Köster-Lösche, Kari: Das Deichopfer

Kari Köster-Lösche ist vermutlich ein Name, der sehr vielen Leuten hier nichts sagen wird. Das ist insofern ganz bemerkenswert, da die Autorin bereits 30 belletristische Werke und zehn Sachbücher veröffentlicht hat. Neben wissenschaftlicher Pionierarbeit auf dem Forschungsfeld der Krankheit BSE schreibt sie vor allem historische Romane, die in recht unterschiedlichen Epochen angesiedelt sind.
„Das Deichopfer“ ist einer davon und spielt im Nordfriesland des 17. Jahrhunderts. Das Buch ist mit seinen 148 Seiten von heutzutage fast schon kurios anmutender Dünne, dafür aber auch von Anfang an mit 6,95 Euro extrem günstig erhältlich gewesen.

Die Geschichte handelt von dem jungen Deichbauer Bahne Andresen, der mit seinem Deichgrafen in Konflikt gerät, als er verzweifelt versucht, diesen zu einer moderneren, in Holland entworfenen Baumethode zu bewegen. Als dann, aus ganz anderen Gründen, jemand des Nachts einen Durchstoß des Deiches vornimmt und damit das ganze Dorf in Gefahr bringt, sie der Deichgraf wiederum seine Chance gekommen und lenkt den Verdacht direkt auf Andresen, um sich den ungeliebten Gehilfen zu entledigen.
Bahne bleibt also nur die Flucht nach vorne: Er muss den wahren Täter finden. Nicht nur, dass er nur so seine eigene Hinrichtung verhindern kann, eigentlich würde er ja auch gerne das Herz der Tochter des Deichgrafen erobern...

Alles in allem ist das Buch ein klarer Vertreter der Kategorie „Nett, macht beim Lesen Spaß, aber es bleibt nichts hängen.“ Was Köster-Lösche perfekt versteht ist es, dem Leser die Eigenarten der friesischen Sitten und der lokalen Vergangenheit zu vermitteln. Sie schafft es, alle notwendigen Details rund um das Deichwesen in die Geschichte einzubauen, ohne dass es irgendwann belehrend oder nüchtern-sachlich würden.
Die eigentliche Geschichte ist dabei weniger Krimi als mehr Sozialstudie und irgendwann nach dem ersten Drittel der Geschichte bricht die Autorin auch etwas mit ihrer eigenen Erzählperspektive, um möglichst Facettenreich schildern zu können, was alles in dem Dorf geschieht, nachdem der Deichdurchstoß gewissermaßen den Stein ins Rollen gebracht hat. Sie schreibt flüssig und gekonnt, die Dialoge sind die meiste Zeit gelungen und die Geschichte hält durchweg eine schöne Atmosphäre.

Leider muss man umgekehrt attestieren, dass gerade Bahne eine ziemlich anstrengende Person ist der auch regelmäßig die Sympathiepunkte beim Leser verspielt. Ein Beispiel vom Anfang der Geschichte: Er beschließt in Abwesenheit des Deichgrafen eigenmächtig ein Stück des Deiches nach der holländischen Methode bauen zu lassen, was letztlich auch der Grund des endgültigen Zerwürfnisses mit seinem Herrn ist. Aber nun mal ehrlich: Wenn ich als Bauleiter zurückkomme und feststelle, dass mein Stift alle Pläne ignoriert und etwas gebaut hat, was komplett dem widerspricht, was ich als richtig gelernt habe … ich würde ihn auch rauswerfen.
Sicherlich, das nachfolgende Komplott ist eine andere Sache, aber Bahne liefert sich einige Schoten im Laufe der kurzen Geschichte, wo man im Endeffekt sagen muss: Er hat es auch nicht anders verdient.

Wenn das Buch dann geendet ist, hat man zwar einen schönen Einblick in das Friesland des 17. Jahrhunderts erhalten und es wird einem vermutlich um die investierte Zeit sowie das geringe Geld nicht Leid tun – aber wie schon gesagt, wirklich hängen bleibt auch nichts.
Insofern ist es zwar ein Buch, dass man durchaus gut im Laden aufgreifen kann und das, wenn man es, wie ich in der Grabbelkiste findet, sicherlich keinen Fehler darstellt, das aber anders herum auch keine wirkliche Empfehlung darstellen kann.
Es ist nicht schlecht, es ist sogar ganz nett. Mehr aber auch nicht.


Name: Das Deichopfer
Verlag: List
Sprache: Deutsch
Autor: Kari Köster-Lösche
Seiten: 148
ISBN: 3-548-60553-2{jcomments on}