Auster, Paul: Die New York-Trilogie

„Die New York-Trilogie“ ist ein Sammelband, auch wenn man es ihm auf dem ersten Blick kaum abnehmen mag. Doch tatsächlich sind drei Romane auf den 374 Seiten untergekommen, was jedoch weniger am engen Druckbild als an der Kürze der Beiträge liegt. „Stadt aus Glas“, „Schlagschatten“ und „Hinter verschlossenen Türen“, im Original „City of Glass“, „Ghosts“ und „The Locked Room“, erschienen ursprünglich einzeln in den Jahren ‘85 und ‘86 im englischsprachigen Raum; 1987 schaffte es „Stadt aus Glas“ nach Deutschland, die anderen beiden Teile kamen dann gleich zusammen mit dem Erstling 1989 als Sammelband heraus.

Allen drei Büchern ist gemein, dass sie mit einem Attribut belegt wurden, dass leider so schwammig ist, wie eine Bezeichnung nur sein kann – sie seien „postmodern“, heißt es. Da sie als bedeutende „postmoderne Romane“ gelten, schicke ich das vorweg, aber darauf eingehen mag ich eigentlich nicht.
Was die beiden Romane aber vielmehr sind, sind Detektivromane. In ihren Set-Ups gleichen die Geschichten sehr den Romanen eines Raymond Chandler oder einem seiner Zeitgenossen, atmen etwas die Luft dessen, was im Film der film noire war. Einsame, trinkende Detektive werden von schönen Frauen und geheimnisvollen Auftraggebern angeheuert, um scheinbar recht einfache Fälle zu untersuchen.
So kann man das grob zusammenfassen, in der Praxis aber ist es weitaus komplizierter.

Was Auster daraufhin aufbaut, und was ihm vermutlich das „postmodern“-Etikett eingebracht hat, ist ein faszinierendes, intertextuelles Gespinnst. Nehme man sich „Stadt aus Glas“. Der Protagonist, Daniel Quinn, erhält einen Anruf von einem Fremden. Der Versucht einen Privatdetektiv zu erreichen, einen Mann namens Paul Auster. Quinn aber ist nicht Privatdetektiv, er ist Autor – Quinn verfasst Detektivromane. Aber von der Neugierde getrieben gibt er sich als Auster aus.
Der realweltliche Autor Paul Auster baut in seine Geschichte einen fiktiven Privatdetektiv gleichen Namens ein, für den sich wiederum sein fiktiver Detektivromanautor ausgibt – und das ist gerade mal der Anfang des ersten von drei Teilen.

Dieses Spiel beschränkt Auster dabei allerdings auch nicht auf seine eigene Person. So wie in der ersten Geschichte Don Quichote eine wichtige Symbolfigur ist, so ist Thoreaus „Walden“ in „Schalgschatten“ ein Sinngeber. Am Ende von „Hinter verschlossenen Türen“ gewinnt dann sogar die Erzählperspektive der einzelnen Geschichten eine bestimmte Bedeutung und es gelint Auster (dem Echten) sogar ein gekonnter Kniff, der sinnig erklärt, woher die starken Parallelen in den Geschichten stammen.
Diese sind im Übrigen recht unterschiedlich geraten. „Stadt aus Glas“ liest sich wie ein typischer Roman des Genres, erzählt in der dritten Person. Das gilt auch für „Hinter verschlossenen Türen“, wobei der Erzähler dort jedoch aus der Ich-Perspektive schildert. Dazwischen liegt „Schlagschatten“, der ungewöhnlichste Teil, denn hier sind sämtliche handelnden Personen mit Namen durchcodiert und es ist Black, der von White den Auftrag bekommt, Blue zu beobachten.

Ein derart mit der Sprache spielendes Buch ist dabei natürlich in der Übersetzung immer ein besonderer Fall. Joachim A. Frank hat ein in weiten Teilen gut lesbares Buch übersetzt, wenn auch etwas die sprachliche Eleganz der Vorlage gelitten und das ein oder andere Idiom doch einen schweren Schlag in die Nierengegend hat erleiden müssen. Ein bestätigendes „I see“ heißt nunmal nicht „Ich sehe“ im Deutschen, wenn aber der nächste Nebensatz gleich darauf abzielt, dass der Charakter wirklich gerade nichts sehen kann, ist verständlich, warum der Übersetzer da schleudert.
Alles in allem würde ich daher sagen, wer kann, der greife zum Original.

Die Trilogie ist dabei sicherlich auch nicht für jedermann was geworden. Die Geschichten funktionieren an sich als Detektivgeschichten zwar, sind aber auch nicht herausragend.
Dieses Spiel mit (Erzähl-)Wirklichkeiten und Ebenen ist es, was einen wirklich fesselt. Die Grenzen der Protagonisten der Romane, die Grenzen der Romanhandlungen an sich sowie die Trennlinie zwischen Autor und Werk verwischen immer mehr und nach und nach verfällt man diesem Spiel einfach.
Wer aber Bücher vor allem wegen der puren Handlung liest, für wen Sprache alleine ein Mittel ist und wer von Intertextualität nichts hält, der sollte sich lieber ein anderes Buch suchen.

„Die New York-Trilogie“ hat mir persönlich sehr gut gefallen, sei daher eben mit der Einschränkung des letzten Absatzes empfohlen. Positiv sei noch vermerkt, dass es das Buch recht preiswert zu kaufen gibt, man also im Zweifel auch mal „ein Experiment wagen“ kann, ohne gleich Unsummen auszulegen.
„Stadt aus Glas“ hat mir rundum am Besten gefallen, doch alles in allem hat die Sunday Times mal nicht gänzlich unrecht, wenn sie „Die New York-Trilogie“ als „literarische Sensation“ feiert. Ist schon ein ganz besonderes Werk geworden...


Name: Die New York-Trilogie (Stadt aus Glas/Schlagschatten/Hinter verschlossenen Türen)
Verlag: Rowohlt
Sprache: Deutsch
Autor: Paul Auster
Seiten: 374
ISBN: 3-499-12548-X{jcomments on}