Saul, John: Die Blackstone-Chroniken

Dunkel und finster ragt die Ruine der alten Irrenanstalt der kleinen amerikanischen Stadt Blackstone auf, wirft einen schwarzen Schatten auf die Ortschaft und in die Herzen ihrer Bewohner. Doch nun soll sich das ändern und das Bollwerk soll weichen – doch kaum, dass die Abrissbirne die ersten Mauern feierlich niederreißt, beginnen seltsame Vorgänge.
Immer mehr Bewohner bekommen seltsame Geschenke ins Haus geliefert ... doch mit diesen Geschenken scheinen auch Unglücke Einzug in den Ort zu halten und wirbeln den Ort kräftig auf.

Der vorliegende mächtig dicke Band ist eine Sammlung von sechs ursprünglich einzeln erschienenen Groschenromanen. John Saul, eingesessener Horrorautor mit schier endloser Veröffentlichungsliste, hatte sich Mitte der 90-er von der Trend, Horror-Miniserien im Stile Stephen Kings "The Green Mile" zu veröffentlichen, anstecken lassen. Über sechs Bände erstreckte sich seine Handlung ("Die Puppe", "Das Medaillon", "Der Atem des Drachen", "Das Taschentuch", "Das Stereoskop" und "Das Irrenhaus"), die auch von ihrer Idee her an Stephen King erinnert, geht es in dessen "Needful Things" ("In einer kleinen Stadt") doch ebenfalls um böse Geschenke.

Doch Sauls Geschichte zeichnet sich sicherlich durch genug Punkte aus, um eine eigene Existenzberechtigung zu haben. Denn, anders als man es vielleicht bei einem solchen 'Groschenroman' erwartet, seine Geschichte hat vor allem eine sehr dichte Atmosphäre. Eine sehr gut konzipierte Ortschaft mit vielen überraschend vielschichtigen Charakteren, obschon die meisten doch Klischees sind, dient ihm als Ort der Handlung und wirkt sehr überzeugend.
Denn die Geschenke bringen nicht einfach von irgendwo her das Unheil herbei, vielmehr wecken sie in den Leuten latent vorhandene Schwächen und treiben sie bis zum Exzess, bis sich die Bewohner ganz von selbst gegeneinander wenden.
Und über all diesen Vorgängen schwebt, als verbindendes Element, die finstere Irrenanstalt, die auf komplexem Wege auch mit dem eigentliche Protagonisten des Romans – dem Journalisten Oliver Metcalf – verbunden zu sein scheint. Zudem schleicht, seit dem ersten Einschlag der Abrissbirne, eine dunkle Gestalt durch die Gassen der Stadt, deren Identität bis zum Ende der Reihe ein Mysterium bleiben wird.
Schön auch der Soap-Charakter der Romane, denn neben der eigentlichen Handlung um die Geschenke entwickeln sich auch die anderen Charaktere weiter, vor allem Olivers zaghafte Beziehung zu der jungen Rebecca macht einfach Freude.

Saul steigert sich dabei nach einem sehr durchschnittlichen Anfang mit 'Die Puppe' immer weiter und zieht einen letztlich doch in seinen Bann, obwohl die Geschichte an einigen Punkten zu vorhersehbar und an anderen Punkten wieder zu sprunghaft erscheint.
Doch gerade wenn man einmal mit den einzelnen Charakteren mitfiebert, wenn man sie einmal in sein Herz geschlossen hat – was wirklich nicht schwer ist – dann ist es auch schwer, das Buch wieder beiseite zu legen. Wie eben bei einer Art Horror-Soap zittert man mit, wenn liebgewonnene Charaktere plötzlich ein Paket erhalten, ahnt bereits das Unglück kommen und wird da auch nicht enttäuscht.

Leider geht ihm dann aber gegen Ende etwas die Puste aus. Das Buch erfährt natürlich seine Auflösung und rein von der Dramaturgiekurve kommt er, dafür das er im Nachwort selbst noch über die große Zeitnot am Ende klagt, gut aus. Doch die Auflösung selbst ist etwas unbefriedigend und hinterlässt einen faden Nachgeschmack. Man hat einfach das Gefühl, das hätte besser durchdacht sein können.

Dennoch, das Buch bietet für seine 8,45 Euro quantitativ wie qualitativ gute Horrorkost, bei der Preis und Leistung einfach stimmt. Der Anspruch des Buches hält sich über weitere Strecken recht bedeckt, aber es ist halt spannend und ich denke, auch mancher Spielleiter findet hier noch Inspiration.
Außerdem ist ein wenig anspruchslose und dennoch unterhaltsame Lektüre ab und an auch nicht verkehrt, oder?

Mir jedenfalls hat der Aufenthalt in Blackstone sehr viel Freude bereitet – kann man sich gut gönnen.


Name: Die Blackstone-Chroniken
Verlag: Bastei Lübbe
Sprache: Deutsch
Autor: John Saul
Seiten: 754
ISBN: 3-404-14394-9{jcomments on}