Cussler, Clive: Der Todesflieger

Wer viel hohe Literatur liest, der lernt die leichte Kost schnell lieben. Jedenfalls geht es mir so, seit ich Germanistik studiere und so kam mir Clive Cussler gerade gelegen. Cussler war Pilot bei der US Air Force, hat vergessene Goldminen in Amerika und versunkene Schiffe vor der englischen Küste gesucht, hat aber vor allem in den Siebzigern ein hohes Ziel gehabt: Er wollte Amerika ein Äquivalent zum britischen James Bond geben.
Seine Antwort hieß und heißt Dirk Pitt, ein militärischer Draufgänger, der im Umfeld der Meeresforschungsgruppe NUMA spannende Abenteuer erlebt. Wem das bekannt vorkommt, der hat Dirk Pitt vielleicht vor nun gut zwei Jahren im Kino gesehen, denn der Film „Sahara“ war eine Cussler-Verfilmung. Mit dem Buch „Operation Sahara“ habe der Streifen aber nur noch wenig gemein gehabt, heißt es aus dem Umfeld des Autoren, der das Projekt irgendwann erbost verlassen hat. Es sei zu simpel, zu verdummt umgesetzt. Ein interessanter Vorwurf, wir werden darauf zurückkommen.
Die ganze Dirk Pitt-Geschichte ist zweifelsohne zu Cusslers Lebensinhalt geworden, hat er doch eine echte NUMA mitbegründet und seinen Sohn, obacht, sogar Dirk genannt.

Das vor uns liegende Buch ist aber nun nicht „Operation Sahara“, sondern „Der Todesflieger“, Cusslers Erstling aus dem Jahre 1973. Der günstigste Weg, an das Buch zu kommen, ist ein Sammelband aus dem Goldmann-Verlag, wo es zusammen mit seinem Nachfolger „Eisberg“ erscheinen ist.
Goldmann haben auch viel Liebe in das Buch gesteckt, erkennbar etwa daran, dass hier „Eisberg“ vor „Der Todesflieger“ enthalten ist, aber nun gut, Unterhaltungsliteratur und deutsche Verlagshäuser, ein ewiges Trauerlied.

Der Plot des Buches startet eigentlich direkt mit vollem Schub durch. Eine Doppeldecker-Maschine aus dem zweiten Weltkrieg (!) greift in den Siebzigern (!!) einen amerikanischen Militärstützpunkt in Griechenland (!!!) an. Aber Major Dirk Pitt und sein Kumpel Al Giordino sind zur Stelle und können Schlimmeres verhindern. Eigentlich ist Pitt da, um einige Fälle von mutmaßlicher Sabotage auf dem NUMA-Schiff First Attempt zu untersuchen, doch verstrickt er sich in Windeseile in einen ganz Wust von anderen Spuren.
Was etwa hat es mit der jungen, gutaussehenden Frau zu tun, Teri, die offenbar die Nicht des geheimnisvollen, reichen Deutschen Bruno von Till ist, der ebenfalls in der Region haust? Ehe sich Pitt versieht, ist er in einer großen Geschichte um Mord, Drogenschmuggel, INTERPOL und Kriegsverbrechen verwickelt, die in einem infernalischen Showdown ihre Auflösung findet.

Es sind eigentlich drei Merkmale, die das Buch für mich in seine Gänze ausgezeichnet haben. Zunächst einmal ist es herrlich, wenn auch oft unfreiwillig komisch, wie überragend Cussler seinen Helden in allen Situationen schildert. Pitt durchschaut jeden Trick, kann nahezu jeden Gegner niederringen, fällt nicht um, wenn er einen aufgesetzten Schuss ins Bein kriegt und sieht dabei immer blendend aus. Giordino mutiert gelegentlich geradezu zum Vorwand, damit Pitt mal wieder erklären kann, warum das gerade toll war, was er gemacht hat.
Dann ist da Cusslers Sprache. Cussler schreibt sehr einfach, aber sympathisch. Reich an Hauptsätzen und irgendwie sehr, naja, einfach halt. Keine komplizierten Konstruktionen und stilistisch immer so ein bisschen, wie man vermutlich Freunden eine Abenteuergeschichte erzählen würde.
Interessant ist, dass man als Leser merkt, dass Cussler kein Karl May ist. Er hat genug Ahnung von Nautik und Flugwesen, von Meeresforschung, Tauchen und Waffen, um dem Leser irgendwie immer das Gefühl zu vermitteln, kompetent zu sein. Trotz, vielleicht auch gerade wegen der einfachen Sprache.

Der dritte Faktor des Buches, der mich unaufhörlich fasziniert hat, ist aber die Unmöglichkeit des Charakters Dirk Pitt. Ich zitiere in Rezensionen ja eigentlich nicht mehr so oft aus den Büchern, aber man stelle sich folgendes Szenario vor:
Pitt trifft eine junge Frau am Strand. Die berichtet ihm, warum auch immer, nach kurzer Zeit unter Tränen von ihrem vor Jahren verstorbenen Gatten, um den sie noch immer trauert. Pitt reagiert, wie ich es, naja, sagen wir einmal nicht erwartet hatte:
„Zorn stieg in Pitt auf. Was für eine Vergeudung, dachte er. Was für eine elende Vergeudung, wenn eine so hübsche Frau fast neun Jahre lang einem Mann nachtrauert. je länger er darüber nachdachte, desto mehr wuchs seine Empörung. Er sah, wie ihr die Erinnerung an ihren Mann die Tränen in die Augen trieb. Das war kein Anblick für ihn. Er vergaß sich. Er beugte sich zu irh hinüber und schlug ihr mit dem Handrücken hart ins Gesicht.
Entsetzt riß sie die Augen auf. Es dauerte eine Weile, bis sie den Schock verdaut hatte. »Warum schlagen Sie mich?« stieß sie endlich hervor.
»Weil Sie es nötig haben, dringend nötig«, fauchte er.“

Die deutsche Ausgabe geht dabei, soweit ich das ohne Kenntnis des Originals sagen kann, in Ordnung. Aber sie liest sich flott und klingt eigentlich an keiner Stelle übersetzt, könnte so auch auf Deutsch geschrieben worden sein. Tilmann Göhler hat seine Arbeit also durchaus gut gemacht, wenn auch die Frage auf ewig im großen Buch der ungeklärten TItelübersetzungen Eingang finden wird, wie aus „The Mediterranean Caper“ zu Deutsch „Der Todesflieger“ werden konnte.

Ob man das Buch lesen sollte, kann man sich recht gut selbst beantworten. Wer Lust hat, ein spaßiges Abenteuer mit einem Hauch von Thriller, absolut flachen Charakteren, sympathisch-einfacher Schreibe und einer unemanzipiert-chauvinistischen Katastrophe als Held zu lesen, vielleicht auch nur, weil er darüber lächeln kann, der sollte dem „Todesflieger“ durchaus mal eine Chance geben. Belohnt wird er mit skurrilen Ideen, einem in seinen eigenen Bahnen sogar halbwegs logischen Plot und eine herrlichen Finale mit allen Klischees, sogar dem unvermeidlichen Selbstoffenbarungs-Monolog des Schurken.
Mit hat „Der Todesflieger“ auf seine Art durchaus Spaß gemacht und ich denke, ich werde mir dann bald auch mal den „Eisberg“ zu Gemüte führen. Aber jetzt brauche ich erst mal wieder ein Buch mit mehr Gehalt dazwischen, glaube ich...


Name: Der Todesflieger
Verlag: Goldmann
Sprache: Deutsch
Autor: Clive Cussler
Seiten: 250 (in einem Band zusammen mit „Eisberg“ (weitere 284 S.)
ISBN: 3-442-11610-4{jcomments on}