Hoffmann, E.T.A.: Der goldene Topf

Heute serviere ich mal wieder einen Klassiker, wie so oft jedwede Kritik, dass das vielleicht ja doch etwas selbstgefällig sei, ignorierend. Heute liegt E.T.A. Hoffmanns „Der goldne Topf“ vor mir, ein Märchen, das er Anfang des neunzehnten Jahrhunderts geschrieben hat. Die Erzählung gibt es kostengünstig als Ausgabe des Reclam-Verlags, aber auch in diversen Sammlungen. Besonders empfehlen kann man da die Hardcover-Ausgabe aus dem Albatros-Verlag, die „Der Sandmann“ heißt, diverse Geschichten Hoffmanns enthält und sehr kostengünstig ist.

Hoffmann ist einer der Vertreter der Romantik, vor allem aber auch der Schauergeschichten in Deutschland und ist damit im gleichen Feld tätig, wie es etwa Stoker und Shelley im englischen Sprachraum zu etwa der gleichen Zeit waren. Nur ist Hoffmann vermutlich auf weiter Flur weitaus unbekannter als seine vielfach verfilmten Pendants.
„Der goldne Topf“ ist ein Märchen, wenn auch dafür von beträchtlichem Umfang. Die Romantiker mochten Märchen sehr gerne, da sie damit wieder die Phantastik in eine Zeit bringen konnten, die unter der Aufklärung sehr viel an Magie verloren hatte. Genau das macht auf Hoffmann sich zum Thema.

Protagonist der Geschichte ist Anselmus, ein junger Student in Dresden. Er eilt zu Beginn im Übereifer durch die Straßen und rennt dabei, versehentlich, eine alte Frau, die Äpfel zum Kauf anbietet, mehr oder weniger um. Das „Weib“ verflucht ihn daraufhin, obschon er ihr all ihr Geld da lässt, und Anselmus ergreift die Flucht. Mangels Geld von den Festivitäten des Tages ausgeschlossen kommt er unter einem Holunderbaum zur Rast, wo für ihn seine wahre Queste beginnt: Ihm erscheinen mehrere fast ätherisch wirkende Schlangen und er ist quasi sofort in eine von ihnen vernarrt.
Im weiteren Verlauf der Geschichte beginnt er dann eine Anstellung beim Archivarius Lindhorst, der ein eigentümliches Faible für Mythen hat und offenbar eigene Pläne für den jungen Studenten hegt, erfährt weitere unheimliche Erscheinungen des „Apfelweibes“ und hadert zudem mit der Liebe zu der Wesenheit, die ihm unter dem Baume erschien, die er in Lindhorsts Tochter Serpentina wiedererkannt zu haben glaubt.
Am Ende kommt es zu einem packenden Finale, indem sich Anselmus zwischen Zauberreich und Alltagswelt positionieren muss, Gut und Böse sich eine wahre Schlacht liefern und sich entscheidet, ob der Student es schafft, sein Schicksal zu erfüllen.

Das klingt soweit sicherlich spannend, kann man nicht anders sagen. Mythen, Mystik, Gut und Böse, viel Symbolik und eine eigentlich schöne Geschichte zählen sicherlich zu den absoluten Pluspunkten von Hoffmanns Erzählung. Leider hat das alles auch einige Schattenseiten, die man gerade im Sinne einer Buchkritik aus dem Jahre 2008 nicht außer Acht lassen kann.
Der Kernpunkt meiner Kritik ist, leider, die Sprache. Nicht nur, dass diese naturgemäß nach ca. 200 Jahren antiquiert wirkt, Hoffmann ist zudem ein ziemlicher Großkönig der Schachtelsätze und wenn das, was er schreibt, laut gelesen auch wirklich schön klingt, so ist es dennoch nicht ganz trivial. Dadurch, dass dabei so gut wie kein Absatz den Text unterbricht, wird „Der goldne Topf“ zu einer durchaus anstrengenden Lektüre und nichts, was man sich nach langen Tagen im Feierabend vornimmt.
Zudem muss man sehen, dass die Geschichte, wenn auch insgesamt spannend, im Detail keiner modernen Dramaturgie mehr folgt. Insofern weiß man zwar oft, wie es gemeint ist, aber nicht immer springt der Funke noch ungebremst über.

Somit ist „Der goldne Topf“ eine gute Geschichte, die allerdings spürbar Opfer ihres Alters ist. Spannend und phantasievoll konzipiert, mystisch und unterhaltsam, sogar gehaltvoll und tiefgründig, wenn man sich etwas mit der Symbolik der Zeit auskennt. Sie ist aber eben auch alt und daher, aus heutiger Zeit gesehen, sperrig und bisweilen etwas zäh zu lesen.
„Der goldne Topf“ ist nicht lang und, je nach Ausgabe, auch nicht teuer. Man vergibt sich also auch nichts, wenn man diesem Buch, das man auch sicher in jeder besseren Bibliothek finden kann, mal eine Chance gibt. Allerdings sollte man wissen, dass man zwar hier Phantastik liest, aber eben weder einen Stephen King noch einen der gefühlt wesentlich moderneren Vertreter aus dem englischen Raum der Zeit, sondern einen 200 Jahre alten Text aus Deutschland vor sich hat.

Es ist ein Klassiker und als solcher lesenswert, aber heutzutage keine pure Unterhaltungsliteratur mehr.


Name: Der goldene Topf
Verlag: Reclam
Sprache: Deutsch
Autor: E.T.A. Hoffmann
Seiten: 128
ISBN: 3-150-00101-3{jcomments on}