Shocker, Dan: Die Angst erwacht im Todesschloß

"Hey, komm mal her!" Das war der Ausruf Scimis auf dem Feencon 2004, als er mich zu einem der Stände mit gebrauchten Büchern zerrte. "Ich kenne ja Trash-Filme", fuhr er fort, "aber Trash-Romane sind mir neu!" In seinen Händen hielt er einen Roman des überaus suspekt klingenden Autors Dan Shocker. Der Titel klingt schon, als habe man sich in den Tiefen des Universums eines Edgar Wallace verirrt und das Titelbild ... ja, das Titelbild spottet ohnehin jeder Beschreibung. Ein in weiße KuKluxKlan-Roben gehüllter Kerl sowie ein Henker mit Axt, offenem Hemd und rosa-violetter Henkersmaske starren einem dort, als Foto wohlgemerkt, entgegen. Als ich kurz darauf dem Händler mitteilte, das Buch wirklich erwerben zu wollen, antwortete er "Naja, dann sei aber mal nicht zu enttäuscht..." – schätze, spätestens da hätte ich skeptisch werden sollen.

Mittlerweile weiß ich etwas mehr. Dan Shocker ist ein Pseudonym (ach...), seine Romane heute selten, die darauf basierenden Hörspiele dagegen genießen großen Ruhm innerhalb ihres Fandoms. Es waren zudem, noch vor der "Geburt" John Sinclairs, die ersten Horror-Groschenhefte auf dem deutschen Markt. "Die Angst erwacht im Todesschloß" ist der zweite Teil der Reihe, inhaltlich macht dies aber nur am Rande etwas aus.

Inhaltlich – ein gutes Stichwort. Worum also geht es in diesem Roman? Protagonist der Handlung ist Larry Brent, frischgebackener Mitarbeiter der PSA, der Psychoanalytischen Spezialabteilung. Die ist nominell in Amerika situiert, ermittelt aber rund um die Welt mit ihren zwanzig Agenten. Diese sind die Elite der Ermittler-Zunft, wurden unter anderem "in den härtesten koreanischen Kampfsport, Taekwon-Do, eingeführt."
Das kurze Zitat zeigt es schon: der Roman atmet erkennbar den Flair der späten Siebziger, als man "Aikido-Griffen" noch Menschen lähmen konnte, Geheimagenten noch Codenamen wie X-RAY-3 trugen und mit schon entwickelten, aber noch geheimen Laserpistolen ausgerüstet waren.

Larry nun muss in diesem Roman nach England reisen, denn – um nun das Backcover zu zitieren: "Im Schloß des Duke of Huntingdon geht es um..."
"Es", das sei gesagt, meint hier einen Geist, auf des Konto anscheinend schon mehr als zehn Menschenleben gehen – ein Rätsel, dem Brent, ebenso wie sein neuer Kollege, der Russe Iwan Kunaritschew (Codename X-RAY-7), nun nachgehen soll.

Innerhalb der folgenden 160 Seiten bekommt man dann nicht nur die eigentliche Ermittlung geboten, sondern auch noch Brents lange Aufnahme in die Reihen der PSA; weiterhin ködert die Handlung noch mit einem Verbrecherring, einem Klopfgeist, den beiden Töchtern des Dukes, mehreren Toten und Hologrammen.
Das macht es auch schwierig, hier die Kurve zur Bewertung zu kommen.

Fangen wir mal gerade heraus an: "Die Angst erwacht im Todesschloß" ist mit Abstand der größte Schund, den ich in letzter Zeit gelesen habe! Die Handlung ist wirr, überschlägt sich andauernd und wird erst zwanzig Seiten vor Schluss wirklich einmal über das Niveau von Dingen, die einfach mal so passieren, gehoben.
Das ist zwar ein bekanntes Stilmittel, aber dass man fast 140 Seiten lesen muss um zu erfahren, wer der arme Knilch ist, der auf Seite drei sein Leben lässt und danach nie wieder genannt wird, ist schon nicht mehr schön.
Die Charakterzeichnung ist bestenfalls flach, mancher Charakter kommt sogar nur so sporadisch vor, dass man das Gefühl hat, der Autor selbst habe ihn für lange Strecken aus den Augen verloren.
Der Schreibstil ist ebenfalls, naja, naiv und typisch für einen Groschenroman der Zeit ... wobei der Groschen in diesem Sinne damals auch schon 3,50 DM wert war, aber gut. Als Beispiel dazu sei ebenfalls noch mal ein Absatz zitiert:
"Kunaritschew teilte seine gefürchteten Hiebe aus. Man sagte, wohin seine Fäuste trafen, wüchse kein Gras mehr.
Innerhalb von fünf Minuten wimmelte er vier Gegner ab, die ins Wasser flogen und zwischen dem Schilf liegen blieben, als hätte sie der Blitz getroffen.
Aber dann unterlag der Russe doch der Übermacht.
Iwan hatte einen knallharten Kopf, aber der Pistolenknauf war noch härter."

Gerade anhand dieses Zitats kann ich nun aber die Kurve doch noch kriegen und muss etwas gestehen: irgendwie hat das Buch schon Freude gemacht. Es ist nicht spannend, nicht gut geschrieben, hat keine interessanten Charaktere und ist streckenweise nicht mal nachvollziehbar ... aber Spaß hat es gemacht.
Eben so wie etwa auch Edgar Wallace-Filme Spaß machen – von einigen Ausnahmen abgesehen sind die auch sehr abstrus zu nennen, mit Abziehbild-Charakteren von viel Blödsinn, aber es macht Spaß.
Vielleicht kann man da, Fans mögen mir verzeihen, Dan Shocker tatsächlich als eine Art Trash des Buchmarktes bezeichnen. Die Naivität, das vollkommene Fehlen von Sarkasmus und Zynismus, das gute Gewissen, den Mörder erst am Schluss bestimmen zu müssen und strahlende Helden, deren Makellosigkeit keine Grenzen zu haben scheint – all dies sind natürlich keine Elemente eine guten Roman. Aber sie sind doch irgendwo heutzutage schon eine gute Abwechslung zur alltäglichen Lektüre und gut für ein paar Minuten des totalen Abschaltens.

Nein, empfehlen kann ich "Die Angst erwacht im Todesschloß" sicher nicht, denn die "Shocker-Time", die mir auf dem Backcover verheißen wurde, ist ausgeblieben. Aber wer mal Lust hat, zu schauen, wie Unterhaltungsliteratur in dem uns so nahen Genre des Mystery-Horrors sich Ende der Siebziger gelesen hat, ich denke, für den wird es eine ganz interessante Erfahrung werden.


Name: Die Angst erwacht im Todesschloß
Verlag: Zauberkreis Verlag
Sprache: Deutsch
Autor: Dan Shocker
Seiten: 160
ISBN: unbekannt!{jcomments on}