Cavelty, Gion Mathias: Endlich Nichtleser

Bücher, die einem das Rauchen das Abgewöhnen gibt es nahezu unbegrenzt viele auf dem deutschen Buchmarkt. Bücher, die einem das Lesen abgewöhnen wollen, da gibt es hingegen nur eines.
"Endlich Nichtleser" ist ein ganz besonderer Beitrag zum Literaturbestand der westlichen Welt und stammt aus der Feder des Schweizers Gion Mathias Cavelty. Der 1974 geborene Autor zeichnete sich nicht nur, untypisch für seinen Schlag, durch eine Liebe für Heavy Metall aus, sondern schrieb sein erstes Stück veröffentlichte Literatur nach eigenen Angaben mit Hilfe von Dante, seinem schwarzen Pudel, welchem er das Rauchen beigebracht hat. Er veranstaltet gemeinsam mit Marvin, der sprechenden Topfpflanze, in Zürich die s.g. "Literaturshow" und schmückt sich seit einer Weile eben mit der pseudorevolutionären Aura, bekennender Nichtleser zu sein.

Klingt seltsam? Ist symptomatisch, denn so wie der Autor, so ist auch "Endlich Nichtleser" sehr seltsam. 100 Kapitel auf nahezu ebenso vielen Seiten entführen den Leser auf eine Art Meta-Reise durch die erzählte Geschichte und das Epos Buch allgemein.
So richtet sich das Buch direkt an den Leser und verkündet ihm, das, Zitat Kapitel 96, "in allen Büchern [...] nur Scheisse" steht. Zugleich folgt die darin erzählte Geschichte des Ich-Erzählers, der eben seinerseits auf einer infernalischen Queste zum Nichtleser geworden ist.

Diese Queste, gleich vorweg, ist eine vielleicht einmalige Sammlung an Querverweisen und Referenzen an Autoren, Erzählungen und wichtige Persönlichkeiten der Literatur- und Buchgeschichte.
So lernen wir etwa H.P. Lovecraft kennen, eine kleine, dicke Frau, die mit fünf Gestalten in "Ku-Klux-Klan-Kluft", ihre Tanten, wie sie meint, gerade Tee dringt. Ebenso hat sich Yog-Sothoth in der Geschichte einen Platz gesichert; einen ganz besonderen Platz!
Auch Gutenberg hat einen Auftritt, wenn er auch kurz ist und für den Erfinder des Buchdrucks schmerzlich endet.

Dazu gesellen sich noch eine ganze Reihe eigener bis eigenartiger Gestalten, wie Jokkmokk Robenson, das Regenbogenmädchen und ein felliges Monster mit einem goldenen Penis sowie geniale Erfindungen wie Nasenbomben.
Die ganze Geschichte läuft, verwebt sich, springt, kommt vom Weg ab und dorthin zurück und nimmt letztlich auf der Frankfurter Buchmesse.

Es ist ungeheuer schwer, den Reiz dieses Buches in Worte zu fassen. Es passiert auf den ersten Blick nur Unsinn am laufenden Meter, doch je mehr man hinschaut, desto mehr Querverweise kann man entdecken, desto mehr offenbart sich eine eigentümliche, innere Logik in der Geschichte.

Natürlich steckt aber auch in der generellen Propaganda wider dem Lesen eine gewisse Mehrdeutigkeit, wie man sie gut im 97. Kapitel erkennen kann. Dort erfahren wir, dass Lesen u.a. impotent macht, Diktatoren in Südamerika zugute kommt, an der Arbeitslosigkeit schuld ist und für fast alle Kreuzblütler das sichere Aus bedeutet.
Die Sprüche sind bekannt und werden in bestimmten, anderen Sachgebieten immer wieder gerne herangeführt – die Wahl des Themas "Lesen" offenbart dagegen ihre Auswechselbarkeit.

"Endlich Nichtleser" ist somit ein Metabuch, das eine Geschichte erzählt, die wiederum nur völlig mit größerer Literaturkenntnis zu erfassen ist, das diese dem Leser zugleich untersagen will und auch noch, anhand dessen, all die Protestschriften unserer Zeit aufs Korn nimmt.
Dies alles erreicht es dann, indem es formal den wohl größten Unsinn erzählt, der mir seit langer, langer Zeit untergekommen ist.

Daher kann man nur raten: lest dieses Buch! Es ist genial! Ein literaler Drogenrausch, aber genial!
Zwar macht es einen nicht zum Nichtleser, aber zumindest wird niemand, der das Buch kennt, den Namen "Meier" noch so sehen, wie es andere Menschen tun.
Name: Endlich Nichtleser
Verlag: Suhrkamp
Sprache: Deutsch
Autor: Gion Mathias Cavelty
Seiten: ca. 100 Seiten
ISBN: 3-518-39631-5{jcomments on}