Eschbach, Andreas: Das Jesus-Video

Abenteuerromane, Thriller und andere auf Spannung ausgelegte Geschichten, ob nun mit oder ohne phantastischem Einschlag, sind ja auch im Bereich der deutschsprachigen Literatur keine Seltenheit mehr. Seltener schon kommt es vor, dass ein solcher Roman und / oder sein Autor bei den Kritikern nun so richtig gut wegkommen.
Wolfgang Hohlbein ist so jemand, der mittlerweile eine wirkliche hohe Reputation erreicht hat, aber auch das vorliegende Buch "Das Jesus Video" von Andreas Eschbach kam schnell zu Ruhm und Ehren.
Ja, es wurde sogar mit einem Preis ausgezeichnet, so darf sich das Buch "Bester Roman des Jahres 1998" nennen und es ist der Gewinner des "renommierten Kurd-Laßwitz-Preises". Nun, dies löst generell in mir zwei Fragen aus: wer zur Hölle ist Kurd Laßwitz (die Recherche ergab: ein Autor, der um den Beginn des 20. Jahrhunderts wirkte) und: was sagt dies nun aus? Ich bin, was Preise betrifft, immer recht vorsichtig, denn es gibt genug Bücher, die zwar ebenfalls mit einem Preis versehen wurde, aber mir absolut nicht gefallen haben. Dieses Misstrauen gilt auch im selben Maße für sehr stark beworbene, neue Bücher, und auch dies war beim "Jesus Video" der Fall, so dass es schon sehr lange dauerte und letztlich der Kaufempfehlung zweier, meinen Geschmack normalerweise treffender Freunde, bedürfte, bis ich endlich mal zugriff.

Das interessiert aber sowieso niemanden, darum will ich mal wieder zurück zum Thema kommen.
"Das Jesus Video" erzählt von Stephen Foxx, einem New Economy-Aufsteiger, der als Mitglied der "New York Explorer's Society" als Helfen bei einer archäologischen Grabung in Israel aktiv ist und durch Zufall in einem gut 2000 Jahre alten Grab die Bedienungsanleitung einer Videokamera findet, die erst in drei Jahren erscheinen soll; aber wie es scheint, liegt diese Anleitung seit Schließung des Grabes schon darin…
Die ersten Theorien sind schnell gefasst: die Anleitung muss von einem Zeitreisenden stammen, und wen dieser vor etwa 2000 Jahren hat filmen wollen, scheint auch auf der Hand zu liegen … zumindest der Titel des vorliegenden Buches verrät es klar.
Nun, wo die Anleitung gefunden wurde, da scheint es wahrscheinlich, dass auch die Kamera zu finden ist und sofort stürzen sich die unterschiedlichsten Parteien ins Rennen. Der Multimillionär John Kaun witterte seine Chance auf einen endgültigen und unumstößlichen Erfolg durch die Vermarktung der Videoaufnahmen von Jesus Christus, und rückt daher gleich mit mehreren Fachleuten und seinem eiskalten Leibwächter Ryan an.
Dazu ruft er sich noch den deutschen Science Fiction-Autor Eisenhardt, den er für den besten Mann im durchschauen der Zeitreisetheorien hält.
Aber auch Stephen versucht gemeinsam mit zwei israelischen Freunden, Yeoshuah und Judith, auf eigene Faust die Kamera zu erwerben.
Dazu stoßen noch allerlei Leute, die mehr oder weniger zufällig in die Handlung geraten und letztlich ist natürlich auch der Vatikan nicht weit, wenn jemand unter Umständen einen so klaren Beweis für Jesus zu finden scheint…

Was sich in der Zusammenfassung vielleicht noch sehr durchschnittlich liest, wird von Eschbach in dem verhältnismäßig langen Roman extrem gekonnt erzählt.
Generell kann man klar sagen, dass Andreas Eschbach die deutsche Sprache gut beherrscht und versteht, spannend wie auch sprachlich ansprechend zu schreiben. Seine Dialoge sind überzeugen, seine Sprache stimmungs- und spannungserzeugend und seine Handlung gut durchdacht.
Überhaupt versteht er sich darauf, alle dramaturgischen Register zu ziehen. Das beginnt mit der Art seiner Kapitelaufteilung, die wirklich so gesetzt ist, dass jedes Kapitel seinen eigenen, kleinen Cliffhanger erhält und zum Weiterlesen bringt, findet aber auch in der eigentlichen Geschichte Niederschlag.
So erreicht seine Handlung schon knapp 100 Seiten vor Schluss einen klassischen Höhepunkt, mit sich überschlagenden Ereignissen und einer gnadenlosen Geschwindigkeitszunahme der Geschehnisse, doch fällt die Kurve danach nur minimal ab und die verbleibenden Seiten sind ebenso spannend wie zuvor.
Die Handlung ist dabei flott, ohne flüchtig zu sein und weist zwar genügend überraschende Wendungen auf, um nicht vorhersehbar zu werden, ist zugleich aber auch sehr logisch und - von besagten Wendungen abgesehen - nachvollziehbar aufeinander aufbauend geschildert. Sogar der Abschluss ist überdurchschnittlich gelungen, der Roman schildert in den letzten Kapiteln je nach Charakter mehr oder weniger genau, wie ihre Leben danach weiter verlaufen sind und schafft so einen ungeheuer runden Schluss.

Auch merkt man bei dem Roman oft, wie viel Mühe Eschbach in die Recherche investiert hat. Viele Wissens- und Wissenschaftsgebiete werden alleine von der Grundthematik stark berührt, sei es nun Physik (Zeitreisen), Religion (voran natürlich Jesus Christus) oder auch der Handlungsort Israel, alles sind sehr vielschichtige Themen. Dabei greift der Roman viele aktuelle Thesen auf, schildert sie kompakt und doch korrekt und erhält sich so ein, für einen Roman des Genres schon ungewohnt hohes Niveau, aber auch der Leser bleibt nicht auf der Strecke und fühlt sich nie belehrt.

Doch nicht nur die Grundthematik wird sehr vielschichtig angegangen, auch die Charakterzeichnung ist sehr gut gelungen.
Stephen Foxx und seine Freunde sind die Protagonisten, sicherlich, doch dabei werden weder sie sonderlich idealistisch noch ihre Feinde besonders einseitig geschildert. Alle, ausnahmslos alle Charaktere haben einen ungeheuren Tiefgang, jeder seine persönlichen Interessen und Standpunkte und Eschbach gelingt es, sie alle in den Roman einzubauen ohne dadurch die Handlung sonderlich auszubremsen.
Jeder der Charaktere hat seine ganz eigene Motivation, diese ist immer nachvollziehbar, stets glaubwürdig dargestellt und keiner vollzieht im Laufe der Handlung damit einen unnatürlichen Bruch, was ob der Vielzahl der Charaktere und der sich überstürzenden Ereignisse gegen Ende durchaus eine bemerkenswerte Leistung ist.
Ebenso wie ich es bemerkenswert fand festzustellen, dass verschiedene Leser des Romans durchaus verschiedene Sympathieträger erwählten, so dass die einen wirklich mit Stephen mitfieberten, während andere vielleicht eher Kaun die Daumen drückten…

Eine abschließende Betrachtung fällt dann auch dementsprechend positiv aus. Eschbachs "Das Jesus Video" ist von der ersten bis zur letzten Minute spannend, und das sind viele Minuten, wenn man die hohe Seitenzahl des Werkes bedenkt.
Der Roman ist sicherlich kein Meisterstück der Hochliteratur, aber das will er ja auch nicht sein. Er ist ein Unterhaltungsroman, und in diesem Zeichen erfüllt er eigentlich jedes Kriterium, dass einen Meister seines Faches auszeichnet.
Uneingeschränkt zu empfehlen…


Name: Das Jesus-Video
Verlag: BasteiLübbe
Sprache: Deutsch
Autor: Andreas Eschbach
Seiten: 651
ISBN: 3-404-14294-2{jcomments on}