Hornby, Nick: A long way down

Die Umschläge von Büchern sind eine Sache für sich. Manchmal findet man ein hervorragendes Cover auf einem sehr schlechten Buch. Auf der anderen Seite sind gerade im Fantasybereich die Cover meistens geradezu furchtbar selbst wenn zwischen den Deckeln solche Klassiker wie „das Lied von Eis und Feuer“ auf Einen warten. Ähnlich unberechenbar verhält es sich mit den Klappentexten, die den Inhalt mal akkurat und mal stark verfälschend wiedergeben. Letztlich sind da natürlich noch auf fast jedem Buch die Lobhudeleien anderer Autoren und diverser Kritiker zu lesen, die aber auch keine wirkliche Aussagekraft haben, da man sie eben auf jedem Buch findet und naturgemäß einfach nicht jedes Buch gut sein kann.
Worauf ich hinaus will ist, dass man letztlich über den Buchumschlag so gut wie keine Rückschlüsse auf die Qualität des Inhalts schließen kann.
Und dennoch gibt es manchmal kleine Indizien. Wenn zum Beispiel von vier Lobhudeleien auf der Rückseite zwei von derselben Zeitung stammen und man gleich gar keinen Schriftsteller finden konnte, der etwas Nettes sagen wollte, sondern ein Schauspieler herhalten musste, so kann man dies als kleines Indiz darauf werten, dass das Buch vermutlich eher mittelmäßig ist. Zwar ist der lobende Schauspieler kein geringerer als Johnny Depp und dürfte daher was die Marketingwirkung angeht so ziemlich jeden Schriftsteller aus dem Feld schlagen, aber darum sprach ich auch von einem Indiz und nicht von einem lückenlosen Beweis.
Genutzt hat mir diese Auffälligkeit auf dem ansonsten völlig typischen Buchrücken – im Übrigens ein Exemplar mit leicht verfälschender Inhaltsangabe – von Nick Hornbys „A long way down“ aber leider nichts, denn zu dem Zeitpunkt meiner Beobachtung befand ich mich bereits im letzten Drittel dieses überaus mäßigen Buches.

Dabei ist die Prämisse noch hervorragend und lässt auf Gutes hoffen:
Ein Fernsehmoderator, der infolge einer Affäre mit einer Minderjährigen vor den Trümmern seines Lebens steht, die Mutter eines schwer behinderten jungen Mannes, ein Musiker ohne Band und eine pubertierende Jugendliche ohne Verstand haben in der Silvesternacht alle dasselbe Ziel. Sie wollen vom Dach eines Hochhauses in den Tod springen. Da jeder von ihnen mit einer gewissen Exklusivität dieser Idee gerechnet hat sind alle relativ überrascht auf dem Dach noch drei weitere Personen vorzufinden.

Die Idee klingt einfach hervorragend und beim Lesen des Klappentextes, der mit einem suggestiven „is their unlikely friendship a good enough reason to carry on living?“ endet spielte sich vor meinem geistigen Auge ein wunderbares „Closed Room Scenario“ ab, bei dem die Protagonisten ihre Seelen entblößen, sich aufmuntern oder anfeuern und bei dem bis zum Schluss die Spannung bleibt wer nun springt und wer nicht.
All dies lag bereits nach 20 Seiten in Trümmern. Ab Seite 12 weiß man im Grunde genommen schon wer alles überlebt und ab Seite 20 wird das Dach verlassen, weil Hornby scheinbar nicht in der Lage ist das erhoffte „Closed Room Scenario“ aufrecht zu erhalten.
Nun wird man den Rest des Buches dabei zulesen wie die vier Protagonisten sich schrecklich originell mit einander streiten und teils mehr teils weniger in die Leben der jeweils anderen einmischen. An Handlung passiert dabei nichts großartig nennenswertes mehr, was vom Autor auch scheinbar gewollt ist. Denn wenn plötzlich das Leben lebenswerter erscheint obwohl sich eigentlich nichts oder nur sehr wenig geändert hat ist vielleicht alles eine Frage der eigenen Perspektive. Das Problem für den Leser dabei ist nur: Wenn die Spannung bereits auf den ersten Seiten vollends zerstört wird und eine fortschreitende Handlung im Prinzip nicht zu erkennen ist warum sollte man dann Weiterlesen?

Mögliche Antworten auf diese Frage wären lieb gewonnene Charaktere oder spritzige Dialoge. Leider funktioniert das Buch auch auf dieser Ebene nur sehr mäßig und das obwohl man in das Seelenleben aller Protagonisten hineinschauen kann, da es abwechselnd aus der Ich-Perspektive von allen Vier geschrieben ist. Dabei konnte ich aber dennoch nur mit einer der Personen, nämlich der Mutter, mitempfinden und meiner Meinung nach gelingt es Hornby auch nur bei ihr das Charakterkonzept glaubwürdig und gefühlvoll bis zum Ende durchzuhalten.
Der Musiker hingegen wird schnell um einen interessanten Wesenszug beraubt, nämlich die Freude an der Literatur. Während sein erster Auftritt und seine ersten Gedanken hauptsächlich um die Werke großer Literaten kreisen und er seine Belesenheit auch gegenüber den Übrigen durch Zitate und Andeutungen aufblitzen lässt verkommt diese interessante Note schnell zur Randnotiz, um dann völlig zu verschwinden.
Die pubertäre Göre und der Fernsehmoderator sind schlicht und ergreifend unsympathisch und hätten sich meinetwegen auch gleich vom Dach werfen können. Hier hilft auch die Ich-Perspektive nicht, um die Charaktere in ein anderes Licht zu rücken. Zwar zieht der Moderator irgendwann den Schluss, dass er an allem selbst Schuld ist und sich grundlegend ändern müsse nur tut er das dann nicht wirklich, badet weiter in Selbstmitleid und benimmt sich im Verlauf des ganzen Buches hindurch wie ein besserwisserisches Arschloch ohne dass da wirklich viel mehr dahinter wäre. Am liebsten streitet er sich dann mit der Göre, die das ganze Pensum pubertären Schwachsinns einer leidlich mit Intelligenz ausgestatteten 17-jährigen über die drei anderen und den Leser ergießt.
Die Dialoge lesen sich anfangs noch sehr spritzig und originell, verlieren ihre Kraft aber sehr schnell, da sie irgendwie alle gleich klingen. Dieser Effekt beschleunigt sich meiner Einschätzung nach sogar, wenn man bereits andere Bücher von Hornby gelesen hat. Ähnlich wie Tarantino immer aussieht und klingt wie Tarantino und damit Gefahr läuft den Zuschauer irgendwann nur noch anzuöden liest sich Hornby scheinbar immer wie Hornby mit genau dem gleichen Effekt. Trotzdem gelingt es ihm die Charaktere immer wieder in skurile Situationen zu bringen, deren Auflösung dann aber zumeist auch einen schalen Beigeschmack hat: Irgendwie hat man immer das Gefühl aus der Szene hätte man etwas originelleres, pfiffigeres einfach mehr machen können genau wie aus der grundsätzlichen Prämisse auch.

Zusammenfassend kann ich das Buch nur als mäßig bezeichnen. Ich denke einmal, dass bekennende Hornby-Fans eventuell ihren Spaß haben könnten, da sie im Grunde genommen die gewohnte und gemochte Kost bekommen, allen anderen jedoch möchte ich von „A long way down“ eher abraten. Für mich persönlich gehe ich noch einen Schritt weiter und werde von Hornby, nachdem ich hier und mit „How to be good“ bereits zwei Romane von ihm in Folge gelesen habe, die trotz toller Idee in pseudointellektueller Beliebigkeit versaufen, für die nächste Zeit eher meiden.


Name: A long way down
Verlag: Penguin Books
Sprache: Englisch
Autor: Nick Hornby
Seiten: 257
ISBN: 978-0-14-102577-3{jcomments on}