Abercrombie, Joe: Best Served Cold
Beim Durchstöbern von Amazon hat mir der Online-Buchhändler in letzter Zeit immer wieder einen Autor empfohlen, der nach Ansicht der Seite für mich interessant ist: Joe Abercrombie. Der londoner Schriftsteller kommt, wie heute so Viele aus dem Film- und Fernsehbereich, hat aber auch schon eine ganze Anzahl recht dicker Fantasyromane auf dem Markt. Neugierig wie ich bin, wollte ich mir das einmal näher ansehen und habe mich durch den 500-Seiten-Schinken "Best Served Cold" einmal durchgelesen, eine Geschichte um Krieg, Politik und Rache in einer fiktiven Renaissancewelt.
Allein vom Äußeren kommt das Werk schon einmal richtig edel daher, der britische Verleger hat ein robustes klassisches Hardcover mit Schutzumschlag produziert, wobei dieser Umschlag der eigentliche Clou ist: Er zeigt die Karte des erfundenen Kontinents, der Schauplatz der Geschichte ist, in vergilbter Faksimile-Optik. ganz als wäre es eine Feldherrenkarte aus dem Roman und verteilt darauf Blutspritzer, Golddukaten und einen Degen. Da kommt nicht nur sofort die richtige Stimmung auf, nein, wer, wie ich, den Umschlag zum Lesen abnimmt, hat dann eine schöne Karte als Referez direkt neben dem Buch auf dem Tisch liegen - hübsch, praktisch und clever ausgedacht.
Autor und Titel sind dann noch in Prägedruck mit Silberfolie ausgeführt, was den edlen Gesamteindruck abrundet und das Buch rein äußerlich richtig attraktiv macht.
Da man ein Buch aber nicht nach seinem Einband beurteilen soll, zum Inhalt: Der Roman spielt in einer Welt, die Europa irgendwo zwischen italienischer Renaissance und Dreißigjährigem Krieg ähnelt (in guter Fantasy-Tradition allerdings bei völligem Verzicht auf Feuerwaffen). Die den Kontinent beherrschenden Stadtstaaten sind durch seit Jahren andauernde Kriege völlig verheert und nicht geringe Schuld daran trägt die Protagonistin der Geschichte mit dem etwas sperrigen Namen Monzcarro "Monza" Murcatto, die als rücksichtslose Söldnerführerin, Fechterin und Kriegsverbrecherin die Ambitionen des gerissenen Großherzogs Orso durchsetzt, der fast schon das ganze Land unterjocht hat.
Das alles ändert sich plötzlich, als Monza gleich zu Beginn des Buches von ihrem Brötchengeber, der ihre (nicht vorhandenen) Ambitionen fürchtet, vom Balkon seiner Alpenfestung gestürzt wird. Das führt nicht dazu, dass Monza zu einem besseren Menschen wird, lässt sie allerdings dann für den Rest des Buches dem Pfad ihrer Rache folgen. Mit Hilfe einer zwielichtigen Truppe aus Mördern und gescheiterten Existenzen macht sie es sich zum Ziel, den finsteren Großherzog und seine Helfer einen nach dem anderen zur Strecke zu bringen, wobei sich die Sache immer weiter verkompliziert, als sich Monza immer mehr mit ihrer Vergangenheit und ihren Motiven auseinandersetzen muss. Dazu führen die Verflechtungen innerhalb ihrer Killertruppe zu weiteren Verwicklungen und außerdem greift sie durch ihre Taten immer weiter in den Krieg ein, denn während sie ihr erstes Opfer noch bequem in einer dunklen Gasse erlegen kann, rückt sie gegen Orso am Ende mit einer kompletten Armee vor.
Die Geschichte, die Abercrombie hier erzählt ist spannend und hochdramatisch, aber nicht neu. Rache und ihre Folgen sind das zentrale Thema und der Autor fügt hier nichts hinzu, was es nicht schon etwa bei "Michael Kohlhaas", "Spiel mir das Lied vom Tod" oder meinetwegen "Kill Bill" gegeben hätte. Was den Roman abhebt, ist vielmehr die Art, wie die ganze Erzählung gestaltet ist. Zuerst einmal ist das ganze Setting un-glaub-lich "gritty", sämtliche Haupt- und Nebencharaktere sind Bösewichter, Verbrechertypen und schlechte, kaputte Menschen, Gewalt, Verrat und Egoismus sind an der Tagesordnung und keine gute Tat bleibt ungestraft. Jedes Kätzchen, das in einem Kapitel vor dem Ertrinken gerettet wird, taucht im nächsten als Schurke wieder auf, der mit einem der Hauptcharaktere noch eine Rechnung offen hat. Diese extrem überzeichnete Darstellung einer abgrundtief schlechten Welt hat nichts mit Realismus zu tun und grenzt teilweise schon ans Naive - wie eine Geschichte über Ponys für Mädchen, die eigentlich Jungs sind, schwarze Klamotten tragen und von ihren sportlicheren Mitschülern serienmäßig vertrimmt werden - und mit Söldnern statt Ponys.
Interessanter ist da wohl die besondere Art, die Handlung zu schildern, die wohl der Drehbuchtätigkeit des Autors zu verdanken ist: Jedes Stück der Erzählung wird aus der Perspektive eines Charakters erzählt. Ok, das ist nicht neu, aber so extrem habe ich es noch nie erlebt: Abercrombie verzichtet fast komplett auf Beschreibungen der Umgebung, Türen, Straßen, Gebäude, Büsche, Passanten, Tiere - all diese Dinge werden nur erwähnt, wenn sich der handelnde Charakter in irgendeiner Weise damit beschäftigt. Wenn das nicht der Fall ist, gibt es oft seitenweise Gedanken, Motive, Dialoge, Erinnerungen und Interaktionen aller Art, die quasi im leeren Raum stattfinden. Das mag für ein Drehbuch okay sein, wo dann bei der Umsetzung Bühnenbild und Requisite dafür sorgen, dass die Handlung nicht im leeren Raum stattfindet, in einem Fantasyroman, in dem es viel Action in einer fremden Welt gibt, fand ich es extrem desorientierend.
Zu guter Letzt ist das Buch einfach lang - der strukturierte Aufbau (sieben Morde an sieben Orten in sieben Kapiteln, zwischen Pro- und Epilog geklemmt) und die Vorhersehbarkeit der Rahmenhandlung lassen das Druckerzeugnis zu einem Schinken werden, bei dem man sich oft eher durchnagt, als ihn zu verschlingen.
Fazit: "Best Served Cold" wäre ein ziemlich cooler, popcorniger Film mit netten Charakteren, den ich mir garantiert ansehen würde. Als Roman, ohne charmante Schauspieler und Spezialeffekte kann es nicht überzeugen. Handwerklich ist das Buch dabei durchaus in Ordnung, es kann halt gar nichts Besonderes und das auf sehr vielen Seiten.
Name: Best Served Cold
Verlag: Orion Books
Sprache: Englisch
Autor: Joe Abercrombie
Seiten: 534
ISBN: 978-0-575-08245-8{jcomments on}