern spielt Guus van Ristelnooy etc. Das wirkte auf mich irgendwie, ja, billig. Manchmal sogar störend, weil es irgendwie versucht, Realität und Fiktion auf eine Weise zu mischen, die einfach nicht zusammenpassen will. Vor allem hätte das Buch sowas eigentlich nicht nötig gehabt.

Zuletzt ein gesondertes Lob gebührt allerdings auch dem Buch selber. Man merkt, dass es kein Großverlagsbuch von der Stange ist, denn man hat sich relativ viel Mühe mit dem Layout gegeben. Wiederholt werden Renners Artikel darin zitiert, dann auch mit zeitungshafter Typographie und mit formschönen, schwarzen Balken über den Namen.
Schreibmaschinengeschriebene Briefe haben ebenfalls eine entsprechende Schrift, ein Nachruf ist schwarz umrandet und derlei Spielereien mehr. Das ist jetzt kein Kaufgrund, aber es unterhält durchaus während der Lektüre, ist immer mal was Frisches alle paar Seiten. Hat mir durchaus gut gefallen.

Wir haben nun mittlerweile 2007 und das bisschen, was man Sommer hätte nennen können, ist auch schon wieder vorbei, die WM 2006 liegt also gefühlt schon wieder weit zurück. Sollte man „Endspiel – das Runde im Eckigen“ dennoch mal eine Chance geben?
Ich finde auf jeden Fall. Das Buch ist gut geschrieben und voller schöner Ideen, spannend und vor allem sehr unterhaltsam gestaltet. Obschon natürlich vor der WM geschrieben, fängt es irgendwie verschiedene Phänomene der Zeit rund um das Event (diese Landesweite Euphorie, aber auch etwa die ziemlich harsche und teils fragwürdige Sicherheitspolitik) gut ein und ist zudem noch schön aufgemacht.
Zugegeben, die Namen einiger Charaktere sind eher mau, aber damit kann man denke ich noch gut leben. Selbst der Preis von 9,95 Euro geht in heutigen Taschenbuchmaßstäben noch in Ordnung (und ich verkneife mir jetzt mal zur Abwechslung das Gerede um die Preise von früher) und das Buch ist zwar dünn, aber die Länge ist eigentlich genau richtig für die Geschichte, die Plischke hier erzählen will.
Soweit man mich fragt, hat der Autor, der laut Beschreibung in „Endspiel“ übrigens „mit Mann und Frau in Hamburg“ lebt und „[m]it Vorliebe [...] selbstgebastelte Hüte aus Alufolie“ trägt, hier ein ziemlich gutes Buch abgeliefert. Wer nun wenigstens etwas für des Deutschen liebsten Sport übrig hat und zudem augenzwinkernden Verschwörungen nicht abgeneigt, der sollte zugreifen.


Name: Endspiel – Das Runde im Eckigen
Verlag: Feder&Schwert
Sprache: Deutsch
Autor: Thomas Plischke
Seiten: 271
ISBN: 3-937255-85-0{jcomments on}