Hamburger, Robert: Real Ultimate Power - The Official Ninja Book

Als ich ein Kind war, gab es nichts Besseres als Ninjas. Damals, so um 1990 herum war gerade das Goldene Zeitalter des Ninjas, sie erschienen in Comics, Computerspielen, in Zeichentrickserien und nicht zuletzt in tausenden billig produzierter VHS-Filme aus Übersee. Der ikonische Ninja in schwarzem Strampelanzug, Tabi-Socken und einem Arsenal von exotischen Waffen war tödlich und cool und vor allem völlig unbesiegbar (außer durch andere Ninjas).

Und mit Real Ultimate Power - The Official Ninja Book hat nun jemand ein Buch darüber geschrieben. Nein, kein Buch über Ninjas, sondern über die Faszination von präpubertären Männern für Ninjas.
Der pseudonyme Autor, Robert Hamburger ist die Figur eines dreizehnjährigen amerikanischen Jungen, der völlig besessen von Ninjas ist und der darum beschlossen hat, ein Buch über Ninjas zu schreiben. Dieses Opus ist eine krude Ansammlung von Behauptungen, Missverständnissen, Fantasien und teilweise widersprüchlichen Aussagen über Ninjas. Zusätzlich gibt es auch (schlechte) Gedichte, (schlechte) Filmscripts und andere (schlechte) Handouts. Das Ganze liest sich wirklich wie die Fantasie eines (nicht allzu aufgeweckten) Kindes.

Über Ninjas erfährt man nichts außer puerilen, Hirngespinsten: Ninjas sind superdupertoll, der Sinn von Ninjas ist es, auszuflippen und jeden zu töten, sie töten Leute, die sie nerven, eine ihrer Waffen ist ihr Ständer und sie rammeln heiße Schnitten, aber romantisch. Außerdem spielen sie E-Gitarre und kämpfen gegen uncoole Piraten. Ninjas sind Säugetiere, es gibt nur noch 50 Ninjas auf der Welt, Ninjas sind superdupertoll, aber ihre Schwäche sind echt gruslige Geistergeschichten. Ninjas sind durchgeknallt und töten wahllos ohne die Folgen fürchten zu müssen. Ninjas können fliegen.
So geht das das ganze Buch durch, der Aufbau ist nach Themen geordnet, an die sich der Autor dann aber im Text oft nicht hält. Manche Dinge werden mit einem Satz abgehandelt, auf anderen reitet der Autor ewig herum. Viele Dinge werden durch das ganze Buch immer wiederholt, bei anderen widerspricht sich der Autor selbst. Abweichende Meinungen und Widersprüche werden meist mit den Totschlagargumenten "Das ist so, weil Ninjas so toll sind", "Jeder, der Ahnung hat, weiß..." und "Wer so etwas sagt, ist ein Idiot" abgewatscht.

Das Ganze ist vage amüsant, aber wer sich von dem Buch wirklich einen sinnvollen Beitrag zum Thema Ninjas erhofft, der wird herb enttäuscht werden.
Allerdings ist das auch nicht das Thema des Buches. Durch all die Kindertexte und auch durch Fußnoten, die offenbar Reaktionen der Außenwelt zu den Texten in Dialogform darstellen, erfährt der Leser zwischen den Zeilen ziemlich viel über Robert Hamburger: Er ist übergewichtig, hat ein Aufmerksamkeitsdefizit und Verhaltensstörungen, durch die er in der Schule Probleme hat. Freunde hat er keine, seine Eltern verstehen ihn nicht (schlagen ihn aber), seine Zuflucht sind sein Hund (mit dem er auch Dialoge führt) und sein Babysitter, der ein wenig Verständnis zeigt und auch über eine höhere Bildung verfügt, aber auf der anderen Seite ein unglücklicher, dysfunktionaler Paraphiler mit einem Windelfetisch ist. Und dann sind da noch die immer wilder werdenden, teilweise gewalttätigen Ninja-Fantasien, die das Umfeld von Robert eigentlich alarmieren müsste - wenn sich denn irgendwer für ihn interessieren würde.

Wenn man sich durch das Buch liest, über einen Satz schmunzelt und dann erst merkt, was dieses Kind da eigentlich sagt, wenn man sich langsam zusammenreimen kann, was da im Hintergrund eigentlich passiert und welches Bild die Figur Robert Hamburger von der Welt hat, dann ist das ein ziemlich seltsames Gefühl.

Eigentlich ist das, was man da liest, ziemlich bestürzend (und nicht unbedingt realitätsfern), aber andererseits auch schon wieder komisch. Etwa wenn der Autor in seinem Glossar "Vater" so definiert: "Ein männlicher Erwachsener, der Nachwuchs zeugt, um etwas verprügeln zu können." Oder "Freundschaft": "Etwas, das ewig halten sollte, aber manche Leute sind Idioten."
Oder herrliche Dialoge wie: "Hast du mich eigentlich lieb, Mama?" - "Natürlich habe ich dich lieb! Du bist mein Sohn!" - "Aber Mama, was wäre, wenn ich nicht dein Sohn wäre? Hättest du mich dann immer noch lieb?" - "Wahrscheinlich nicht." - "Oh."
Schön sind auch Handouts wie zwei Hausarbeiten von Robert, die er einmal mit und einmal ohne Einname von Ritalin geschrieben hat. Mit dem Medikament ist es eine glatte Eins minus, ohne eine Sechs mit Bitte um Rücksprache mit den Eltern...
Das Buch ist eine Satire, aber eine bittersüße und gerade dass das Ninja-Thema, das in dieser Form für mich vor allem für Spaß, Naivität und (trotz aller Gewalt) für eine kindlich-unschuldige Faszination steht, ausgewält wurde, um dieses kaputte Kind Robert Hamburger zu zeigen, für das keine Aussicht auf Rettung besteht, fand ich ein wenig bestürzend.

Real Ultimate Power - The Official Ninja Book ist kein Buch über Ninjas, sondern ein Buch über ein Kind mit einem beschissenen Leben, das von Ninjas besessen ist. Ich weiß nicht, ob dieses Buch überhaupt ein Statement sein will oder einfach nur eine etwas gestörte Form von Unterhaltung, in jedem Fall ist es gut gemacht, traurig-komisch und hat mich ziemlich überrascht. Gerade, wer sich noch an eine Zeit erinnern kann, in der er als Kind Ninjas einfach geliebt hat, wird von diesem inzwischigen Kultbuch besonders berührt sein.


Titel: Real Ultimate Power - The Official Ninja Book
Originalausgabe
Verlag: Citadel Press
Sprache: Englisch
Autor: Robert Hamburger (Pseudonym)
Empf. VK.: $9.95
Seiten: 193
ISBN: 0-8065-2569-X{jcomments on}