Henriksen/Maddrey: Not Bad For A Human

Wenn Prominente Biographien schreiben, hat das in der Regel einen von drei Gründen – sie nehmen sich zu wichtig, sie merken, dass ihre Karriere gerade abraucht oder sie merken, dass diese gerade anzieht und wollen Gewinnmaximierung betreiben. Manchmal gelten all diese Gründe. Manchmal geht es bei alledem auch um Abrechnung – und das wiederum geht dann meist auf einen der vorigen Gründe zurück. Darum meide ich derartige Bücher in der Regel auch. Lancy Henriksen hingegen hat sich ja eigentlich noch nie um einen Preis für Karriereeifer verdient gemacht – er ist ein hervorragender Schauspieler und hat in einer ganzen Reihe von Genre-Klassikern mitgespielt, aber er war nie jemand, der das Rampenlicht gesucht hat.
Als er also nun ein Buch angekündigt hat, dass dann auch noch so stylish Not Bad For A Human heißt, war ich neugierig. Es sollte sich zeigen: mit Recht.

Vorweg: Das Buch ist keine Autobiographie. Es ist … schwer zu sagen, was es genau ist. Joseph Maddrey – der sagt einem mehr oder weniger mit gutem Grund nichts – hat viele, lange Gespräche mit dem Schauspieler geführt. Und vermutlich alles an Interviews verschlungen, was er in die Finger kriegen konnte. Und dann hat er, in Rücksprache mit Henriksen, ein Buch über den Mann geschrieben. Teilweise in Paraphrase, oft in längeren Zitaten.
Auch findet sich die oft im Genre vertretene Trennung in Vorgeschichte und spätere Set-Anekdoten hier nicht. Vielmehr folgt das Buch sehr strikt der Filmographie des Darstellers – mit gutem Grund, doch dazu gleich mehr – und verbindet so eigentlich durchgehend die persönlichen wie die professionellen Seiten. Netter Nebeneffekt ist dabei, das weder den Lesern, die wegen des einen, noch denen, die wegen des anderen dabei sind, jemals langweilig werden sollte.

Aber mal davon abgesehen, dass Henriksen das Genre mit Klassikern wie Terminator, Aliens oder der TV-Serie Millennium, aber auch B-Film-Granaten wie Hard Target, der Pumpkinhead-Reihe oder dem Super Mario Brothers-Realfilm bereichert hat, warum sollte einen das Buch interessieren?
Henriksens Lebensgeschichte weicht sicherlich deutlich von der vieler anderer Hollywood-Schauspieler ab. Jahre seines Lebens hat er auf der Straße verbracht; als er seine ersten Bühnenstücke ergattert hat, konnte er nicht einmal lesen. Recht unterhaltsam wird beispielsweise berichtet, wie er bei seinem ersten Vorsprechen so lange beteuerte, immer weitere Jobs vor Ort – Kulissen, Beleuchtung etc. – zu übernehmen, bis man ihn letztlich nahm, ohne dass er vorlesen musste.
Und dieser Mann, besessen von der Idee, Schauspieler werden zu wollen, beißt sich dann gut 200 Seiten durch, lernt in seinen ersten, aktiven Jahren die Skripte noch von Audiokassetten, lässt sich aber nie beirren und kämpft darum, Arbeit zu finden.
Und wenn ich „besessen“ schreibe, dann meine ich das auch. Radikale Anhänger der ‚method acting’ genannten Schauspielschule, die letztlich darauf basiert, sich möglichst intensiv in die dargestellte Figur hineinzuversetzen, haben es in den letzten Jahren ja immer mal wieder in die Nachrichten gebracht. Christian Bales radikales Abmagern für The Machinist, Jack Nicholsons Übergriff auf seine Mitschauspieler in The Departed, damit die mehr Angst vor ihm zeigen würden – da gibt es ja einige Anekdoten. Henriksen aber treibt das, wie es im Buch geschildert wird, noch mal in ganz andere Dimensionen. Er kauft sich von privatem Geld Outfits und Ausrüstung für seine Rollen, selbst wenn die nie ins Bild kommen, einfach weil es ihm wichtig ist, sie zu haben. Er bleibt auch in Pausen, im Feierabend, manchmal über Monate in Rolle. Als ihm in einem Film die Statisten, die seine Biker-Gang darstellen sollen, nicht hart und gefährlich genug wirken, zieht er los und sucht sich eine echte, harte und gefährliche Biker-Gang, um diese für den Film anzuheuern. Und das sind nur Bruchteile dessen, was in dem Buch erzählt wird.

Eine gängige Theorie ist ja, dass wir Menschen schätzen, bzw. das Werk von Menschen schätzen, wenn wir sehen können, dass sie mehr Einsatz gezeigt haben als generell üblich. Wenn das eine Messlatte ist, dann hat Henriksen deutlich mehr Ruhm verdient, als er in seinem Leben hatte.
Es ist ein Mann, der für seine Kunst – also die Schauspielerei und dann, später, auch das Töpfern – lebt und atmet. Er opfert Chancen und Beziehungen, opfert letztlich Teile seines Lebens um das zu tun, was ihm am Herzen liegt. Dass er dafür manchmal auch das drehen muss, was er „Alimente-Filme“ nennt, bleibt dabei nicht aus.

Mich persönlich hat Not Bad For A Human deshalb sehr fasziniert, weil es einen seltenen Einblick in das Leben eines von seinem Kunsthandwerk Besessenen bietet. Wen so etwas nicht interessiert, der wird an dem Buch vermutlich keine Freude haben. Wer aber für solche Themenfelder offen ist, den erwartet eine durchweg spannende Lektüre.

Abschließend noch ein paar Worte zu dem Buch selber. Das Layout ist eher semiprofessionell zu nennen, die redaktionelle Arbeit aber gut. Das Cover zeigt eine Zeichnung von Henriksen, angefertigt von Comic-Zeichner Bill Sienkiewicz. In dem Band selber finden sich noch einige andere Illustrationen, durchaus auch von großen Namen wie Mike Mignola oder Tim Bradstreet umgesetzt. Darüber hinaus gibt es einige, jedoch nicht viele Fotos, da wäre mehr möglich gewesen. Das vorliegende Exemplar ist ein Softcover, der Einband ist mittelmäßig, die Abfertigung erfolgt über Lightning Source; Rollenspieler kennen die als den Dienstleister, der auch für DriveThruRPG den Druck übernimmt. Es gibt eine limitierte Hardcover-Ausgabe, die ist jedoch außerhalb der Staaten kaum zu beziehen, scheint es.
Der Preis, zuletzt, ist relativ frech. Zwar muss man dazusagen, dass das Buch bei 214 Seiten dennoch viel Text bietet, da es mit 25x17,5cm ein relativ großes Format hat … was allerdings dem unglaublich labilen Softcover-Umschlag auch nicht weiter hilft. Euro-Kurs etc. inklusive mag man das Buch zwischen 17 und 19 Euro kriegen – das ist viel, trotz der guten Seiten, die es hat.
Wer anders als ich eBooks lesen mag, kann sich das Buch allerdings auch für 6,65 Euro auf seinen Kindle locken. Und das wiederum ist gut angelegtes Geld.

Fazit?
Ich fand es eine tolle Lektüre und hatte sowohl Spaß als auch erhellende Momente, während ich darin geschmökert habe. Ich denke Henriksen ist ein schwieriger Mensch, um ihn im Alltag um sich zu haben, aber er ist ein toller Kerl, um mit ihm diese Reise durch sein Leben zu unternehmen.
Würde ich mir das Taschenbuch wieder kaufen? Ja, ich denke schon.
Würde ich es vorbehaltlos empfehlen? Nein, allerdings nur des hohen Preises wegen.
Mir gefällt es gut.


Titel: Not Bad For A Human
Originalausgabe
Autor: Lance Henriksen, Joseph Maddrey
Verlag: Alexander Henriksen Press
ISBN: 978-0-9834325-0-0
Seitenzahl: 214 Seiten Softcover
Sprache: Englisch
Preis: 24,99 US-${jcomments on}